
© Marcel Witte
Castrop-Rauxeler Händler: Ohne schnelles Lockdown-Ende droht das Existenz-Aus
Coronavirus
Wenn die Läden weiter nicht öffnen dürfen, droht vielen Händlern die Katastrophe. Textilhändler Jens Reiter kämpft um seine Existenz. Er muss an die Altersvorsorge gehen, um zu überleben.
Am Mittwoch (3.3.) sitzen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten wieder zusammen, um die weitere Corona-Strategie zu besprechen. Werden die Einschränkungen gelockert, reagiert man auf sinkende Inzidenzen? Wird der Lockdown etwa für den Einzelhandel in absehbarer Zeit beendet?
Die Aussichten dafür stehen nicht gut, wenn man die Signale aus Berlin richtig deutet. Buchhandlungen könnten nach den Friseuren zwar Hoffnung haben, ihre Läden in den nächsten Tagen öffnen zu dürfen. Für den großen Rest des Handels aber droht ein weiterer Lockdown-Monat.
Nach Informationen unserer Redaktion jedenfalls sind weitere Öffnungen im Einzelhandel erst vorgesehen, wenn in einem Land oder einer Region „eine stabile 7-Tages-Inzidenz von unter 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern erreicht ist“. Bislang hat es der Kreis Reklinghausen seit Mitte Oktober nicht einmal geschafft, überhaupt für einen Tag unter 50 zu kommen.
Sind dann in Castrop-Rauxel endgültig Existenzen bedroht? Glaubt man Textil-Einzelhändler Jens Reiter, dann geht es jetzt ans Eingemachte, stehen viele Händler vor der Katastrophe. Reiter hatte schon Mitte Februar in einem durchaus bewegenden Facebook-Video klar gemacht, dass er auch mental an seine Grenzen stößt.
Eine Kundin habe ihn darauf angesprochen, dass er doch sehr abgenommen habe. Und da müsse er sagen: „Nichts verbrennt so viele Kalorien wieder derzeitige Stress, den man hat, dieser Existenzkampf, dieser permanente Druck. Man ist so hilflos.“ Der Laden sei ihm geschlossen worden, die Zukunft stehe auf dem Spiel.
Diese Aussagen unterstrich der Kaufmann am Dienstag (2.3.) im Gespräch mit unserer Redaktion vor dem Tag der Entscheidung der Politik.
Viele Existenzen stehen auf dem Spiel
„Wenn der Lockdown jetzt nicht endet, dann ist das die Vollkatastrophe. Ich gönne den Friseuren ihre Öffnungschance. Aber ich bekomme Ware. Und die muss ich bezahlen, auch wenn ich nichts einnehme. Das ist der Horror“, so ein deutlich angefasster Reiter am Telefon.
Den ersten Lockdown habe man noch halbwegs verpacken können, „aber wenn die Läden jetzt weiter zu bleiben, dann wird das unglaublich schwer. Das gilt für mich, aber auch für viele meiner Lieferanten, deren Existenzen auch bedroht sind, wenn ich und meine Kollegen nicht zahlen können.“
Er und viele seiner Leidensgenossen gerade in der Textilbranche hätten eigentlich im Februar und März ein Gros ihrer Frühjahrsware absetzen müssen, um klar zu kommen. Das sei nicht passiert und daher gehe es jetzt auch bei ihm persönlich an die letzten eisernen Vorräte, an die Altersvorsorge. „Und das ist nicht nur bei mir so, das ist bei vielen Händlern so, die so aufgestellt sind wie ich“, weiß Jens Reiter aus vielen Gesprächen in der Branche.
Jede kleinste und bescheidenste Öffnungsmöglichkeit sei natürlich willkommen, „aber wirklich helfen würde uns jetzt nur ein echtes Ende des Lockdowns, denn ich lebe einfach auch ganz viel von Laufkundschaft, von Leuten, die spontan in den Laden kommen.. Wenn das nicht bald kommt, wird es katastrophal.“
Armin Fiolka, Möbelhändler an der Langen Straße in Habinghorst, hat andere Voraussetzungen. „Ich bin 61 Jahre alt, habe Bluthochdruck. Eine unkontrollierte Öffnung jetzt könnte fatal enden, könnte viele Todesopfer fordern“, glaubt der Chef der Händlergemeinschaft Inwerb.
Er halte es da mit dem SPD-Pandemieexperten Karl Lauterbach, der vor einem zu frühen Ende des generellen Lockdowns warne. „Die Zahlen sind einfach nicht so, dass eine Öffnung möglich wäre. Und da müssen wir auch als Händler einheitlich handeln. So eine Pandemie ist schließlich kein Schnupfen.“
Zumal er den Zahlen, die das Gesundheitsamt liefere, nicht immer so recht traue. „Denn am Wochenende gibt es ja wohl kein Corona, wenn man den Zahlen in den Infektionstabellen glauben würde“, so Fiolka.
Wie Jens Reiter glaubt er auch nicht an entscheidende Erleichterungen am Mittwoch. Aber während Reiter das für eine Katastrophe hält, „kann ich das total nachvollziehen“, so der Habinghorster.
1961 geboren. Dortmunder. Jetzt in Castrop-Rauxel. Vater von drei Söhnen. Opa. Blogger. Interessiert sich für viele Themen. Mag Zeitung. Mag Online. Aber keine dicken Bohnen.
