„Das macht keiner, um Geld zu verdienen“ Was erhalten die Politiker im Castrop-Rauxeler Rat?

Ausgleich für die Ratsarbeit: „Das macht keiner, um Geld zu verdienen.“
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Mit dem Bürgermeister sitzen 52 Menschen im Rat in Castrop-Rauxel. Und bis auf den Bürgermeister machen sie diesen Job auch ehrenamtlich. Trotzdem bekommen sie eine Aufwandsentschädigung und in manchen Fällen gibt es auch Geld für die Zeit, während der sie nicht arbeiten können.

Gesetzlich steht den Ratsmitgliedern eine „angemessene Aufwandsentschädigung“ zu, wie viel es gibt, entscheidet die Größe der Stadt. Es gibt zwei Möglichkeiten, das Geld auszuzahlen. Entweder es gibt monatlich einen festen Betrag oder einen deutlich niedrigeren festen Betrag und ein Sitzungsgeld.

„Die Stadt Castrop-Rauxel zahlt eine monatliche Pauschale“, wie Dennis Roth von der Stadtverwaltung erklärt. Das sind pro Monat 455 Euro, der Satz wurde 2022 erhöht, vorher waren es 417,20 Euro. Würde die Stadt den niedrigen festen Betrag und Sitzungsgeld zahlen wären es 340 Euro und 25 Euro pro Sitzung. Das System hat in den Augen von Bürgermeister Rajko Kravanja aber einen erheblichen Nachteil: „Da müsste jemand nachhalten, wer in welchen Sitzungen war.“ Ein erheblicher Verwaltungsaufwand, der kein Geld sparen würde.

Spenden an die Partei

Dieses Geld kann nicht an andere Personen als das Ratsmitglied ausgezahlt werden und die Ratsmitglieder dürfen auf das Geld auch nicht verzichten. Es steht ihnen natürlich frei, was sie mit dem Geld machen, viele geben einen Teil dieser Entschädigung an ihre Partei ab. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Timo Eismannn: „Wir geben alles unter Vorbehalt ab, abgesehen von dem Teil, den man an Steuern zahlen muss. Dafür, dass sich jemand bereichert, reicht es definitiv nicht.“

Ähnlich ist es bei der Freien Wählerinitiative (FWI), wie Harald Piehl erklärt: „Wir finanzieren dadurch auch unserer Bürgerinitiative.“ Und Ratsarbeit koste natürlich auch Geld, das fange schon beim Druckpapier an. Ähnliches berichtet auch Thomas Schmidt von der Unabhängigen Bürger Partei (UBP): „Zusammenfassend machen wir das Ganze also sicherlich nicht aus finanziellen Gründen und ‚zahlen‘ unterm Strich ‚drauf‘.“

Andreas Kemna von DIE FRAKTION ist beispielsweise Mitglied in zahlreichen Vereinen. Außerdem spendet die Fraktion als gesamtes monatlich an 300 Euro

Gesellschaft Bochum-Donezk e.V. und 600 Euro an Mission Lifeline, wie sie auf Anfrage erklärt. Manchmal wird dann auch draufgezahlt. „In der FRAKTION entstehende Unterdeckungen werden von den Fraktionsmitgliedern getragen und ausgeglichen.“

Aber neben der Aufwandsentschädigung von 455 Euro können sich Ratsmitglieder auch Verdienstausfälle von der Stadt zurückholen. Man stelle sich vor, ein Ratsmitglied ist hauptberuflich freier Musiker, also Selbstständiger. Die Sitzungen sind oft abends, genau wie Proben und Konzerte. Während der Sitzung könnte das Ratsmitglied also nicht arbeiten. Für diese Zeit wird das Einkommen dann von der Stadt übernommen. „Wie viel ausgezahlt wird, entscheidet der Einkommenssteuerbescheid, der vorgelegt werden muss“, erläutert Dennis Roth.

Angestellte Ratsmitglieder können auch Geld bekommen, wenn sie nicht arbeiten konnten. Aber es muss natürlich nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich kein Geld bekommen haben. Verdienstausfälle können die Ratsmitglieder also bekommen, aber sie können auch verzichten. Michael Breilmann sitzt seit vielen Jahren im Rat, aktuell ist er hauptberuflich Bundestagsabgeordneter, war vorher aber selbstständiger Rechtsanwalt: „Ich hätte viele Jahre einen Anspruch gehabt, habe es aber nie in Anspruch genommen.“ Nach seiner Erfahrung „ist der Verdienstausfall dafür da, dass Selbstständige Ratsarbeit machen können“.

2019,34 Euro 2022 ausgezahlt

In Castrop-Rauxel haben im Jahr 2022 zwei Ratsmitglieder dieses Geld bekommen. Insgesamt wurde über das Jahr 2019,34 Euro gezahlt. 2021 waren es für drei Ratsmitglieder 1609,38 Euro und 2020 für sechs Personen 11.493,90 Euro. Unendlich viele Fraktionssitzungen ansetzen und dafür einen Ausgleich verlangen, ginge übrigens nicht. Pro Jahr werde nicht mehr als 30 Sitzungen „ersatzpflichtig“.

Trotzdem gibt es Sitzungen genug, denn in die Lokalpolitik fließe viel Arbeit. Das bestätigen uns auf Anfrage alle Fraktionen im Castrop-Rauxeler Rat. Daniel Molloisch Fraktionsvorsitzender der SPD schätzt, dass er im Monat auf „etwa 80 Stunden“ komme. Gerade weil sich die SPD als größte Fraktion nochmal in Arbeitsgruppen aufteilt „ist der Koordinationsaufwand erheblich“.

Als Ratsmitglied sei man außerdem nicht nur während der Sitzungen im Dienst. Nils Bettinger, Fraktionsvorsitzender der FDP: „Als Ratsmitglied muss man auf jede Fragen eine Antwort finden, zu allen Vorlagen eine Meinung haben.“ Es müsse viel in der Freizeit recherchiert und nachgelesen werden: „In Stunden könnte ich das nicht ausdrücken, aber es ist aufwendig.“

Vieles dessen, was man in der Lokalpolitik leiste, sei nur schwer nachzuhalten, findet auch Margita Gudjons von den Linken. Das sei der eine Rechercheanruf bei anderen Städten hier, das Gespräch mit anderen Fraktionen dort: „Das ist gerade für die kleinen Fraktionen mit wenig Personen viel Arbeit.“

Lokalpolitik aus Leidenschaft

Gerade weil es so viel Arbeit sei, müsse man Lokalpolitik aus Überzeugung machen, meint Timo Eismann von den Grünen. Er sitze für sein politisches Engagement fast jeden Abend bei Sitzungen oder Treffen: „Wir machen das alle gerne und freiwillig und mit ganz viel Herzblut.“ Ähnlich formuliert es CDU-Ratsmitglied Breilmann: „Das nimmt viel Zeit in Anspruch, aber es macht auch Spaß.“

Harald Piehl geht sogar noch ein Stück weiter: „Ich würde die gleiche Tätigkeit machen, wenn ich dafür nichts bekommen würde. Natürlich freue ich mich über so einen Ausgleich, aber dafür macht das keiner.“ Bürgermeister Rajko Kravanja fasst zusammen: „Wenn man Lokalpolitik macht, muss man eher Geld mitbringen und vor allem viel Idealismus. Das macht keiner, um Geld zu verdienen.“

Die fraktionslose Notburga Henke wollte sich zu allen diesen Themen nicht äußern und erklärte lediglich: „Meine Ratsarbeit übe ich in Einvernehmen mit geltendem Recht und meinem Gewissen aus.“

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