
Hans-Joachim Drath, Kreishandwerksmeister, warnt vor dem Mangel an Auszubildenden in Castrop-Rauxel. © Carsten Sander
Handwerksmeister über fehlende Auszubildende: „Die Lage ist beängstigend“
Ausbildung
Das Ausbildungsjahr hat begonnen und immer noch suchen Betriebe nach passenden Lehrlingen. Der Handwerksmeister Hans-Joachim Drath aus Castrop-Rauxel räumt mit Vorurteilen gegenüber seiner Branche auf.
Fassaden dämmen, Dächer decken, Heizungen austauschen, Bäder fliesen – Arbeiten, für die Fachpersonal benötigt wird. Handwerker, die sich auskennen und wissen, was sie tun, sind da nötig. Ihr Können ist gefragter den je. Trotzdem gibt es immer weniger junge Menschen, die ein Handwerk erlernen wollen.
„Die Lage ist beängstigend“, sagt Hans-Joachim Drath. Er hat einen Dachdeckerbetrieb am Förderturm in Castrop-Rauxel und ist Kreishandwerksmeister für Castrop-Rauxel und Herne. „Wer soll demnächst unsere Häuser bauen?“, fragt er, um die Notsituation zu veranschaulichen.
Er selbst hat einen Betrieb mit 20 Facharbeitern. Dieses Ausbildungsjahr hat er das erste Mal überhaupt keinen Lehrling einstellen können. Und so wie ihm geht es auch anderen Betrieben in Castrop-Rauxel. Fleischer, Bäcker, Friseure – sie alle suchen händeringend nach Auszubildenden. „Im Baugewerbe ist es ganz schlimm“, sagt Drath.
„Kein Abschluss ist kein Ausschlusskriterium“
Es habe zwar junge Menschen gegeben, die sich bei ihm beworben hätten, gibt er zu, aber die seien „nicht ausbildungsfähig“ gewesen. „Die Grundmotivation hat gefehlt“, sagt der Dachdeckermeister. Wer als Grund für die Bewerbung einen Vorschlag des Jobcenters angibt, interessiere sich offenbar nicht für den Beruf.
Teilweise sei es aber auch die falsche Schulbildung oder mehrfach abgebrochene Ausbildungen, die gegen den Bewerber gesprochen hätten.
Drath sagt aber auch: „Kein Abschluss ist kein Ausschlusskriterium.“ Es gebe genug Hilfen wie das Jobcenter oder andere Einrichtungen, die den Auszubildenden helfen, den Schulabschluss nachzuholen.
Wenngleich das Ausbildungsjahr am 1. August begonnen hat, „jeder kann jederzeit einsteigen“. Hans-Joachim Drath rät dazu, einfach mit den Bewerbungsunterlagen in den Wunschbetrieb zu gehen.
Dort könne man sich auf ein kurzes Praktikum einigen, um zu schauen, ob die Chemie stimmt. „Zwischenmenschlich muss es stimmen.“
Für die Ausbildung im Dachdeckerhandwerk brauche man mindestens einen Hauptschulabschluss, „mathematisches Verständnis und man muss schwindelfrei sein.“
Nach Hans-Joachim Draths Meinung geht die derzeitige Krise im Handwerk auf das schlechte Image zurück. Schlechte Arbeitszeiten, körperliche Arbeit, wenig Prestige und gesellschaftliche Anerkennung fehle. Dabei sei das falsch, findet der Handwerksmeister.
Denn: „Handwerker sind die Klimaretter von morgen.“ Sie machen Gebäude energieeffizient, bauen die PV-Anlage aufs Dach, legen Fernwärmeleitungen.
„Wir treiben Kinder ja fast dazu, dass sie Abitur machen und dann studieren.“ Dass eine Ausbildung im Handwerk und die abgeschlossene Meisterschule einem Bachelor-Abschluss gleichkommt, man aber zusätzlich schon Geld verdient, ist vielen Menschen gar nicht bekannt. Nach dem Europäischen Qualifikationsrahmen, der unterschiedliche Bildungsniveaus innerhalb der EU vergleichbarer machen soll, ist das tatsächlich so festgelegt.
Work-Life-Balance wird immer wichtiger
Wer Abitur hat, kann die Ausbildung verkürzen, und sich schon nach zweieinhalb Jahren weiterbilden, und zwar zum Meister. „Ich musste damals erst noch fünf Jahre arbeiten, bevor ich auf die Meisterschule durfte“, erzählt Drath. Die Zeiten seien vorbei. Zwei Jahre dauert die Meisterschule, wenn man sie als Abendschule absolviert. Man kann den Meister aber auch in neun Monaten absolvieren.
„Dann ist man mit etwas Glück erst 21 Jahre und kann sich schon selbstständig machen. Versuchen Sie das mal mit einem Studium“, meint der Handwerksmeister im Gespräch mit dieser Redaktion.
Die Aufstiegschancen im Handwerk seien sehr gut. Es gebe fast schon eine „Übernahmegarantie“ seitens der Ausbildungsbetriebe. Als junger Geselle bekomme man rund 3000 Euro brutto, nach 5 Jahren gut 4000 Euro. „Damit kann man schon eine Familie ernähren.“
Auch die Arbeitszeiten hätten sich geändert. „Die Zeiten vom Malochen auf dem Bau von morgens bis abends sind vorbei. Arbeiten am Wochenende ist auch nicht mehr üblich.“ In manchen Gewerken werde schon über eine Vier-Tage-Woche nachgedacht. „Das Handwerk hat sich den Zeiten angepasst.“
Geboren und aufgewachsen im Bergischen Land, fürs Studium ins Rheinland gezogen und schließlich das Ruhrgebiet lieben gelernt. Meine ersten journalistischen Schritte ging ich beim Remscheider General-Anzeiger als junge Studentin. Meine Wahlheimat Ruhrgebiet habe ich als freie Mitarbeiterin der WAZ schätzen gelernt. Das Ruhrgebiet erkunde ich am liebsten mit dem Rennrad oder als Reporterin.
