
© Tobias Weckenbrock
Rütgers feiert Einweihung von neuer Anlage: Sie kann aus Teer diesen reinen Stoff gewinnen
Wasserklare Harze
Bei Rütgers wird in dieser Woche gefeiert: Ein Minister-Besuch ist geplant. Grund ist die Einweihung einer neuen Betriebsanlage, die in den vergangenen Monaten schon für Wirbel gesorgt hat.
Investitionen von 60 Millionen Euro, 75 neue Arbeitsplätze für Rauxel: Das waren zentrale Zahlen und Grund zur Freude bei der Geschäftsführung, als im März 2018 die Pläne bekannt wurden. Langfristige Planung auf dem Gelände zahle sich aus, weil nicht mehr benötigte Werksanlagen zurückgebaut worden seien - und so Platz für neue entstehe.
Die Investition wurde als größte Einzelinvestition gefeiert, die die Muttergesellschaft Rain Carbon Inc. jemals getätigt habe. Für Bürgermeister Rajko Kravanja, der in der Stadtverwaltung eine Rütgers-Projektgruppe gebildet hatte, ein Grund zur Freude: Die Zeit sei „auch für uns als Behörden immer wieder eine Herausforderung. Aber hier priorisieren wir: Das ist das größte Projekt der Stadt in den vergangenen Jahren“, so Kravanja im März 2018.
„Der Teer fließt bei uns in den Adern“
Damit sei nicht nur Standortsicherheit verbunden, sondern „es entstehen Arbeitsplätze und wir erhöhen die Gewerbesteuer-Einnahmen“. Es gebe kaum eine Familie in Castrop-Rauxel, die nicht irgendwie mit dem Rütgers-Standort verbunden sei. „Der Teer fließt bei uns in den Adern“, sagte der Bürgermeister.

Das Rütgers-Werk auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2016 © Jens Lukas
So gut blieb die Stimmung nicht: Kurz vor der Grundsteinlegung im Juli kursierten im Unternehmen Gerüchte, dass man andere Anlagen schließen werde. Dann gab es eine Betriebsversammlung, bei der die Details erklärt wurden: Produkte, die im Markt defizitär seien, müsse man abstoßen. Verwaltungsposten werde man in den Mutterkonzern nach Indien und in die USA verlegen.
Auffanggesellschaft gebildet: Heute kaum noch Bedarf
Für die von diesen Streichungen betroffenen rund 100 Mitarbeiter richtete man damals eine Auffanggesellschaft ein: Befristung bis Ende 2021 bei voller Lohnauszahlung. Inzwischen, ein Jahr später, soll diese Gesellschaft nur noch auf dem Blatt existieren, weil man für viele der Leute doch noch interne Lösungen zur Weiterbeschäftigung fand. Andere fanden andere Jobs oder nahmen Abfindungsangebote an. Viele der Sorgen in der Belegschaft sind gelöst.
Aussagen aus der in die USA verlagerte Pressestelle des Unternehmens gibt es trotz mehrfacher Anfrage dazu nicht. Manager Dr. Günther Weymans (COO) war vergangene Woche auf einer Dienstreise und auch nicht zu einem Gespräch bereit.
Donnerstag wird die Einweihung gefeiert
Am Donnerstag (15. August) wird wieder gefeiert: Dann ist von 11 bis 13 Uhr Programm für geladene Gäste geplant. Die neue Anlage wird eingeweiht. Sie gewinnt aus Industrie-Abfallprodukten, die man als Teere bezeichnen kann, wasserklare Harze. Ohne Schadstoffe, verwendbar für Lebensmittelverpackungen und Babywindeln, vor allem aber in der Klebstoffindustrie. „Wir produzieren davon 50.000 Tonnen im Jahr“, so der im März 2018 von Weymans genannte Plan.

Überall Leitungen, durch die heißes Material fließt: So ist das auf dem Werksgelände des Chemiewerks Rütgers in Rauxel. © Tobias Weckenbrock
Damit erreiche man 10 bis 15 Prozent der Weltmarktkapazität. Die Anlage umfasst zweieinhalb Fußballfelder und ist in sich geschlossen, hinterlässt laut Unternehmensführung also keinen Gestank. 77 Geräte wurden verbaut, 3000 Kilometer Rohre. Man verzichte heute auf große Reaktoren oder Kessel, in denen die chemischen Reaktionen ablaufen, sondern lasse die Prozesse in den dünnen Leitungen hintereinander ablaufen.
„Am Ende mehr Mitarbeiter als vorher“
Standortleiter in Rauxel ist heute Carsten Grabosch. Rain-Präsident Gerard Sweeney, der am Donnerstag vor Ort sein wird, sagte im Juli 2018 bei der Grundsteinlegung: „Ich bin mir sicher, dass wir am Ende des Prozesses mehr Mitarbeiter haben werden als vorher.“ Der Bürgermeister, Andreas Pinkwart (FDP), Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen und Regierungspräsidentin Dorothee Feller sind nur einige der geladenen Gäste.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
