
© Patricia Böcking
Erste Beschwerde zu E-Scootern: Wird es schwer für Tier in Castrop-Rauxel?
E-Mobilität
Am Montag ist das Unternehmen Tier mit 200 E-Scootern in Castrop-Rauxel gestartet. Es hat nicht lange gedauert bis zur ersten offenen Beschwerde. Aber ist sie überhaupt gerechtfertigt?
Um diese Diskussion vorherzusagen, musste man kein Prophet sein. In Castrop-Rauxel wird wenige Tage nach dem Start des neuen E-Scooter-Betreibers Tier schon wieder um die Roller gestritten. Der Ton ist noch nicht rau, sondern sachlich. Aber es gibt auch schon eine erste offizielle Beschwerde. Zurecht?
Offenbar nicht. Das zumindest findet die Stadtverwaltung, die auf ein Schreiben von Petra Stodt, Anwohnerin der Ringstraße etwa gegenüber dem Alten Rathaus, reagiert: „Auf Basis dieses Fotos kann ich keinen Grund zur Beanstandung erkennen“, sagt Sprecherin Maresa Hilleringmann mit Blick auf ein Bild, das den weißen Zaun am Rande des Gehweges vor ihrer Wohnung zeigt. Dort stehen sauber nebeneinander aufgereiht drei Leih-E-Scooter der Firma Tier. Sie stehen recht offensichtlich gar nicht im Weg. Der Gehweg ist breit genug. Davor stehen Autos am Straßenrand.
Darum prüft die Stadt solche Beschwerden auch nicht weiter. Denn eigentlich ist dafür die Firma Tier Mobility zuständig. Das ist so vereinbart, dafür gibt es eine 24-Stunden-Hotline, also eine, die auch stets verfügbar sein soll, damit Bürger Hinweise auf schlechte Abstellorte loswerden können.

Drei E-Scooter stehen auf dem Gehweg an der Ringstraße vor der Wohnung von Petra Stodt. Sie findet: Da stehen sie schlecht. Die Castroperin hat sich beschwert. © Stodt
Petra Stodt sagt: „Da war dauerbesetzt.“ Die Castroperin sagt auch: „Bis zum späten Vormittag waren schon am Montag diverse Beschwerden von Bürgern bei Stadtverwaltung eingegangen, die ungefragt und uninformiert (das scheint in Castrop System zu haben...) morgens überrascht wurden von einer E-Scooter-Parkbucht auf dem Bürgersteig direkt vor unserem Privatbesitz und damit vor unserer Haustür.“
„Wie unmündige Bürger einfach übergangen“
Sie zeigt uns auch ihre Mail an die Stadtverwaltung, in der sie noch deutlicher wird: „Die Firma Tiel hat im Vorfeld ‚Rahmenbedingungen‘ mit der Stadtverwaltung abgestimmt. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Stadtverwaltung unter Führung von Herrn Kravanja uns diesbezüglich wie unmündige Bürger einfach übergeht und ganz rücksichtslos das inzwischen ohnehin gewöhnungsbedürftige Straßenbild zusätzlich verschandelt, denn auch über die Bushaltestelle direkt vor unserer Haustür wurden wir überhaupt nicht informiert.“
Petra Stodt macht einen Vorschlag für eine andere Abstellfläche: Warum nicht direkt gegenüber an die Bushaltestelle am Alten Rathaus? Da stören sie nicht, denn da stehen sie nicht direkt vor der Haustür eines Bürgers.“
Sinn der Scooter ist, dass sie überall verteilt im Stadtgebiet stehen und den Passanten überall einladen, sich statt eines Fußmarsches den Scooter zu mieten. 19 Cent pro Minute zahlt man dafür, alles läuft digital über eine App im Smartphone. Abstellen kann man den Scooter da, wo man hin will – allerdings in einem dazu definierten Raum. Kommt man an den Rand des definierten Bereichs, warnt die App. Rausfahren soll nicht möglich sein.
Zur Benutzung gehört auch Verstand
Aber zum Benutzen des Scooters gehört auch Verstand: Sie vor eine Hauseinfahrt zu stellen oder mitten auf die Straße, ist zwar technisch möglich, aber natürlich nicht sinnvoll. Anderswo sind auch schon Scooter in städtischen Gewässern wiedergefunden worden. Der Betreiber Tier ortet stets alle Roller, lädt die Akkus auf, repariert sie – und nimmt Beschwerden entgegen.
Unternehmens-Sprecher Patrick Grundmann auf Anfrage unserer Redaktion zur Stodt-Beschwerde: „Betriebsgebiet und die Parkverbotszonen wurden vor dem Start gemeinsam mit der Stadt festgelegt. Letztere können aber bei Bedarf auch noch angepasst werden. Aktuell haben uns allerdings meines Wissens nach noch keine Beschwerden aus Castrop-Rauxel erreicht.“
Generell würden alle neuen Nutzer bei der Registrierung in der Tier-App mithilfe „einer Serie an leicht verständlichen Erklärbildern, die auch nicht übersprungen werden können, auf die wichtigsten Benutzungs- und Verhaltensregeln hingewiesen“, so Grundmann. Dies beinhalte auch einen Hinweis zu korrektem Abstellen und Parken der Fahrzeuge. „Dieser Hinweis wird auch bei Beendigung der Miete wiederholt.“
Tier wisse mit der Erfahrung aus vier Jahren in vielen Städten, dass „die Lerneffekte mit der Zeit durch unsere Aufklärungsbemühungen in der App stetig zunehmen und Beschwerden tendenziell eher abnehmen“. Gleichzeitig appelliere man an alle Nutzer in Castrop-Rauxel, die E-Scooter ordnungsgemäß und rücksichtsvoll abzustellen.“
„Unser Team entfernt sie zeitnah“
Darüber hinaus arbeiteten die Teams vor Ort täglich daran, „unsere E-Scooter vor Falschparkern zu schützen, indem sie Fahrzeuge, die Fußgängern im Weg stehen, entfernen. Passanten und Anwohner, denen E-Scooter auffallen, die nicht ordnungsgerecht abgestellt sind, können sich jederzeit telefonisch an die auf den E-Scootern angebrachte Telefonnummer wenden oder schriftlich an unseren Kundenservice“. Das geht via Mail an support@tier.app. Das Versprechen: „Unser lokales Team in Castrop-Rauxel entfernt die E-Scooter dann zeitnah bzw. parkt sie um.“
Petra Stodt beschwert sich über den Aufstellort, den Tier selbst gewählt hat. Möglich, dass die Scooter dort gar nicht gesehen und von dort auch kaum genutzt werden. Dann würde Tier sie nach einiger Zeit dort einsammeln und anderswo aufstellen, damit sie stärker genutzt werden. Wo die Nutzer sie abstellen, ist aber im Rahmen des Möglichen ihnen überlassen.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
