
Ab Oktober steigt der Mindestlohn auf zwölf Euro. In Castrop-Rauxel zeigt sich: Ungünstiger könnte der Zeitpunkt dafür nicht sein. Weil Gastronomen wie hier der Inhaber der Trattoria Puglia, Nunzio Marcuccio, jetzt schon Probleme haben. © Jonas Hildebrandt
Den Mindestlohn müssen alle Castrop-Rauxeler aus ihrer Tasche zahlen
Meinung
Zum 1. Oktober steigt der Mindestlohn auf 12 Euro. Gastronomen und Friseure planen mit höheren Preisen. Unser Autor sagt ja zum Mindestlohn, aber findet: Die Erhöhung kommt zum falschen Zeitpunkt.
Gute Bezahlung ist eine Frage von Wertschätzung. Spätestens seit der Corona-Pandemie ist klar, dass es nicht ausreicht, nur warme Worte zu finden und Beifall zu klatschen. Eine Erhöhung des Mindestlohns ist daher richtig, um vielen Menschen genau diese Wertschätzung entgegenzubringen.
Ungünstiger Zeitpunkt
Aber: Der höhere Mindestlohn kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Wer sich in Castrop-Rauxel umhört, wird das schnell feststellen: Gastronomen erzählen, dass sie momentan mit explodierenden Kosten für Lebensmittel zu kämpfen haben. Friseure berichten, dass sie ihre Corona-Soforthilfen noch zurückzahlen müssen.

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Und das sind nur einige Stimmen, die bislang zu vernehmen waren. Da wäre zum Beispiel noch der Einzelhandel, dem die Lieferprobleme weiter zu schaffen machen. Hinzu kommen für alle Branchen die steigenden Energiepreise. Um es daher kurz zu fassen: Die wirtschaftliche Lage ist extrem unsicher.
In dieses angespannte Umfeld drängt sich nun aber der nächste Kostenfaktor – und das mit großen Schritten: Im Juli klettert der Mindestlohn auf 10,45 Euro, im Oktober auf 12 Euro. Von einigen Castrop-Rauxeler Gastronomen und Friseuren heißt es daher schon jetzt: Preise anziehen, um höhere Kosten wieder aufzufangen.
Doch vielleicht können sie das vermeiden – es wäre zu hoffen. Auch dann gilt aber immer noch das simple Angebot-Nachfrage-Prinzip: Steigende Kaufkraft durch einen höheren Mindestlohn bedeutet steigende Nachfrage in den Geschäften und bei Dienstleistern. Die werden ihre Preise wiederum an die neue Kaufkraft anpassen.
Löhne und Preise schaukeln sich gegenseitig hoch
Danach werden wieder höhere Löhne fällig. Und das nicht nur im unteren Lohnbereich: Ein Gastronom aus Castrop-Rauxel befürchtet, dass erfahrene Mitarbeiter dann natürlich mehr verdienen möchten als Berufseinsteiger — ein „Teufelskreis”, wie er es nennt.
Am Ende könnten sich Löhne und Preise also gegenseitig hochschaukeln – und die höchste Inflationsrate seit 40 Jahren weiter anheizen.
Der höhere Mindestlohn bringt den Castrop-Rauxeler Beschäftigten dann wenig. Ganz im Gegenteil: Zahlen müssen sie die Erhöhung aus eigener Tasche.
Studiert Economics und Journalismus in Dortmund, schreibt über die Menschen und ihre Geschichten in Castrop-Rauxel, schätzt die Vielfalt und Mentalität im Ruhrgebiet. Arbeitet sich gerne in verschiedenste Themen ein und fühlt sich daher im Lokaljournalismus richtig aufgehoben.
