Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nennt sein Krankenhauskonzept eine „Revolution“. Mehr Medizin, weniger Ökonomie – das verspricht er. Vor Ort in den Krankenhäusern herrscht Skepsis. Vor allem die finanzielle Ausgangslage ist schlecht, sagt Heinz-Werner Bitter, Geschäftsführer der Allgemeinen Krankenhausgemeinschaft, zu der Kliniken in Castrop-Rauxel, Herne und Witten gehören.
„Die Not in den Krankenhäusern, was die Finanzierung betrifft, war noch nie so groß wie jetzt. Ich bin 40 Jahre dabei, so eine Bedrohungslage hat es noch nie gegeben“, sagt Bitter. „Ich glaube, dass viele Krankenhäuser nahe vor der Insolvenz stehen und abhängig sind, ob die Banken ihnen noch eine entsprechende Finanzierung bieten.“
Auch die Evangelische Krankenhausgemeinschaft kämpft mit den steigenden Kosten. Bitter nennt Zahlen: Die Inflation bei 10 Prozent, Mehrkosten beim Personal von 4,7 Prozent und bei Sachkosten von 8 Prozent, im Energiebereich eine Steigerung von 43 Prozent. Rechnen kann er für 2022 nur mit der schon vor einem Jahr festgelegten Refinanzierungsgröße von 2,32 Prozent. „Wir haben ein Delta von über 6 Prozent, das im Jahr 2022 nicht refinanziert ist.“
Negatives Jahresergebnis
Die Konsequenz: „Wir werden in diesem Jahr Verlust machen“, sagt Heinz-Werner Bitter. Erstmals seit 30 Jahren werde die Krankenhausgemeinschaft, zu die Häuser in Castrop-Rauxel, Herne, Wanne-Eickel und Witten gehören, ein negatives Jahresergebnis erwirtschaften. Der Blick in die Zukunft mache nicht viel Mut.
Bitter schaut auf das 200-Milliarden-Hilfspaket, den „Doppel-Wumms von Kanzler Olaf Scholz“: Da seien 6 Milliarden Euro für die Krankenhäuser vorgesehen. Das solle ausreichen, um die Bedrohungslage bis ins Jahr 2024 zu lösen. 1,5 Millionen Euro seien für den Inflationsausgleich. „In Castrop-Rauxel am EvK landen davon 160.000 Euro. Das reicht hinten und vorne nicht“, sagt er.
Auch der Blick auf die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zur Krankenhausfinanzierung stimmt Bitter nicht optimistisch. „Es gibt nicht mehr Geld, es gibt das gleiche wenige Geld, man rührt den Topf nur anders um.“ Prinzipiell begrüßt er die Idee, die Vorhaltekosten zu finanzieren, also eine Basisfinanzierung zu schaffen. Fallpauschalen blieben darüber hinaus auch, aber sie sind reduziert.
Kostensteigerung ersetzen
„Die Revolution wäre, wenn man das System mit mehr Geld ausstattet“, sagt Heinz-Werner Bitter und verweist auf die demografische Entwicklung. „Es werden mehr Menschen in der Gesundheit versorgt werden müssen. Das wird teurer. Dem muss man Rechnung tragen. das sieht das System nicht vor.“

Der Ansatz von Karl Lauterbach sei gut, aber er sei nicht mit monetärem Anreiz ausgestattet, so Bitter weiter. Er verweist auf das Beispiel aus diesem Jahr mit den 2,32 Prozent Anpassung beim Landesbasisfallwert, also dem Betrag, der bei der Berechnung der Preise für die Krankenhausbehandlung zugrunde gelegt wird. Die reiche bei Weitem nicht aus, genauso die für 2023 festgelegten 4,32 Prozent. „Neben den Überlegungen von Herrn Lauterbach muss in jedem Land der Landesbasisfallwert um die Kostensteigerung angepasst werden, die real entsteht“, so seine Forderung.
„Wir im Krankenhaus sind die einzigen, die diese Kostensteigerung nicht weitergeben dürfen. Jeder gibt seine gestiegenen Kosten über einen höheren Preis weiter, nur wir im Krankenhaus nicht, das darf doch nicht sein.“ Dabei denkt der Geschäftsführer auch daran, dass bei vielen Krankenhäusern die Energieverträge auslaufen, was weitere Mehrbelastung bringt.
In der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft laufen die Verträge zum Glück bis Ende 2023. Nur für Castrop-Rauxel läuft der Vertrag zu diesem Jahresende aus. Da wird es auf jeden Fall teurer werden.
Akutversorger für die Stadt
Neben den Vorhaltekosten beinhalten Lauterbachs Pläne auch die Einteilung der Krankenhäuser in die drei Level Grundversorgung, Regel- und Schwerpunktversorgung sowie Maximalversorgung, zum Beispiel an Universitätskliniken. Bitter verweist auf die Krankenhausplanung für NRW, die ganz aktuell von NRW-Gesundheitsminister Laumann entschieden werde. Nach Ende der Planungen werde erkennbar sein, welches Haus welchen Status hat. „Das ist ein Geben und Nehmen. Man soll sich ja kollegial abstimmen.“
Zur Situation in Castrop-Rauxel sagt er: „Wir sind jetzt auch erweiterter Notfallversorger, wir sind jetzt der Akutversorger des Stadtgebietes, was sowohl Schlaganfallverletzungen als auch kardiologische Erkrankungen angeht. Da sind wir als Evangelisches Krankenhaus auch für die Zukunft gut aufgestellt.“
Er erläutert das Profil der Klinik: „Wir haben die Altersmedizin, die Psychiatrie, die Akutversorgung, wir haben die Unfallchirurgie und ab 1. Januar die ambulante Notfallpraxis. Das ist ausgereift.“ Welche Facetten wer zukünftig noch machen dürfe oder wer nicht, das werde die Krankenhausplanung ergeben.
Da gehe es auch um Arbeitsplätze, sagt Heinz-Werner Bitter: „Ich bin da sehr realistisch. Es wird einen Austausch zwischen Krankenhäusern geben. Und ich glaube, dass er nicht unbedingt in einem Konsens endet.“
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