
© Tobias Weckenbrock
Hat Henkes 3G-Rebellion eigentlich eine Chance? Ein Rechtslage-Check
3G-Rebellinnen
Am Ende des 11.11. ist das Henke-Ultimatum an den Castrop-Rauxeler Bürgermeister verstrichen: Er soll sie ohne 3G-Nachweis zu politischen Sitzungen zulassen. Hat ihre Argumentation eine Chance?
Wer sich einer Antwort bei juristischen Fragen annähern möchte, kann einen Rechtsanwalt fragen oder sich Urteile und Begründungen in ähnlichen Fällen ansehen. Das Verwaltungsgericht Minden gab in dieser Sache einem Eilantrag eines Salzkottener Ratsmitgliedes statt. Doch beim Oberverwaltungsgericht Münster, der höheren Instanz, gab es einen anderen Beschluss. Was bedeutet das für Castrop-Rauxel?
Die Sachlage ist klar, auch wenn der Rechtsanwalt Markus Haintz (Kanzlei Haintz legal, Hamburg) für Notburga Henke und Leonore Schröder gerichtlich gegen die Regelung in Castrop-Rauxel vorgehen wird, wenn er seine Androhung wahr macht: Er hatte Kravanja aufgefordert, bis zum 11.11. die Zulassung der beiden Frauen zu politischen Sitzungen zu garantieren, auch wenn sie sich nicht vorher auf Corona testen lassen.
Der Mindener Beschluss (VG)
Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Minden beschloss am 8.9., dass einem Ratsmitglied der Zugang zu Ratssitzungen ohne den Nachweis einer Immunisierung oder den Nachweis einer Testung nicht unter Bezugnahme auf die Coronaschutzverordnung verwehrt werden dürfe. Soweit sie eine entsprechende Regelung enthalte, sei sie rechtswidrig.
Zu dem Erlass einer solchen Regelung sei der Verordnungsgeber nicht ermächtigt. Weil diese in das freie Mandat des Ratsmitglieds eingreife, seien an die Ermächtigungsgrundlage besondere Anforderungen geknüpft. Hier fehle es an einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage. Diese könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur der Parlamentsgesetzgeber erlassen, heißt es in der Begründung des Beschlusses.
Aber: Dem Bürgermeister bleibe es unbenommen, die Anordnung einer entsprechenden Nachweispflicht in einer Ratssitzung auf das Ordnungsrecht des Bürgermeisters zu stützen, um einen störungsfreien Ablauf sicherzustellen und die Teilnehmer vor einer Ansteckung bestmöglich zu schützen.
Die Münsterschen Beschlüsse (OVG)
Das OVG Münster lehnte kürzlich den Eil-Antrag einer Studentin ab, die erstreiten wollte, ohne Test am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu dürfen. Der Testnachweis sei geeignet, nicht erkannte Corona-Infektionen zu entdecken und so einem Infizierten den Zutritt zur jeweiligen Einrichtung zu verwehren, um die übrigen Besucher zu schützen. So werde die Ansteckung mit einer potentiell tödlich verlaufenden Krankheit vermieden und es würden medizinische Versorgungskapazitäten geschont.
Die Pflicht dazu sei nicht unangemessen, da der Test aufgrund der kurzen Dauer und geringen Intensität nur zu einer geringfügigen körperlichen Beeinträchtigung führe. Dass Schnelltests oft kostenpflichtig sind, dürfte demnach nicht zu einer Unzumutbarkeit führen. Schließlich bestehe die Möglichkeit, sich statt einer Testung kostenfrei impfen zu lassen. Daher sei es voraussichtlich nicht unangemessen, dass Personen, die sich freiwillig entscheiden, sich nicht impfen zu lassen, die in der Folge entstehenden Kosten selbst zu tragen haben und diese nicht der Allgemeinheit auferlegt werden.
Hier weicht ein weiterer nicht anfechtbarer Eil-Beschluss des OVG Münster nur leicht ab, der sich in zweiter Instanz am 30.9. mit dem Salzkotten-Urteil des VG Minden beschäftigte: Rats- und Ausschusssitzungen seien Veranstaltungen im Sinne der Coronaschutzverordnung, an denen nur immunisierte oder getestete Personen teilnehmen dürfen. Das Infektionsschutzgesetz biete eine dem Parlamentsvorbehalt genügende Grundlage. Für das verfassungsrechtlich abgesicherte freie Mandat von Mitgliedern kommunaler Organe gelte nichts anderes.
Die einzige kleine Einschränkung
Allerdings: Für Mandatsträger seien Vorkehrungen zu treffen, die sicherstellen, dass ihnen für Tests keine Kosten entstehen. Wegen der Bedeutung des freien Mandats und des kommunalen Ehrenamtes dürfte sich eine mit Tests verbundene Kostenlast für den Mandatsträger als unzumutbar erweisen. Auch auf die Möglichkeit einer Immunisierung durch eine kostenlose Impfung müsse sich ein Ratsmitglied nicht verweisen lassen. Ratsmitgliedern, heißt es aus einer Mitteilung der Stadtverwaltung von Dienstag (9.11.), entstünden in Castrop-Rauxel bei Tests keine Kosten.
Nach dem Grundgesetz seien alle gleich: Auf dieses zentrale Grundrecht beruft sich Notburga Henke. Das Argument lässt sich allerdings leicht mit zwei einfachen Beispielen widerlegen. Wer ohne Führerschein Auto fährt, kann sich ebenso wenig auf diese Freiheit berufen wie jemand, der mit 15 Jahren schon an einer Wahl teilnehmen möchte. Ein Führerschein als Nachweis der Fähigkeit, ein Auto zu fahren und die Regeln zu kennen, oder ein gewisses Alter können legitime Einschränkungen der individuellen Freiheit und Gleichheit aller rechtfertigen.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
