
© Uwe von Schirp
Kneipen-Erlebnis mit Preisen von anno dazumal: Die „Klapsmühle“ hat eröffnet
Kneipen-Check
Neueröffnung der „Klapsmühle“ in der Altstadt am Samstag: ein Blockbuster gelebter Kneipenkultur. Helene Fischer singt, die Gäste feiern, die Wirtin rotiert – und alle haben die Zeit vergessen.
Samstagabend (2.10.), 19 Uhr: In der Mühlenstraße 6 brennt Licht. Grün und rot strahlt die Leuchtreklame an der Fassade. Heimelig fällt der Schein von innen durch die Fenster. „Neueröffnung ab 18 Uhr“, verrät die Tafel neben dem Eingang.
Ein Schild nennt die Regeln: „3-G“ – Geimpfte, Genesene und Getestete haben Zutritt. „Ziemlich voll“, sagt meine Begleitung nach einem Blick durch die Scheiben. „Nun gut.“
Wir betreten die „Klapsmühle“ in der Castroper Altstadt. Ebenso neugierige wie prüfende Blicke empfangen uns. „Lustig“, denke ich schmunzelnd auf bislang fremdem Terrain. „Der Laden war doch fast zwei Jahre zu. Gibt‘s hier schon Stammgäste?“
Durst am Tresen – das Team sortiert sich
Am Tresen sitzen Männer Schulter an Schulter. Die Sitzplätze an den Tischen sind voll belegt. Auch draußen, im überdachten Durchgang zum künftigen Biergarten stehen Menschen. Andere staunen abwartend mitten im Gastraum.
Wir finden Platz an einer Säule unweit der Theke. Kreative Formen haben die Zapfhähne: „Brinkhoffs“, „Guiness“, „Hövels“ verraten, was im Anstich ist. „Karamalz gibt es auch“, sagt meine Begleitung. „Wohl nicht vom Fass“, entgegne ich. Eine weitere Kreidetafel verrät die Eröffnungsangebote: Pils zu Preisen von anno dazumal.
An ein Bier aber ist zunächst nicht zu denken. Der Pils-Hahn ist zwar nahezu ununterbrochen offen – der Durst der Männer am Tresen scheint größer. Hinter der Theke sortieren sich die vier Frauen um Inhaberin Sarah Jastrzembski gerade zum Team. Winken und ein lauter Zuruf werden erhört.
Minuten später: Die Chefin selbst serviert: Bier in Null-Komma-Drei-Gläsern statt der bestellten großen Null-Fünf – egal. Wir hätten ihr und dem Team gern einen Weg erspart.
Küsschen links, Küsschen rechts
Die Tür geht auf. Und wieder zu. Und wieder auf. Immer mehr Gäste kommen herein. Ein Paar winkt, drängt sich zum Tresen, herzt einen Gast, fällt einem Paar neben uns an der Säule um den Hals. Küsschen links, Küsschen rechts. Welch eine Freude.

Sarah Jastrzembski (l.) und ihr Team waren vom Andrang bei der Neuröffnung überwältigt. © Uwe von Schirp
Es ist Abend am 2. Oktober 2021. Hier läuft gerade ein Film: ein Blockbuster aus ebenso bekannten wie geschätzten vergangenen Zeiten. Hier ist ganz pur die „kleine Kneipe in unserer Straße“ – ohne Schnickschnack, ohne Trendsetting, ohne soziale Unterschiede.
Männer kippen ein Bier nach dem anderen. Ein Paar nippt an einem Gin-Tonic. Cliquen lachen. BVB-Fans kommen gerade aus dem Stadion. Eine Frau hält ein Lebkuchenherz in der Hand: „Castroper Kirmes“, steht zuckersüß darauf. Hier treffen Nachbarn auf Geschäftsleute, Familien auf Singles, Paare auf Partygänger. Eine Gruppe junger Männer spielt im Gedränge Dart.
20 Uhr: Helene Fischer singt noch im Hintergrund aus den Boxen. Ein Tresengast erkennt die junge Frau eines Paares – und teilt die Freude gröhlend mit einer Runde Kräuterlikör. Nebenan kommen Pinnchen mit giftgrünem Pfeffi auf den Tisch. Kneipe eben – allein der ruhrgebietstypische Klare ist gerade nicht angesagt.
Noch einen Kräuterlikör?
Der Service läuft nun reibungslos. Das Team hat sich gefunden. Striche auf dem Bierdeckel gibt es nicht. Dafür Verzehrkarten – mit „Klapsmühle“ gelabelt und liebevoll um einen Hinweis auf die Facebook-Seite der Kneipe ergänzt.
Frikadellen, Schnitzel, Kartoffelsalat? Heute noch nicht. Neueröffnung. Schnell serviert die Mitarbeiterin eine Schale Chips und Flips. Die Service-Orientierung stimmt.
20.30 Uhr: Helene Fischer singt nun lauter. Hit um Hit steigt der Geräuschpegel – nicht nur bei Helene. Die Gäste schreien statt zu reden. Nachfragen: Was sagst du? Vor allem der Tresengast am Nachbartisch gibt sein Bestes und demonstriert die Resonanz seines gewaltigen Brustkorbs.
Schweißperlen rinnen über seine Stirn. Noch eine Runde Kräuterlikör? Die junge Frau schüttelt den Kopf. „Genug ist genug“, sagt ihr Partner. Auch das ist Kneipe am Samstagabend. Wer aber eine ruhige Unterhaltung sucht, ist hier fehl am Platz.
Männer am Tresen mit Stehvermögen
Immer noch geht die Tür zur Mühlenstraße auf und zu. Gäste kommen und gehen. Die Männer am Tresen haben Stehvermögen. Die Kundschaft an den Tischen indes hat mehrfach durchgewechselt. Von kurzen Phasen abgesehen, ist die Klapsmühle an diesem Abend rappelvoll.

In der "Klapsmühle" brennt seit Samsagabend wieder das Licht. © Uwe von Schirp
21 Uhr: Helene Fischer dringt grad besser zu den Ohren durch. Zeit für ein kurzes Statement. Wirtin Sarah Jastrzembski ist von der Resonanz auf die Eröffnung überwältigt. „Seit 9 Uhr heute früh bin ich hier und habe die letzten Vorbereitungen getroffen“, sagt sie im Gespräch mit dieser Redaktion. „Aber damit habe ich nicht gerechnet.“
Bier sei auch für den Sonntag reichlich da, erklärt die 31-Jährige. Ihr Mann habe jedoch schnell noch Spirituosen besorgt. Die Neueröffnung der „Klapsmühle“ in der Castroper Mühlenstraße: Gut drei Stunden ist das gerade her.
Da war doch noch was
Draußen vor der Tür steht ein Gast und raucht. Neben ihm das deutliche Hinweisschild auf die 3G-Regel. Da war doch was: Dieser Film, der Blockbuster einer ebenso ursprünglichen wie ungetrübten Kneipenkultur spielt in einer immer noch akuten Corona-Pandemie.
„Bei den Gästen, die ich an der Theke bedient habe, wusste ich, dass sie geimpft sind oder ich habe mir den 3G-Nachweis zeigen lassen“, erklärt Sarah Jastrzembski. „Ich gehe davon aus, dass meine Mitarbeiterinnen das bei den anderen Gästen ebenso gemacht haben.“
Meine Begleitung und ich sind vollständig geimpft. Den Nachweis aber hat an diesem erlebnisreichen Abend niemand erfragt. Ohnehin galt hier heute eher eine andere 3G-Regel: Getrunken, gelacht und gefeiert.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
