Rückblickend bereut Muhammad Imran so manche Entscheidung, die er in seinem Leben getroffen hat. Er lebt gern mit seiner Familie in Dortmund Rahm, ist stolz auf sein Taxiunternehmen Flex Taxi an der Bahnhofstraße 256a in Castrop-Rauxel. Und doch hätte alles anders kommen können.
Verlorenes Potenzial
Muhammad Imran stammt aus Pakistan. Dort hat er die 10. Klasse und damit die Sekundarschule I abgeschlossen. „Ich war sehr gut in der Schule. Ich hätte auch Arzt werden können, genug Punkte hatte ich.“ Stattdessen belegte er Fächer im Ingenieurswesen. Es lief gut, die Kurse wurden auf Englisch gehalten, damit kam Imran gut zurecht. Doch nach einem knappen halben Jahr war Schluss.
Statt an die Uni zu gehen, entschied er sich, nach Europa auszuwandern. Imran erinnert sich: „Ich hätte noch mindestens drei Jahre studieren müssen, bis ich Geld verdient hätte. Meine Familie brauchte mich aber sofort.“ Als ältestes Kind fühlte er sich für seine Familie verantwortlich. Seine Eltern hätten jahrelang für ihn gesorgt und sich seine Ausbildung an der Uni ohnehin kaum leisten können. Also suchte der damals 22-Jährige nach einer Möglichkeit, seine Familie finanziell zu unterstützen und fand diese in Europa.
Eine entbehrungsreiche Zeit
Sein Weg führt ihn nach Spanien. Seine Frau bleibt zunächst in Pakistan, ganz allein muss Muhammad Imran in einem fremden Land zurechtkommen. Jahrelang kämpft er für eine Aufenthaltsgenehmigung, denn an die kommt man als Drittstaatsangehöriger schwer.
Er lernt Spanisch, macht einen Auto- und Lkw-Führerschein, heuert bei einer Speditionsfirma an. Nach zwei Jahren kann seine Frau endlich zu ihm kommen. In Spanien geht es dem jungen Paar finanziell etwas besser – weil Imran fast immer arbeitet. Mit Kollegen seines Alters feiern oder in die Kneipe gehen, das macht er nie. „Ich habe auf vieles verzichtet“, bedauert er. Was vom Geld übrig bleibt, schickt er nach Pakistan.

Das Beste aus seiner Zeit in Spanien: Dort kommen seine beiden Kinder zur Welt. Sie haben einen spanischen Pass, dadurch sind die EU-Bürger und genießen als solche viele Rechte wie zum Beispiel freie Reise-, Arbeits- und Aufenthaltsmöglichkeiten innerhalb der EU. Der Vater darf sich dauerhaft innerhalb der EU aufhalten, hat aber keine europäische Staatsbürgerschaft.
Nächste Ausfahrt: Dortmund
Nach neun Jahren gibt es wieder eine große Veränderung im Leben der Imrans. Als Fernfahrer kommt Muhammad nach Deutschland. Hier wittert er die nächste Chance für seine Familie. Er ist sich sicher: „Jeder sucht für sich die besten Möglichkeiten. Jeder hat seinen Traum von einem guten Leben. Das ist menschlich.“ Pakistan sei ein wunderschönes Land. Es gebe aber eine korrupte Politik und eine große Schere zwischen bettelarmen und superreichen Pakistani. Wer ein gutes Leben haben wolle, müsse sich gut überlegen, wo das möglich sei. Die Wahl des Familienvaters fiel auf ein Transportunternehmen in Dortmund-Wischlingen.
Imran wechselt den Fahrersitz
Dort hält es einige Jahre aus. Dann will er sein eigener Chef sein und gründet vor etwa einem Jahr sein eigenes Taxiunternehmen in Castrop-Rauxel. Noch immer schickt er regelmäßig Geld an seine Mutter und einen seiner Brüder. Aber er ist angekommen. „Das Leben ist kurz. Ich habe keine Lust mehr, ständig umzuziehen“, sagt er.

An seinen vielen Arbeitsstunden hat sich wenig geändert. Er sitzt genauso lässig auf dem Stuhl im Büro wie auf dem Fahrersitz. Diese Haltung ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Wenn am Wochenende Hochbetrieb in seinem Taxiunternehmen ist, sind er und seine Fahrer permanent im Einsatz. Dann ist zwischendurch kaum Zeit für eine Toilettenpause, dann herrscht Stress pur. Als Taxifahrer wird er manchmal bedroht, beleidigt oder sogar angegriffen. Schwere Zeiten motivieren ihn, sagt er. Daraus könne man am meisten lernen.
Manchmal ist der 44-Jährige den ganzen Tag weg, zum Beispiel wenn er für seine bislang längste Strecke unterwegs ist: Eine Kundin musste bis nach Graal-Müritz an der Ostsee gebracht und abgeholt werden - 550 Kilometer pro Strecke. Imran verdient daran etwa 1.300 Euro, sitzt dafür aber 12 Stunden am Steuer.
Ein Stück Heimat in Dortmund
Dass sein Leben entbehrungsreich und spannend war und ist, scheint ihm nicht bewusst zu sein. Er spricht über all das mit wenig Emotionen. Nur wenn er das Thema wechselt und über die pakistanische Küche spricht, die auf ihn wartet, wenn er nach Hause kommt, hellt sich seine Miene auf. Er liebt pakistanische Süßigkeiten und den guten schwarzen Tee. Am liebsten isst er Basmati Reis, den er sich aus der Heimat mitgebracht hat. Er freut sich auf Biryani Masala, ein Gericht mit Hähnchen, Reis und einer würzig-scharfen Soße. Dann riecht es in der Küche fast wie bei seiner Mutter.
Heute bereut er seine Entscheidung, sich als junger Mann gegen das Studium entschieden zu haben. „Das war scheiße. Jetzt denke ich: Geld ist nicht alles. Wenn man studiert und einen guten Posten hat, du dir Respekt verdient hast, ist das mehr wert.“ Er will seinen Kindern deshalb beibringen, dass man ein Talent nie verschwenden darf.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 30. Juli 2023.
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