
© Thomas Schroeter
Markus Lieder hat sein Reihenhaus zum Sonnenkraftwerk umgebaut
Solarpionier
Solarmodule auf das Dach, einen Batteriespeicher in den Keller und eine Ladestation fürs E-Auto in die Garage: Markus Lieder hat sein Reihenhaus längst zum Sonnenkraftwerk ausgebaut.
In Zeiten wie diesen, in denen angesichts der Ukraine-Krise die Frage der künftigen Energieversorgung nicht nur eine Preis- sondern auch eine echte Existenzfrage werden könnte, sind Menschen, die sich von der Energielieferung unabhängig(er) machen, echte Vorbilder:
So wie Markus Lieder. Der bewohnt mit seiner Familie in Henrichenburg ein Reihenhaus. Lieder ist Chemikant, hat drei Kinder und eine große Vision: stromtechnisch möglichst unabhängig sein. Selbst mit seinem E-Auto vor der Tür als Familienkutsche, einem Nissan Leaf. Und so hat Markus Lieder angefangen, die Sache mit dem Strom selbst in die Hand zu nehmen. Er wurde zu einem Pionier in Sachen „Sonne in den Tank“.
Lieder erzählt das so: „2005 haben wir hier das Haus gebaut, 2014 hatten wir dann einen Bausparvertrag fällig und haben überlegt, was wir mit dem Geld sinnvoll tun könnten.“ Und so nahm die Solar-Leidenschaft ihren Anfang.
Erste Photovoltaik auf dem Süddach
Die Lieders ließen sich auf die gen Süden weisende Dachhälfte eine Photovoltaikanlage (PV-Anlage) bauen, maßen ihre Elektrogeräte im Haus aus und tauschten so manches Gerät nach und nach gegen sparsamere Varianten aus. Markus Lieder schaltete Steckerleisten vor Geräte, die im Standby-Betrieb Strom ziehen, rüstete die Beleuchtung an vielen Stellen auf LEDs um. „Da waren wir schon konsequent“, erinnert sich Lieder.

Auch die Gartenhütte und der Fahrradunterstand sind im Lieder-Garten mit Solarpanelen bestückt. Und auf der Terrasse steht noch eine mobile PV-Anlage. © Thomas Schroeter
Die Süddach-Anlage reichte Lieder schnell nicht mehr. Also versuchte er es mit einer kleinen PV-Anlage auf dem Norddach, experimentierte mit einem Windrad und eigenem Batteriespeicher (den er auch noch selber baute) aus Bleisäure-Batterien. Kommt er denn vom Fach, oder warum kann Markus Lieder so gut mit technischen Anlagen umgehen?
„Ich wollte früher Elektroinstallateur werden, habe dann aber die Ausbildung als Industriemechaniker bei Rütgers bekommen. Da bin ich auch schon seit über 25 Jahren, habe in der Abendschule noch meinen Chemikanten gemacht. Aber das Thema Elektro hat mich immer beschäftigt, ich habe immer geschraubt und getan“, so Lieder.
Was machen denn andere Leute?
Das Windrad war kein Erfolg, die kleine Norddachanlage aber wurde erweitert. Lieders Überlegung: „Vormittags wird in der Familie relativ viel Strom verbraucht, wir benötigten also noch recht viel Fremdstrom.“ Also las er sich weiter in das Thema ein, suchte nach Vorbildern im Internet und stieß auf Leute, die ihre Norddächer auch mit PV-Anlagen bebaut haben. Das machen zu lassen, wäre dem Henrichenburger zu teuer geworden. Also stürzte er sich noch tiefer ins Thema und beschloss: „Das probiere ich einfach selber.“
Lieder schreitet selbst zur Tat
Und da Lieder gern macht, tat er es genau so. Die Norddach-Anlage baute er komplett selbst aufs Dach, installierte einen Wechselrichter dazu (ließ das alles aber natürlich von einer Fachfirma offiziell abnehmen). Die kleine PV-Anlage, die zuvor auf dem Dach war, wanderte in den Garten auf den Schuppen, der im Hause Lieder den Keller ersetzt.
Jedes Fitzelchen Dachfläche produziert bei den Lieders also Strom. Und selbst auf der Terrasse wird noch die Sonne angezapft. Dort hat Lieder eine mobile PV-Anlage stehen, deren Strom er ebenfalls ins Netz einspeisen kann.
Viel Spaß mit viel eigenem Strom
Klingt nach einem aufwendigen Hobby. Das sieht Lieder anders. Für ihn ist das mit viel Spaß verbunden. Das behauptet er, man hört es aber auch aus jedem Wort heraus. Er spricht mit einer Leidenschaft von seiner Anlage, die andere Menschen nicht einmal für ihre Frau entwickeln können. All das ist zugleich mit dem Ehrgeiz verbunden, möglichst viel Strom selbst zu produzieren.
Zudem hat er das Hobby inzwischen ein wenig professionalisiert. Er fragte bei seinem Arbeitgeber nach, ob er nebenbei ein bisschen als Selbstständiger in Sachen PV-Technik tätig werden dürfe. Der hatte nichts dagegen, und so betreibt Lieder nebenher einen kleinen Onlineshop.
Batterien als Stromspeicher
Kein Wunder, denn der Mann schwärmt für sein PV-Ding, wirft mit technischen Details aus dem Handgelenk um sich. Die Bleisäurebatterien im Dachgeschoss sind Vergangenheit, sind längst durch modernere Bleigel-Batterien als Zwischenspeicher für den eigenen Strom ersetzt worden. „Die werden auch in Wohnwagen verwendet“, erklärt er. „Sie gasen nicht aus.“ Standard auf dem PV-Markt aber sind heute die Lithium-Batterien. Früher noch sehr teuer, haben die sich durch rapide gefallene Preise als das Standard-Speichermedium durchgesetzt.

Unter dem Dach des kleinen Reihenhauses verbirgt sich die Steuerungstechnik der Solarstromanlage. Denn einen Keller gibt es nicht. © Thomas Schroeter
Im Idealfall sitzen die Speicherbatterien auch nicht auf dem warmen Dachboden, sondern im kühlen Keller. Denn Wärme mögen die Batterien nicht so gern. Da die Lieders aber keinen Keller haben, musste der Hausherr im Dachboden tätig werden. Er hat dafür gesorgt, dass der Raum möglichst kühl bleibt.
Ihm kommt zugute, dass die PV-Paneele auf dem Dach für eine Beschattung der Dachfläche sorgen. Idealer aber wäre für die Batterien der kühle Keller und für möglichst hohen Sonnenertrag eine möglichst große PV-Anlage auf einem Süddach. „Die Norddach-Anlage produziert morgens zwischen 8 und 11 Uhr Strom, danach kommt nicht mehr wirklich viel“, gibt Lieder zu.
Und jetzt muss noch das E-Auto her
So. PV-Anlage steht, Strom wird produziert, im Haus verwendet und in Batterien gespeichert. Abends und nachts können die Lieders daraus einen großen Teil ihres Strombedarfs decken. 8440 Kilowattstunden (kWh) Strom produziert das kleine Reihenmittelhaus in Henrichenburg im Jahr.
2200 davon verbrauchen die Lieders, den Rest speisen sie gegen eine Vergütung von knapp 13 Cent ins öffentliche Netz ein. Sie müssen dafür in Zeiten, in denen PV-Anlage und Batterie keine Leistung bieten, auf Strom aus dem Netz zurückgreifen. Früher musste man 4500 Kilowattstunden einkaufen, heute sind es heute nur noch 1500. Und das, und so kommen wir zum nächsten Schritt, trotz des neuen E-Autos.
2016 kaufte sich Markus Lieder nämlich den Nissan Leaf Tekna. Ein E-Auto mit genug Platz für die fünfköpfige Familie, einem Akku von 30 kWh und einer Reichweite von bis zu 250 Kilometern mit einer Stromladung. Vor dem Reihenhaus wurde also die private Stromtankstelle installiert. Gespeist natürlich in erster Linie von der PV-Anlage auf dem Dach.
Das Auto tankt vor dem Haus Solarstrom
Da Markus Lieder für den Weg zu Rütgers kein Auto braucht, kann er den Nissan tagsüber zum Laden an sein Solarnetz anschließen. Vorteil: Er muss wenig Strom aus der Batterie und noch weniger aus dem Netz holen. Ergebnis: Für 10.500 Kilometer, die die Lieders 2017 mit dem Nissan gefahren sind, musste man gut 1800 kWh Strom laden. Das hätte man quasi komplett mit dem eigenen Strom bestreiten können, müsste der Wagen nicht bei weiten Fahrten anderswo aufgetankt werden.

Vor dem Haus steht der Nissan Leaf, den Markus Lieder an der eigenen Stromtankstelle an der Hauswand beladen kann. © Thomas Schroeter
„Das ging natürlich bei der ersten weiten Fahrt sofort fast schief. Irgendwann standen wir auf der Landstraße mitten im Wald und die Stromanzeige zeigte Null an. Zum Glück haben wir es noch ins nächste Dorf geschafft, wo wir den Wagen allerdings an einer normalen Steckdose langsam laden mussten“, erinnert sich der 37-Jährige an den Beginn seiner E-Auto-Karriere.
Inzwischen ist das Handling mit den Reichweiten und dem rechtzeitigen Nachtanken kein Ding mehr, zumal das Ladestellen-Netz immer dichter wird. Und so rechnet der zufriedene E-Pionier vor, was er an Unkosten für das E-Auto-Tanken im Jahr hat: 162 Euro hat er 2017 für Autostrom ausgegeben. Ein vergleichbarer Benziner hätte 1139 Euro für Kraftstoff verschlungen.
Für die Verbraucherzentrale ist er ein Vorzeige-Mann
Kein Wunder, dass der begeisterte PV-E-Auto-Henrichenburger für die örtliche Verbraucherzentrale ein Vorzeige-Mann ist. Anke Hormel, Diplom-Ingenieurin und einige Jahre lang Energieberaterin des Teams an der Mühlengasse 4, sagte unserer Redaktion: „Wer vom Benziner oder Diesel auf ein E-Auto umsteigt, sollte sich auch Gedanken über eine eigene Solarstromanlage machen. Und andersrum: Wer eine PV-Anlage installiert, sollte sich überlegen, ob er nicht eine Anlage nimmt, die zukünftig kompatibel mit einer E-Auto-Stromtankstelle ist.“
Markus Lieder sei dabei „wirklich der Pionier der Pioniere. Der macht ja alles selbst“, so Anke Hormel. Das muss man aber nicht. Es gibt viele Fachfirmen, die das alles übernehmen, dass man auch als kompletter Laie auf PV-Technik und E-Autoversorgung umrüsten kann.
Was hilft: Südausrichtung und ein kühler Keller
Ideal ist es, wenn man eine große Süd-Dachfläche zur Verfügung hat. Wenn man die mit einer modernen PV-Anlage ausstatte, dann noch die passende Infrastruktur mit Batteriespeicher im kühlen Keller und Ladestation am Haus oder in der Garage versehe und alle Komponenten intelligent steuere, könne man einen Solarstromanteil von rund 70 Prozent im E-Auto erreichen.
Etwa 14 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge hatten 2021 einen rein elektrischen Antrieb. Damit stieg der Anteil der E-Autos auf deutschen Straßen fast um das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr an. Insgesamt wurden 355.961 E-Autos neu zugelassen. Erst dann, wenn man das E-Auto auch mit Strom aus sauberer Energie, möglichst vom eigenen Dach, auftanke, so Hormel, „führt das aber auch dazu, dass das Auto selbst physisch mit weniger fossiler Energie fährt und nicht nur rechnerisch sauber unterwegs ist.“
Dieser Artikel ist erstmals im Juni 2018 erschienen. Wir haben ihn an einigen Stellen aktualisiert. Wer aktuelle Informationen zum Thema sucht, sollte sich an die Verbraucherberatung in Castrop-Rauxel wenden.
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