Reiner Fuest und Sandra Stegemann diskutieren gern über Stadtentwicklung und Themen aus dem Leben in Castrop-Rauxel. Zur Altstadt haben beide klare Meinungen.
Standort-Debatte
Tod der Altstadt: Das sagen Bürger, die sich in Castrop gut auskennen
Der Gastbeitrag von Andreas Heier und Martina Tielker über das Siechtum der Castroper Altstadt hat viel ausgelöst. Die Idee, das Bürgerbüro zu verlagern, brachte Feedback: zustimmend und kritisch.
Dass die Castroper Altstadt den Castrop-Rauxelern egal sei, kann man nicht behaupten. Im Gegenteil: Es gibt offenbar viele, denen sie ein Herzensanliegen ist. Zumindest meldeten sich viele in der Debatte zu Wort, die unsere Redaktion durch die Veröffentlichung eines Gastbeitrages anstieß.
Darin schlugen Immobilien- und Bauplanungs-Fachmann Andreas Heier und Buchhändlerin Martina Tielker (Castroper Leselust) vor, das Bürgerbüro aus dem Rathaus am „Stadtmittelpunkt“, in Castrop-Rauxel „auf der grünen Wiese“ gelegen, in die Innenstadt zu verlegen. Sie sprechen von einem Siechtum, in dem sich die Altstadt befindet, und vom nahenden Tod.
„Aus fast reinen Einkaufszentren müssen Mischungen werden“
Es sei eine „Binsenweisheit, dass unsere Innenstädte in Zukunft anders aussehen werden, als wir es aus den vergangenen Jahrzehnten kennen“, so Tielker und Heier. „Aus fast reinen Einkaufszentren in Fußgängerzonen werden sich – im besten Fall – Mischungen aus Einzelhandel, Dienstleistungen, Wohnen, Gastronomie, und Unterhaltung entwickeln.“ Aber diese Entwicklung komme nicht von allein, sie müsse „gewollt, gefördert, schlichtweg ‚gemacht‘ werden“, schreiben die Autoren.
Und was meinen andere dazu? Auf unserer Facebookseite gingen reichlich Kommentare ein. Ramona Schoolmann, die im Rochus-Hospital arbeitet, meint: „Ich finde es sooo traurig, was in unserer Stadt passiert oder auch nicht passiert. Es macht keinen Spaß, dort bummeln zu gehen.“ Sie hoffe, dass man die Altstadt noch irgendwie retten kann.
„So sollen die denn auch noch parken?“
Sie spricht auch die verschiedenen Öffnungszeiten mancher Läden an und erntet da Zustimmung von Sandra Stegemann, die ebenfalls in der Altstadt arbeitet. Sie kritisiert fehlende Parkplätze und schreibt: „Ich musste in der letzten Zeit oft bezahlt auf dem Marktplatz parken und nach vier Stunden umparken wegen der Höchstparkdauer. Ein Busticket würde monatlich um die 100 Euro kosten. Auf dem kostenlosen ehemaligen Parkplatz ‚Dr. Röchter‘ gegenüber vom Viehmarkt parken an Markttagen ein bis drei Lkw. Jeder davon braucht Minimum fünf Pkw-Parkplätze.“
Olaf Hemker erwidert: „Alles auf fehlende Parkplätze zu schieben, halte ich für falsch. Auch wenn wir in Castrop 5000 kostenfreie Parkplätze in der Altstadt hätten, würden die Leute nicht nach Castrop-Rauxel, sondern in den Ruhrpark nach Bochum fahren. Es fehlt an Angeboten, gerade für jüngere Leute. Ein H&M wäre gut und vielleicht auch ein Café für jüngere Leute wie Extrablatt oder Fellows. Ob die ohnehin schon genervten Besucher des Bürgerbüros etwas für die Altstadt bringen, halte ich für sehr fraglich.“
„Mit der Schließung von Hertie fing es an“
Thorsten Hardamek sagt: „Leider siedeln große Ketten wie Mediamarkt, McDonalds oder weitere nicht in der Innenstadt an. Die Altstadt hat mit der Schließung von Hertie angefangen zu sterben.“ Und Jacqueline Baltruschat ergänzt einen Wunsch: „Einen vernünftigen Klamottenladen, wo Jugendliche vernünftig Klamotten her bekommen... Die Jugendlichen müssen immer nach Dortmund oder Bochum fahren.“
Sandra Stegemann fordert dagegen mehr Außengastronomie. Sie meide die Innenstadt auch in der Pause an Markttagen, „seit sie als Markt-Nadelöhr missbraucht wird. Zu eng, zu viele Fahrräder, Laufräder... ab 12.45 Uhr rangierende Marktwagen... Schade! Wir mögen insbesondere die Castroper Leselust, Aldo, die Pusteblume und Reiter Fashion sehr...“
„Billigmüll oder für die Generation 65+“
Florian Hellfeier konstatiert recht unverblümt: „Es liegt alleine an Schließungen (...) Der verbleibende Einzelhandel ist Billigmüll oder für die Generation 65+.“
Das sieht Vera Kopitetzki anders. Sie führt den Kinder-Schuhladen „Bääääm“ an der Wittener Straße an und schreibt: „Unsere kleine Stadt ist schön. Wir haben tolle kleine Geschäfte und auch gute Cafés. Wir brauchen einfach etwas mehr Leben in der Stadt.“
Tina Skulima analysiert: „Ich fürchte, das hat nichts mit Schlechtreden zu tun, denn die Stadt ist ja nicht besonders gut besucht, oder? Ich liebe Castrop und nichts läge mir ferner, als die Stadt schlechtreden zu wollen. Man muss aber mal konzeptionell überlegen, was Anreize sein können, in die Stadt zu kommen. Wir haben vielleicht insgesamt weniger Zeit als früher, wenn man auch einfach mal so in die Stadt ging, um sich zu treffen, Schaufenster und Menschen zu gucken und vielleicht ein Eis zu essen. Dem müsste man Rechnung tragen. Einige Dinge gibt’s halt nicht so gut im Internet, sie müssten aber trotzdem gut erreichbar sein. Ein Spielplatz, ein veganes oder sonstwie besonderes Restaurant, Geschenke- und Dekoläden, Läden mit Livemusik, das würde mir spontan als ‚treffpunktwürdig‘ einfallen.“
„Do-Herr-Haus böte sich gut an“
Reiner Fuest, früher Geschäftsführer der GeWo und bis heute sehr interessiert an der Stadtentwicklung, schreibt: „Vielleicht ist in Vergessenheit geraten, dass bereits vor über 20 Jahren eine städtische Bürgerservicestelle im Eckbereich Am Stadtgarten/Victoriastraße betrieben wurde, die dann nach wenigen Jahren in das großflächige Bürgerbüro im Rathaus integriert wurde. Das Doherr-Haus (ehemals Lichthaus an der Zufahrt von der Wittener Straße / Biesenkamp zum Markt, d. Red.) böte sich gut an als eine Win-Win Situation sowohl für die Altstadt als auch für den Haushalt der Stadt.“ Er bilanziert: „Dieser fundierten Analyse zur Lage der Altstadt und der Forderung der Autoren ist uneingeschränkt zuzustimmen.
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