Mitarbeitern fehlt die Wertschätzung Die Lage im Evangelischen Krankenhaus Castrop-Rauxel

Evangelisches Krankenhaus: Vielen Mitarbeitern fehlt die Wertschätzung
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In den Einrichtungen der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft Herne Castrop-Rauxel arbeiten über 2000 Beschäftigte. Drei Kliniken (Herne, Wanne-Eickel und Castrop-Rauxel) zählen zum Verbund. Mindestens an der Castrop-Rauxeler Grutholzallee läuft offensichtlich nicht alles rund.

Aus keinem Unternehmen bekommt unsere Redaktion seit etwa zwei Jahren so viele anonyme Zuschriften wie aus dem EvK. Von Beschäftigten, die die Zustände im Haus anprangern, damit wir darüber berichten. Es ist als Redaktion schwierig, diese Briefe und E-Mails zu verifizieren: Steckt wirklich ein Mitarbeiter dahinter? Oder will jemand die Klinik in Verruf bringen?

Mitarbeitervertreter zu Gast

Um klarer zu sehen, hat unsere Redaktion die Mitarbeitervertretung (MAV) der Krankenhausgemeinschaft eingeladen: Zwei Männer, Stefan Konrad (56) und Carsten Fischer (53), die seit 22 und 15 Jahren vom eigentlichen pflegerischen Dienst freigestellt sind, um sich gemeinsam mit Claudia Wagner als Vorsitzende einer 15-köpfigen Mitarbeitervertretung um die Anliegen und Probleme der Beschäftigten zu kümmern.

Wie beurteilen sie die Lage am EvK in Castrop-Rauxel? Denn wenn sich Mitarbeiter tatsächlich an die Zeitung wenden, haben sie es vermutlich vorher schon bei der gewählten MAV versucht.

Was Konrad und Fischer sagen, klingt nicht nach Friede, Freude und Eierkuchen. Sondern nach Problemen, die uns am Ende alle angehen: Denn wir alle sind es letztlich, die auf gute Arbeit in den Krankenhäusern angewiesen sind, wenn wir Pech haben.

Die meisten der anonymen Hilferufe an unsere Redaktion kamen Anfang und Ende 2021, zu den Hochzeiten der Corona-Pandemie. Sie standen in direktem Zusammenhang mit den zum Teil chaotischen Zuständen, die damals herrschten. Eine hohe Zahl an Patienten, wenig Pandemie-Hilfsmittel, fehlende Erfahrung im Umgang mit einer solchen Situation, dazu eine weitgehend ungeimpfte Bevölkerung. Folge: eine phasenweise Überforderung der Mitarbeiter bzw. der Organisationen.

Wie die MAV-Männer bestätigen, war und ist es bis heute eine Zeit der Gefährdungsanzeigen: Die können Beschäftigte an Mitarbeitervertretung und Geschäftsführung richten, wenn sie in ihrer Schicht unterbesetzt sind. „Es gibt und gab Zeiten, da erreichen uns mehrere pro Woche“, erklärt Carsten Fischer.

Auf der einen Seite ist es ein Mittel der Mitarbeiter, sich selbst vorsorglich aus der Verantwortung zu nehmen, wenn Fehler bei der Arbeit am Patienten passieren. Bei Überlastung sind sie unter Umständen entschuldbar, in normalen Situationen nicht. Auf der anderen Seite muss sich eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter aber auch gewissermaßen entblößen gegenüber der Geschäftsleitung: Wer will beim Chef schon als Dauer-Nörgler/Nörglerin bekannt sein?

Stefan Konrad ist seit 22 Jahren in der Mitarbeitervertretung der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft Herne Castrop-Rauxel tätig.
Stefan Konrad ist seit 22 Jahren in der Mitarbeitervertretung der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft Herne Castrop-Rauxel tätig. Die Lage habe sich dramatisch verschlechtert, sagt er. © Tobias Weckenbrock

Das Gesundheitsministerium führte vor rund zwei Jahren sogenannte Personaluntergrenzen ein: „Das sind absolute Untergrenzen einer Besetzung auf der Station, die von der Geschäftsleitung nun aber als eine Art Obergrenze betrachtet wird“, sagt Stefan Konrad.

Im Nachtdienst habe das Gesetz zu Verbesserungen geführt, in Tagesschichten aber nicht. „Sie sind geschaffen worden, um Gefährdungen für Patienten und Mitarbeiter abzuwenden. Aber betrachtet wird der Mittelwert im Monat. Hat man in einer Schicht drei Mitarbeiter zu viel und in einer drei zu wenig, landet man bei Null. In der einen Schicht aber besteht akute Gefährdung für die Gesundheitsversorgung.“

Dazu käme aktuell eine hohe Zahl an Personalausfällen. Auch durch das Coronavirus: Isolation und Quarantäne hätten hohe Fehlzeiten zur Folge. Und einige Beschäftigte litten unter Post-Covid-Symptomatiken. Luftnot und wenig Ausdauer seien Begleiterscheinungen, die die Belastungsfähigkeit einiger Kolleginnen auch 1,5 oder 2 Jahre nach der Infektion noch belasteten.

Die seien dann aber selber in der Nachweispflicht gegenüber der Berufsgenossenschaft, dass sie sich Corona am Arbeitsplatz geholt haben: „Wann, bei welchen Patienten genau, hat man sich angesteckt?“, werde dann gefragt, sagt Carsten Fischer. Die Ansteckung liegt ja einige Tag vor Symptombeginn. Bei den üblichen Aushilfs-Pendeleien zwischen den Stationen sei ein solcher Nachweis nur aufwendig zu führen. Wieder eine Belastung mehr.

Selbst bei kleinen Dingen fühlten sich viele Mitarbeiter nicht gewürdigt. Etwa wenn es um die Freigabe des Parkhauses für Beschäftigte ginge: Sie müssen 5 Euro am Tag zahlen, wenn sie dort parken wollen. Den meisten ist das bei grob 20 Diensten im Monat zu teuer.

Aber eine Ermäßigung auf 1 oder 2 Euro, Monatskarten oder anderes seien steuerlich nicht darstellbar, so die Geschäftsführung und wimmele Nachfragen ab. So parkten viele Beschäftigte an der B235 und liefen einmal ums Café del Sol und die L’Osteria herum, bei Regen und Dunkelheit – und auf dem Parkdeck sei kaum ein Auto zu sehen.

Eine Station im Evangelischen Krankenhaus in Castrop-Rauxel
Das Evangelische Krankenhaus in Castrop-Rauxel: Hunderte Beschäftigte sollen sich hier um das Wohl der Patienten kümmern. Der Pflegenotstand macht das immer schwieriger. © Volker Beushausen

Das Perfide bei der sogenannten Personalbemessung 2.0, die im schon erwähnten Gesetz mit den Untergrenzen genannt ist, sei eine erst später im Gesetzgebungsprozess eingeflochtene Bemerkung: „Sie wird durchgeführt, wenn der Finanzminister des Bundes die Mittel dafür freigibt“, sagt Stefan Konrad.

Wann aber sei das? Konrad verweist auf das Sondervermögen für Verteidigungsaufgaben in Höhe von 100 Milliarden Euro. Und da bliebe nicht einmal 1 Milliarde Euro für Pflegekräfte? Da sei man wieder bei der Frage der Wertschätzung, hier auf der gesellschaftlichen Ebene.

Mehr dazu lesen Sie im zweiten Teil über das Gespräch mit der Mitarbeitervertretung, der am Montag, 5. Dezember, erscheint.

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