
Der Inhaber des Restaurants Tante Amanda, Franz-Josef "Bubi" Leuthold will mit einer Mischkalkulation den Preis für Gänsebraten bezahlbar halten. © Uwe von Schirp
Festtagsbraten – Dortmunder Gastronom: „Die Gans muss bezahlbar bleiben“
Martins- und Weihnachtsgänse
Es ist Gänsesaison. Doch beim traditionellen Martins- und Weihnachtsbraten bleibt manchem womöglich der Bissen im Halse stecken. Grund sind gestiegene Preise. Was erwartet die Verbraucher vor Ort?
Noch schnattern sie quicklebendig auf den Wiesen. Doch bald schon verwöhnen sie den Gaumen, stehen als Saison-Spezialität auf den Speisekarten der Gastronomie. An Sankt Martin (11. November) beginnt die Gänse-Saison. Für viele Menschen gehört ein knuspriger Gänsebraten zur (vor)weihnachtlichen Zeit wie Spekulatius oder Glühwein.
Derweil lassen Meldungen aus der Gastronomie aufhorchen. Angesichts gestiegener Einkaufspreise für den Festtagsschmaus um 15 bis 18 Prozent, haben einige Restaurant-Inhaber das Federvieh ganz von der Karte verbannt. Bundesweit für Schlagzeilen sorgte ein Betrieb in Sachsen, der Gänse nur gegen Vorkasse nach einer Vorbestellung serviert. Andere Gastronomen wollen nur ganze Gänse anbieten.
Dazu gehört auch Antonio Link, Inhaber des Restaurants „Hopfen und Salz“ in Dortmund-Lütgendortmund. Im Einkauf habe er „noch einen guten Preis erzielen können“, erklärte er am Montagabend (17.10.) in der ARD-Polit-Talkshow „hart aber fair“.

Gastronom Antonio Link (r.) war am Montag Gast in der Live-Talkrunde von WDR-Moderator Frank Plasberg. Dort sprach er auch die Kosten für ein Gänse-Gericht im Restaurant Hopfen und Salz an. © privat
Er bietet ganze Gänse für mehrere Personen an. „Ansonsten gibt‘s keine Keule, keine Brust. Da müssten wir bei uns in einem gut-bürgerlichen Restaurant 40 Euro nehmen“, sagte Link. „Das würde ich persönlich nicht zahlen und das zahlen auch unsere Gäste nicht.“
„Gans gehört zur Jahreszeit und muss bezahlbar bleiben“
Bei „Tante Amanda“ in Dortmund-Westerfilde an der Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel steht indes auch in diesem Jahr Gänsebraten auf der Saisonkarte „Aus Wald und Flur“. Für eine halbe Keule und eine halbe Brust mit Rotkohl und Knödel zahlen die Gäste 29,90 Euro.
„Wenn wir die richtig kalkulieren würden, müsste der Gänsebraten um die 40 Euro kosten“, bestätigt auch Inhaber Bubi Leuthold. „Gans gehört aber zu dieser Jahreszeit dazu, und es muss bezahlbar bleiben.“ Der Gastronom setzt auf eine Mischkalkulation mit den anderen saisonalen Gerichten.
Das Restaurant „Tante Amanda“ serviert das Gänsefleisch vom Knochen gelöst auf den Tellern. „Aus einer 5-Kilo-Gans gibt es gute vier Portionen“, erklärt Bubi Leuthold. Nur. Denn: „Während des Bratens geht viel Fett verloren.“ Hinzu komme der Knochenaufbau. Übrig bleiben dann etwa 320 bis 340 Gramm pro Portion Gänsebraten.

Bei Tante Amanda auf der Stadtgrenze zwischen Dortmund(-Westerfilde) und Castrop-Rauxel(-Schwerin) steht schon Ende Oktober Gänsebraten auf der Saison-Speisekarte. © Tobias Weckenbrock (Archiv)
Hintergrund für die sensiblen Kalkulationen in der Gastronomie sind Preissteigerungen im Einkauf. Nur gut ein Fünftel der Schlachtgänse für den heimischen Bedarf in Privathaushalten und Gastronomie stammen von deutschen Bauernhöfen, berichten die Deutsche Presse Agentur und das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der durchschnittliche Einkaufspreis von 15,95 Euro in 2021 stieg um drei Euro – eine Steigerung von rund 19 Prozent.
Preissteigerungen zwischen 13 und 100 Prozent
Mehr als Dreiviertel der Martins- und Weihnachtsgänse sind Importware, vornehmlich aus Polen und Ungarn. Der Einkaufspreis stieg von 4,50 Euro pro Kilo im Vorjahr auf das Doppelte. Grund dafür ist im wesentlichen die grassierende Vogelgrippe, die osteuropäische, aber auch deutsche Betriebe getroffen hat. Das führte zu einem geringeren Angebot und damit steigenden Preisen.
Viele Gastronomen beziehen ihr Fleisch über den Großhandel. Der aktuelle Metro-Prospekt (20. bis 26.10.) bewirbt „polnische Hafermast-Gänsebrust mit Haut und Knochen“ für 15,93 Euro (inkl. Mehrwertsteuer). „Deutsche Frischgänse“ kosten laut Internet-Seite (Stand: 19.10.) 21,39 Euro pro Kilo. Großabnehmer aus der Gastronomie bekommen nach Informationen unserer Redaktion jedoch günstigere Konditionen.
Landwirt Ulrich Dingebauer züchtet Gänse und verkauft sie ab der Woche vor Sankt Martin für einen Kilopreis von 16,90 Euro – in Neuland-Qualität. Die Marke steht nach eigenen Aussagen für Qualitätsfleisch aus tiergerechter Haltung. 2021 kostete das Kilo noch 14,90 Euro. 500 Gänse schnattern auf drei Wiesen an der Oststraße in Castrop-Rauxel-Deininghausen.

Landwirt Ulrich Dingebauer züchtet und verkauft zu St. Martin und Weihnachten Gänse aus tiergerechter Haltung. © Uwe von Schirp
Grund für die vergleichsweise noch moderate Preissteigerung von rund 13 Prozent seien gestiegene Energiekosten. Weil aus Hygienegründen beim Schlachten heißes Wasser verwendet werde, seien auch die Kosten für den externen Schlachter gestiegen. Und: „Futter kostet mittlerweile das Doppelte“, sagt der Landwirt.
Sorge vor Gefügelpest auch in Deininghausen
Auch Ulrich Dingebauer gibt die gestiegenen Kosten nicht eins zu eins an die Kunden weiter. „Es nutzt ja nix, wenn ich einen Wahnsinnspreis habe, aber 100 Gänse über.“ Er hat jedoch die Aufzucht von 600 Gänsen in 2021 auf 500 in diesem Jahr reduziert.
Den Bauern treibt ebenfalls die Sorge um die Vogelgrippe um: „Dann muss ich alle Geräte nach draußen fahren und Gänse und Hühner müssen unters Dach.“ Anfang Oktober meldete das Landesumweltamt einen Ausbruch der Geflügelpest in Bottrop. In dieser Woche wurden Fälle in einem Betrieb im Kreis Gütersloh und in einer Hobbyhaltung in Münster bekannt.

Inhaberin Marlen Kempf bietet im Parkbad Süd ab 5. November Gänse-Gerichte an. © Paul Horst (Archiv)
Ulrich Dingebauer verkauft Martins- und Weihnachtsgänse auf Vorbestellung. Zum vereinbarten Termin lässt er sie schlachten. Der 62-Jährige verkauft den Festtagsbraten aber nicht nur an Privat-Haushalte. Auch das Parkbad-Süd am Stadtpark in Castrop zählt seit dem Herbst 2021 zu seinen Kunden.
Inhaberin Marlen Kempf ist die Transparenz des örtlichen Lieferanten wichtig. „Montags wird geschlachtet, mittwochs geliefert und dann zerlegt“, erklärt sie. Ab dem 5. November steht Gans im Parkbad Süd auf der Karte – in den bewährten Menü-Variationen: Brust und/oder Keule mit Rotkohl, Rosenkohl und Bratapfel mit Marzipan. Je nach Zusammenstellung liegt der Preis zwischen 32 und 40 Euro.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
