
© Nora Varga
Hausärzte können schneller impfen: Gute Nachricht hat einen Haken
Impftermine
Die Hausärzte haben erstmals keine Obergrenze für Impfstoffe mehr. Können also bald mehr Menschen Impftermine bekommen? Ein Hausarzt warnt. Er registriert eine überraschende Entwicklung.
Bei den Hausärzten ist die Stimmung gut. Die Bestellmenge an Impfstoff für ihre Praxen ist nicht mehr begrenzt. Damit können in den kommenden Wochen deutlich mehr Menschen mit Terminen versorgt werden. Auch wieder mit Erstimpfungen. „Das ist eine gute Nachricht“, sagt Hausarzt Dr. Holger Knapp. Er und seine Kollegen in der Hausarztpraxis in Ickern sind vorbereitet. Er hat allerdings eine Sorge.
Für die Impfstoffe von Biontech und Astrazeneca gibt es laut aktueller Vorgabe der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) keine Höchstbestellmenge mehr. Das war in den vergangenen Wochen anders. „Manchmal hatten wir nur ein Fläschchen“, sagt Holger Knapp. Ein Fläschchen, das entspricht maximal sieben Impfdosen. Da lohnte sich das Impfen in der benachbarten Kirche St. Antonius fast nicht. Dorthin hat die Praxis ihre Impfungen ausgelagert.
Da hier vier Ärzte arbeiten, konnte entsprechend viermal die Höchstmenge bestellt werden. Doch was ankam, war oft weniger. Das Maximum waren 16 Fläschchen, so Knapp. Das waren dann rund 100 Impfungen. Wie es jetzt aussehen wird, kann er noch nicht genau sagen. „Keine Obergrenze bedeutet ja nicht, dass man unbegrenzt Impfstoff bekommt“, sagt er. Letztlich entscheidend ist, wieviel Impfstoff zur Verfügung steht und auf die Hausärzte im Land verteilt wird.
Jeder kann jetzt ein Impfangebot bekommen, aber Nachfrage fehlt
Zurzeit dreht sich bei Knapp und seinen Kollegen fast alles um Zweitimpfungen. Die werden in den kommenden zwei, drei Wochen abgearbeitet. Diese Impfdosen waren gesichert, so konnte auf jeden Fall weiter geimpft werden.
„Jetzt kann jeder ein Impfangebot bekommen“, sagt Holger Knapp. Unabhängig von Priorisierungen und Vorerkrankungen. Gerade wird die Organisation ab 14. Juli vorbereitet. Auch für die kommende Woche wurde Biontech wieder in Höhe der bisherigen Obergrenze bestellt.
Doch was jetzt passiert, hätte er nicht erwartet „Es ist gekippt. Jetzt, wo wir genug Impfstoff zur Verfügung haben, gibt es nicht mehr so viele Anfragen“, sagt Holger Knapp. Es werde geradezu schwierig Leute zu finden, die sich impfen lassen wollen.
Im Impfzentrum des Kreises bleiben viele Termine unbesetzt
Ähnliche Erfahrungen macht auch gerade der Kreis Recklinghausen. Nach der Meldung, es gebe Tausende Impftermine für jedermann war zum Wochenbeginn mit einem Ansturm gerechnet worden. Der blieb aus: Am Montag (28.6.) waren noch 3000 Termine frei. Auch einen Tag später ist es immer noch eine vierstellige Zahl, so Pressesprecherin Svenja Küchmeister.
Über die Gründe kann Knapp nur spekulieren „Es ist eine Riesengefahr“, sagt er, „die niedrigen Inzidenzen und Freiheiten vermitteln das Gefühl, Corona sei bereits vorbei“. Er warnt eindringlich, das auf die leichte Schulter zu nehmen. „Jetzt ist die Zeit, sich zu impfen. Bevor die Zahlen wieder hochgehen“, sagt er auch mit Blick auf die sehr ansteckende Delta-Variante und den Herbst.
Dabei denkt er auch an die Jüngeren. Bei ihnen sei das Infektionsrisiko wegen vieler Kontakte höher. „Sie sollten sich jetzt impfen lassen“, wiederholt er seinen Appell. Auch und gerade wegen der Urlaubszeit.
Astrazeneca wird nur noch für Zweitimpfungen bestellt
In seiner Praxis am Marktplatz in Ickern wird für die Erstimpfungen nur noch Biontech bestellt. Johnson & Johnson sei leider nicht verfügbar. „Leider“, sagt der Hausarzt. Astrazeneca bleibt den Zweitimpfungen vorbehalten. „Wegen des langen Intervalls zwischen Erst- und Zweittermin“, sagt Holger Knapp. Denn gerade bei der Delta-Variante sei ein vollständiger Impfschutz wichtig.
Den bekommen gerade viele Menschen im Zuge ihrer Zweitimpfung in der Impfkirche St. Antonius. Keine ganz einfache Aufgabe, vor allem organisatorisch, so der Hausarzt. Hätte vor Wochen jeder noch praktisch jeden Ersttermin akzeptiert, sei das beim Zweittermin viel schwieriger. Eine Zeitlang habe man es mit einem Terminsystem versucht. Doch das klappte nicht. „60 bis 70 Prozent der Termine wurden wieder gecancelt“, so Knapp.
Jetzt wird wieder telefoniert. Vor allem für die Mitarbeiter bedeute das viel Mehrarbeit. Das hat aber zur Folge, dass die Impfungen dann auch planmäßig laufen. Das Impfzentrum des Kreises dagegen registriert zurzeit bei den Zweitimpfungen eine hohe „No-Show-Quote“. Zwischen 5 und 10 Prozent der Menschen erscheinen nicht zum vereinbarten Termin, ohne diesen abzusagen.