
© Ronny von Wangenheim
Pflege auf der Covid-Station im Rochus: Wir brauchen Respekt, keine Schokolade
Rückblick auf das Coronajahr
Caroline Eschner leitet die Station 2b/2c im Rochus-Hospital. Hier liegen Covid-19-Patienten. Am Ende eines herausfordernden Jahres zieht sie Bilanz: „Wir haben das hier im Griff.“
Es war Karnevalszeit. Die ersten Corona-Meldungen kamen aus Heinsberg. Caroline Eschner (58) erinnert sich: „Es war mir klar, das wird auch für uns relevant werden.“ Seitdem beschäftigt das Coronavirus die Krankenschwester Tag für Tag.
Es sind anstrengende, herausfordernde Zeiten. Das ja. Doch überfordert hat sich die Krankenschwester, die die Station 2b/2c am Rochus-Hospital leitet, nicht gefühlt. „Ich hatte immer das Gefühl: Wir haben das hier im Griff“, sagt sie im Gespräch.
Gleich am Anfang habe sie den Kontakt zu Pflegedirektor Axel Westermann gesucht. „Ich habe ihm angeboten, dass wir die Betreuung dieser Patienten übernehmen“, sagt Caroline Eschner. „Wir sind ein erfahrenes Team, haben starke Persönlichkeiten. Wir sind Pflegeprofis.“
Gerade im Umgang mit Infektionen gebe es gute Prozessabläufe. Früher lagen auf ihrer Station Patienten, die beispielsweise unter dem Norovirus litten. „Das war ein jahrelanges Training für den Worst-Case-Fall“, sagt die Stationsleiterin. 15 Mitarbeiter arbeiten auf ihrer Station. Grippevirus oder Norovirus seien übrigens zurzeit gar kein Thema.
Einer der ersten Pateinten zeigte, wie gefährlich die Krankheit ist
Auf ihrer Station liegen die Patienten, die mit einem Covid-Verdacht ins Krankenhaus kommen und die Beschwerden haben. Am Anfang waren es 10 Betten, inzwischen sind es 15. Hier können die Kranken auch kurzzeitig überwacht werden. Es gibt dafür fünf Monitorbetten. Geht es den Patienten schlechter, werden sie verlegt. Und das kann in diesen Tagen auch bedeuten, dass sie in ein anderes Krankenhaus im Ruhrgebiet kommen.

Im Einsatz für Covid-Patienten: Susanne Kowalski, stellvertretende Leiterin der Station 2B im Rochus-Hospital. © Rochus
Doch zurück zum Anfang. Auch Caroline Eschner und ihren Kolleginnen erschien alles so weit weg, fast unwirklich. Gleich einer der ersten Fälle, so erinnert sie sich, zeigte ihnen die ganze Dramatik auf. Auf die Station kam ein Patient, der sich im österreichischen Skiort Ischgl angesteckt hatte. Sein Zustand verschlechterte sich in kürzester Zeit rapide.
Als er auf die Intensivstation verlegt werden sollte, wollte er nicht. Es ginge ihm nicht so schlecht. „Zwei Stunden später musste er beatmet werden und lag in Bauchlage“, sagt Caroline Eschner: „Das war der Moment, wo wir als Team die Gefahr registriert haben.“
Schutzkleidung gab es von Anfang an in ausreichender Menge
Wenig später kamen die Bilder aus Italien, wo die Toten mit Militärlastern abtransportiert wurden. „Wir haben aber nie Angst davor gehabt“, sagt die Krankenschwester. Man wachse in die Lage hinein, lerne aus den Situationen. Hilfreich seien die Krisenteams der Lukas-Gesellschaft gewesen. „Meine Kollegen leisten viel“, sagt sie nicht nur über ihr Team am Rochus.
Gerade am Anfang mussten die Mitarbeiter tagesaktuell reagieren. Das bestätigt Axel Westermann. Im engen Kontakt mit den Hygienefachkräften wurde die Lage bewertet. Dazu gehören übrigens auch Fragen, wie man zu Weihnachten dekorieren kann – es ist weniger als gewohnt.
Vieles habe sich erst im Prozess entwickelt. Materialien waren übrigens nie ein Thema, so Caroline Eschner: „Ich wusste gar nicht, wie teuer so Schutzkleidung ist. Aber wir mussten nicht haushalten.“
Es gibt viel mehr zu besprechen, wenn man auf ein Jahr schaut, dass vom Coronavirus beherrscht wurde. Wie stark belastet die Aufgabe emotional? Caroline Eschner muss nicht lange überlegen. „Wir sind ein professioneller Betrieb. Die Emotionalität muss man außen vor lassen“, sagt sie.
Aber natürlich gebe es auch für sie Momente, die einen einfangen. „Wenn jemand, der zehn Wochen beatmet werden musste, wieder laufen lernen muss“, nennt sie ein Beispiel. Wenn die Belastung zu groß ist, können auch die Pflegenden die Krankenhausseelsorge nutzen. Man trage sich gegenseitig, sagt sie.
Glaube und die Hoffnung auf bessere Tage sind an den Feiertagen wichtig
Was ist an den Feiertagen anders als sonst? Die Hygienebestimmungen machen manches unmöglich. So hat es diesmal keinen Weihnachtsbaum auf der Station gegeben. Für Caroline Eschner ist die Frage wichtiger, was man für die Patienten tun kann, die an den Feiertagen im Krankenhaus praktisch in Quarantäne sind. „Glaube ist etwas sehr Wichtiges. Glaube und die Hoffnung, dass es besser wird. Wir wollen den Menschen hier vermitteln, dass sie gut aufgehoben sind, auch wenn sie alleine sein müssen.“
Ja, die Patienten und deren Angehörige, die sich nicht sehen dürfen, tun ihr leid. Angehörigengespräche sind oft schwere Momente. Aber sie denkt an deren Sicherheit und auch an die Sicherheit ihres Teams. „Wir haben auch Eltern oder Kranke in der Familie, die müssen wir schützen.“
Caroline Eschner hält Abstand. Auch privat. „Meine Mutter ist 86, sie gehörte zu den ersten Schwestern, die nach den Nonnen hier arbeiteten. Meine Tochter ist bei der Polizei.“ Da muss jeder Kontakt gut überlegt sein.
Restriktives Besuchsverbot ist richtig und wichtig
„Das restriktive Besuchsverbot ist ein guter Schritt“, sagt sie und ist sich da mit Axel Westermann einig. „Wir hatten hier ja auch schon ein Ausbruchsgeschehen, das wurde relativ schnell wieder eingefangen.“ Und man sehe ja auch, wie unvernünftig manche Menschen seien. „Ich kann mit ignoranten Menschen schlecht umgehen.“ Wichtig sei, dass Angehörige zu Sterbenden kommen können. „Dann stellen wir auch in unserer Station ein Bett ins Zimmer. Wir wollen den Ablösungsprozess unterstützen.“
Und wie reagieren Patienten und Angehörige auf die Einschränkungen? „Eine Lehrerin hat sich bedankt, dass wir unsere Gesundheit für sie aufs Spiel setzen“, erzählt Caroline Eschner. Man erfahre schon ein hohes Maß an Wertschätzung. Aber: „Wir brauchen keine Schokolade, keinen, der singt und klatscht, sondern den Respekt, für das, was wir tun.“
Wie hat sich die Lage über die Monate verändert? In der ersten Welle hatte man mit mehr Patienten gerechnet, so Axel Westermann. Damals habe man anderes zurückgestellt, um Kapazitäten zu schaffen. In der zweiten Welle kämen deutlich mehr Patienten ins Rochus. So wie auch in andere Krankenhäuser. Rettungsdienste hätten es manchmal schwer, Plätze zu finden. Hier seien Krankenhäuser aus der Region im Austausch. Im Rochus-Hospital, so Westermann, wurden im Frühjahr viele Konzepte gemacht, die jetzt wieder aus der Schublade geholt werden.
Anders als in der ersten Welle sind jetzt auch jüngere Menschen Patienten
Manche Corona-Patienten kommen mit schwachem Fieber oder einer Lungenentzündung und bleiben auf dem Niveau, so beschreibt es Caroline Eschner. Bei anderen verschlechtert es sich. „Der zehnte Tag ist der Knackpunkt“, sagt sie. Und: „Es sind nicht nur alte Menschen.“ Das sei anders als in der ersten Welle. Da kamen keine jungen Menschen ins Krankenhaus.
Axel Westermann warnt: „Es darf nicht schlimmer werden.“ Für ihn bedeutet das, dass sich jeder strikt an alle Vorgaben hält. „Wir dürfen das System nicht ausreizen.“ Denn da ist die Sorge da, dass nach Silvester die Situation noch schlechter wird und die Krankenhäuser an ihre Grenzen kommen. Caroline Eschner bringt es auf den Punkt: „Wir haben ein gutes Leben hier“, sagt sie. Und: „Mir ist mein Leben wichtiger als die Begrenzung für ein Jahr.“