Ulrich Dingebauer gilt als einer der Initiatoren der Neuland-Haltung, die es seit knapp 35 Jahren gibt.

Ulrich Dingebauer gilt als einer der Initiatoren der Neuland-Haltung, die es seit knapp 35 Jahren gibt. © Stephan Schütze (Archiv)

Castrop-Rauxeler Landwirte begrüßen Tierwohllabel: Früher waren wir die Spinner

rnArtgerechte Haltung

Ein Tierwohllabel soll Verbraucher darüber aufklären, woher das Fleisch kommt, das sie im Laden kaufen können, und wie die Tiere gehalten wurden. Zwei Landwirte aus Castrop-Rauxel begrüßen das.

Castrop-Rauxel

, 09.06.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat ein Konzept für ein fünfstufiges Label zur Tierwohlkennzeichnung vorgestellt. Demnach soll künftig bei Fleisch gekennzeichnet werden, wo es herkommt und aus welcher Haltung es stammt. Zwei Landwirte aus Castrop-Rauxel freuen sich darüber. Denn einer sieht sich als Vorreiter.

„Wir waren früher die Spinner, heute machen es uns alle nach“, sagt Landwirt Ulrich Dingebauer am Mittwoch auf Anfrage unserer Redaktion. Denn der Hof Dingebauer in Deininghausen ist ein Neuland-Hof der ersten Stunde. „Ich und ein paar Junglandwirte haben das Neuland-Konzept erfunden“, erklärt Ulrich Dingebauer. In den 80er-Jahren war das, 1989 gab es dafür sogar den Umweltpreis vom damaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer.

Bevölkerung wird beim Thema Essen immer sensibler

Das ist 33 Jahre her. Nun will Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir eine eigene Kennzeichnung einführen, an der Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen können, wo und unter welchen Bedingungen die Tiere gelebt haben. Insgesamt fünf Stufen soll es geben: Stall, Stall und Platz, Frischluftställe, Auslauf/Freiland oder Bio.

Ulrich Dingebauer begrüßt diese Kennzeichnung: „Die Leute sollen ruhig mal wissen, wo das Fleisch herkommt.“ Insgesamt habe er das Gefühl, dass die Bevölkerung beim Thema Essen immer sensibler werde. „Es kann ja auch nicht sein, wie billig Fleisch teilweise verkauft wird“, findet der Landwirt.

Julian Klöcker (M.) leitet den Familien-eigenen Hof mit seinen Eltern zusammen. Er betreibt auch die Hoffleischerei vor Ort.

Julian Klöcker (M.) leitet den familieneigenen Hof mit seinen Eltern zusammen. Er betreibt auch die Hoffleischerei vor Ort. © Matthias Stachelhaus (Archiv)

Gerade zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 sei die Nachfrage bei ihm nach Bio-Fleisch gestiegen. Inzwischen habe es wieder etwas nachgelassen: „Jetzt, wo alles teurer wird, hat man den Eindruck, dass die Leute beim Essen sparen.“

Auch der Landwirt Julian Klöcker findet es gut, dass es nun eine Kennzeichnung für Fleisch gibt. In der eigenen Hoffleischerei an der Hebewerkstraße werden unter anderem Schweine und Rinder verarbeitet. Hier gibt es auch eine kleine Schweinehaltung, die Klöckers kaufen aber auch Fleisch dazu. Rinder halte man auf dem Hof nicht mehr.

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Müsste Julian Klöcker die Schweinehaltung auf dem Hof einordnen, würde er das Label zwischen Stufe drei und vier sehen. Denn: „Unsere Tiere haben eine Klappe für Auslauf, dazu ein Fenster und Tageslicht plus Strohhaltung nachts. So können sie nach draußen, wie sie lustig sind“, erklärt der junge Landwirt, der den Hof mit seinen Eltern führt. Letzteres wäre wichtig für Stufe vier. Denn hier müssen die Tiere mindestens acht Stunden pro Tag ins Freie können.

Schweine und Hähnchen größtes Problem

In dieser Stufe vier sieht sich Ulrich Dingebauer mit seiner Neuland-Haltung. Warum nicht in Stufe fünf? „Von der Haltungsform gibt es keine höhere als Neuland“, sagt der Landwirt. Aber: „Wir nutzen kein biologisch konventionelles Futter.“ Es muss aus einheimischen und gentechnikfreien Pflanzen stammen, aber nicht zwingend aus biologischem Anbau. Neuland-Schweine werden also beispielsweise mit Ackerbohnen, Kartoffeleiweiss und Rapskuchen gefüttert.

Laut Cem Özdemir sollen die neuen Tierwohllabel erstmal für Schweine gelten. Julian Klöcker versteht dies nicht ganz: „Wenn, dann sollte man das für alle anderen Tiere auch direkt machen.“ Er vermute, dass dies mit dem überwiegenden Verzehr von Schweinefleisch zusammenhänge.

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Ulrich Dingebauer sieht aber einen anderen Grund dahinter: „Schweine und Hähnchen sind das größte Problem. Kühe sind heute überwiegend in Laufställen und werden nicht mehr fixiert.“ Ein ähnliches Label gibt es seit Längerem für Eier.

Der Gesetzentwurf soll nun in der Bundesregierung abgestimmt und anschließend Ländern und Verbänden zur Stellungnahme vorgelegt werden. Danach soll das Bundeskabinett den Entwurf bekommen und ihn dann an die EU weiterleiten. Im Herbst soll dann das parlamentarische Verfahren in Bundesrat und Bundestag starten.

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