Warten im Bürgerbüro: Das müssen eigentlich nur die, die ohne Termin kommen. Seit 2018 gibt es das Terminsystem, und wer sich Monate vorher einen Termin holt, ist schnell wieder draußen. © Tobias Weckenbrock
Stadtverwaltung
Endlich auf dem Weg der Besserung: Das Bürgerbüro-Fiasko und was alles dahinter steckt
Wer einen Termin hat, ist schnell durch. Wer einen ausmachen will, muss wochenlang warten. Und wer ohne Termin ins Bürgerbüro geht, muss viel Geduld haben. Jetzt nennt die Stadt neue Zahlen.
Wer eine Führerschein-Erweiterung eintragen lassen möchte: Der nächste freie Termin im Bürgerbüro ist am 11. September. Wer nach oder in Castrop-Rauxel umzieht und sich bei der Stadt anmelden oder ummelden möchte: Der nächste freie Termin ist am 12. September. Gleiches gilt für die Beantragung oder Verlängerung eines Personalausweises.
Das Bürgerbüro der Stadt ist dafür zuständig - und es ist wie das Standesamt oder das Bauamt weiter Ziel der Kritik vieler Bürger. Das Bürgerbüro öffnet dreimal in der Woche um 8 Uhr, zweimal um 7 Uhr, hat weitgehend auch nachmittags geöffnet - doch es steckt immer noch in einem schwierigen Umstrukturierungs-Prozess.
Mutter berichtet von 22 Stunden im Rathaus
Schon einige Wochen vor dem öffentlichkeitswirksamen Frühstücks-Protest jetzt im Rathaus-Flur und vielen weiteren Beschwerden meldete sich Susanne Hoehenkemper aus Frohlinde in unserer Redaktion. Die berufstätige Mutter zweier Kinder war sauer, weil sie im Juni innerhalb von 14 Tagen fünfmal versucht habe, einen Termin im Bürgerbüro zu bekommen, um den Personalausweis zu verlängern. Erst jetzt antwortete die Stadt auf unsere Anfrage beruhend auf diesen Schilderungen.
Der Ausweis laufe in zwei Monaten ab, und es sei chaotisch: „Ich habe öfter minutenlang am Telefon gehangen und in der Warteschleife ging es dann nicht weiter.“ Sie habe gehört von Leuten, die im März umgezogen seien, im Mai dann erst ihren Termin zur Ummeldung hatten und denen dann angedroht worden sei, dass sie bis zu 1000 Euro Bußgeld zu zahlen hätten. Hörensagen vielleicht, aber: „Ich habe in Summe 22 Stunden im Rathaus verbracht, ohne meinen Ausweis bekommen zu haben“, schildert Susanne Hoehenkemper.
Sterbefall-Urkunde im Standesamt: der Verzweiflung nahe
Bekannte von außerhalb, sagt sie, hätten sich ein Hotelzimmer in der Stadt genommen, um den Tod ihres Vaters im Standesamt beurkunden zu lassen. „Als sie hier waren, haben sie verzweifelt zwei Tage lang versucht, den Totenschein zu bekommen.“
Die Stadtverwaltung verweist darauf, dass die Wartezeiten für Terminkunden im Durchschnitt unter fünf Minuten betrügen. Diese Statistik ist kein loser Wert, sondern die Realität - das bescheinigen Susanne Hoehenkemper, die das bei ihrem Mann erlebt habe, ein Redakteur der Ruhr Nachrichten testete es auch und war hochzufrieden.
Für Kunden ohne Termin, die dienstags, mittwochs und donnerstags von 7 bzw. 8 bis 10 Uhr kommen, geht es nach dem alten Prinzip: Wartemarke ziehen. „Dabei sind längere Wartezeiten in Kauf zu nehmen“, gibt Stadtsprecherin Nicole Fulgenzi zu. Aber: „Alle Kunden werden im Verlauf des vormittags in der Reihenfolge der Wartemarken bedient. In der Regel bis spätestens 12 Uhr.“
Größere Veränderungen seit Januar
Mitte Januar führte die Stadt auf Wunsch der Bürger neben dem Termin-System auch den terminfreien Service wieder ein. Das hatten diese gerade bei kurzfristig anfallenden Anliegen vehement gefordert.
Die Wartezeiten auf einen Termin hätten sich verbessert: „Während Bürger zu Jahresbeginn noch 13 Wochen auf einen Termin gewartet haben, sind wir nun bei einer Wartezeit im Durchschnitt von 4 bis 7 Wochen“, so Nicole Fulgenzi. Ziel sei eine Vorlaufzeit von 2 bis 4 Wochen.
Eine solche Verbesserung funktioniere nicht prompt. „Doch alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind sehr darum bemüht“, so die Stadt. Wer einen Termin oder eine Wartemarke habe und alle erforderlichen Unterlagen mitbringe, „verlässt das Rathaus mit der gewünschten Dienstleistung, sofern die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind“. Ein spezieller Tipp ist noch: Morgens früh ins Terminsystem im Internet schauen - denn oft werden bereits gebuchte Termine am Morgen noch vor der Öffnung neu freigegeben, wenn sie vom Bürger abgesagt wurden. So kann man eventuell noch dazwischen rutschen.
Die Baustellen im Bürgerbüro
Seit der Einführung des Terminsystems 2018 habe man an weiteren Problemen gearbeitet:
Austausch von LangzeiterkranktenEinführung des ExpressschaltersVerbesserung der telefonischen Erreichbarkeit / geplante interkommunale Zusammenarbeit zwecks telefonischer ErreichbarkeitEinführung der offenen Sprechstunden (dreimal pro Woche)Nachbesetzungen im Personal, Ausschreibung einer zusätzlichen Stelle Abteilungsleitung BürgerbüroPermanente Nachjustierung der technischen Umsetzung der TerminvergabeWarum Mitarbeiter anderer Bereiche nicht einspringen können
Oft sagen Kritiker, es könnten doch Mitarbeiter anderer Bereiche aus dem Rathaus einspringen. So trivial sei das nicht: „Die Mitarbeiter des Bürgerbüros müssen Experten des Meldewesens sein. Die Einarbeitung in die inhaltlichen Komplexität der Rechtsmaterie nimmt einige Zeit in Anspruch“, erklärt Nicole Fulgenzi. Sechs bis neun Monate Einarbeitungszeit brauche man. „Kurzfristiges Verschieben ist somit nicht möglich.“
Übrigens: Eine kurze Internetrecherche auf den Webseiten anderer Städte für deren Bürgerbüros ergab unterschiedliche Ergebnisse. Während man in Herne mit einer Anmeldung schon am 6. August (noch ein Termin frei) dran käme, müsste man in Gladbeck länger auf einen Termin warten als in Castrop-Rauxel: bis zum 24. September. Andere Städte (Dorsten, Waltrop) haben oft keine Termin-Option.
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