Harmonie und Utopie: Die Bundestagskandidaten in der Wahlarena

Bundestagswahl 2021

In unserer Wahlarena haben sich die Kandidaten der großen Parteien für den Wahlkreis Recklinghausen 1 den Fragen unserer Moderatoren gestellt. Nach Unterschieden suchte man oft mit der Lupe.

Castrop-Rauxel, Waltrop, Recklinghausen

, 09.09.2021, 22:03 Uhr
Moderiert von Joachim Schmidt (4.v.r.) vom Medienhaus Bauer und Matthias Langrock (4.v.l.) von den Ruhr Nachrichten diskutierten die sechs Direktkandidaten der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien.

Moderiert von Joachim Schmidt (4.v.r.) vom Medienhaus Bauer und Matthias Langrock (4.v.l.) von den Ruhr Nachrichten diskutierten die sechs Direktkandidaten der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien. © Volker Engel

Ja, es gab sie, die Unterschiede. Das wurde bei unserer großen Wahlarena mit den Direktkandidaten der großen Parteien für den Wahlkreis Recklinghausen I deutlich. Aber auch die Ähnlichkeiten waren teils frappierend. Zumindest wenn alle Parteien nach der Wahl das tun, was die Kandidaten am Donnerstagabend gesagt haben.

So betonten alle Kandidaten die Bedeutung neuer Technologien für den Klimaschutz. Uneinig war man sich aber bei den konkreten Technologien, die erforscht werden sollen. Dabei kam sogar die Kernkraft ins Spiel. Den Vorstoß von AfD-Mann Lutz Wagner (AfD) konterte Grünen-Kandidat Nils Stennei prompt: „Eine Generation hatte günstigen Strom und 40 Generationen müssen sich mit dem Müll rumplagen.“

Obwohl fast alle Parteien in ihren Programmen unterschiedliche Zeitpunkte für den Kohleausstieg und die Klimaneutralität anstreben, war man sich in der Debatte die Direktkandidaten auch hier überraschend einig. Selbst Marlies Greve, deren FDP einen deutlich späteren Ausstieg aus der Kohle fordert als etwa Grüne oder Linke, schloss sich ihren Kontrahenten an: „Wir gehen davon aus, dass es früher funktionieren kann.“ Man wolle sich nur ein Ziel setzten, das man realistisch erreichen könne.

Nils Stennei (Grüne), Uwe Biletzke (Linke) und Michael Breilmann (CDU) während der Debatte

Nils Stennei (Grüne), Uwe Biletzke (Linke) und Michael Breilmann (CDU) während der Debatte. © Volker Engel

Der einzige aktuelle Bundestagsabgeordnete in der Runde, Frank Schwabe, der den Wahlkreis für die SPD zum fünften Mal erobern möchte, räumte ein, dass am Ende durch die nötigen Klimaschutzprogramme Kosten für die Allgemeinheit entstehen würden. Alle Parteien distanzierten sich von einer Verbotspolitik, man wolle vielmehr durch Angebote den Klimaschutz für alle Bürger attraktiv machen.

Breites Angebot in der Verkehrspolitik

Auch beim Thema Verkehr waren Unterschiede häufiger nicht ohne die weiteres zu erkennen. Alle Kandidaten betonten die Bedeutung des Radverkehrs. Doch sie warben auch für einen Verkehrsmittel-Mix. Michael Breilmann (CDU): „Wir können nicht die Automobilfahrer verteufeln.“

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Zu einem deutlichen Unterschied kam es beim Verkehr dann aber doch noch - und zwar bei der Frage nach einem Tempolimit auf Autobahnen. Obwohl sich alle Teilnehmer einig waren, dass es schon heute vor Ort ohnehin kaum Autobahnabschnitte gibt, auf denen man rasen kann.

Oft nicht einer Meinung mit den anderen Kandidaten war Lutz Wagner von der AfD.

Oft nicht einer Meinung mit den anderen Kandidaten war Lutz Wagner von der AfD. © Volker Engel

Während SPD, Linke und Grüne sich klar für ein Tempolimit aussprachen, positionierten sich CDU, FDP und AfD dagegen. Marlies Greve schlug vor, mit digitalen Anzeigen und smarter Technologie die Geschwindigkeit den Verkehrsbedingungen anzupassen.

Nils Stennei sah hingegen gerade im Tempolimit eine „kostenlose Klimaschutzmaßnahme“ und damit ein Bekenntnis für echten Klimaschutz.

In der Gesundheitspolitik sprachen sich alle Kandidaten für eine bessere Bezahlung in der Pflege aus. Uneinig war man sich allerdings in der Frage der Finanzierung. Grüne und SPD sprachen sich klar für eine Pflegekasse aus, Michael Breilmann lehnte dies ebenso klar ab.

Mehrheit lehnt neuen Lockdown ab

Bis auf die Linke schließen alle Vertreter einen neuerlichen Corona-Lockdown aus. AfD-Vertreter Wagner zweifelte die langfristige Wirksamkeit der Impfung und die Aussagekraft von Corona-Tests an. Scharfes Kontra erhielt er von Michael Breilmann: „Ich finde es unerträglich, wie Sie das Impfen relativieren.“

Für eine flächendeckende 2G-Regelung, die den Zutritt zu bestimmten Gebäuden oder Veranstaltungen nur noch Geimpften und Genesenen erlauben würde, sprach sich keiner aus, man wolle etwa Gastronomen die freie Wahl lassen.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Matthias Langrock (l.) und Joachim Schmidt (mitte).

Moderiert wurde die Veranstaltung von Matthias Langrock (l.) und Joachim Schmidt (mitte). © Volker Engel

Bei der Frage nach potenziellen Koalitionspartnern ließen sich die Kandidaten viele Türen offen. Lediglich der AfD-Kandidat erklärte den Gang in die Opposition zu seinem Ziel und stieß damit auf offene Ohren: Niemand will mit ihm koalieren. FDP und CDU lehnten eine Zusammenarbeit darüber hinaus mit der Linken kategorisch ab. Grüne und SPD sehen sich als Wunschpartner. Frank Schwabe erklärte sich für Bündnisse mit der FDP („wenn es in der Sozialpolitik stimmt“) und auch mit der Linken bereit. Hier müsse man aber Hürden bei der Außenpolitik überwinden.