Castrop-Rauxels Politiker kämpfen für Arian (15)

Abschiebung nach Afghanistan

Seit zwei Jahren lebt der 15-jährige Arian in Castrop-Rauxel. Jetzt soll er nach Afghanistan abgeschoben werden. Linke, SPD, FDP und Grüne reagieren betroffen, empört und suchen nach Möglichkeiten, die Abschiebung abzuwenden. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe wiederum sieht die Situation etwas anders.

CASTROP-RAUXEL

, 28.07.2017, 17:33 Uhr / Lesedauer: 3 min
Der 15-jährige Arian ist vor zwei Jahren aus Afghanistan geflohen, weil die Taliban seinen Vater getötet hatten. Jetzt soll er abgeschoben werden.

Der 15-jährige Arian ist vor zwei Jahren aus Afghanistan geflohen, weil die Taliban seinen Vater getötet hatten. Jetzt soll er abgeschoben werden.

„Seit er den Abschiebebescheid erhalten hat, liegt ein enormer psychischer Druck auf Arian“, schreibt Ingo Boxhammer stellvertretend für Die Linke. Bis Ende des Monats will die Bundesregierung darüber entscheiden, ob Afghanistan weiter als sicher eingestuft wird oder nicht. „Das Schicksal des 15-Jährigen ist verknüpft mit dieser Entscheidung“, so Boxhammer.

In der Fraktion habe man sich nach Bekanntwerden des Falls ausgetauscht und überlegt, wie man Arian helfen könne. Die Linke appelliert an die SPD, tätig zu werden. „Der Stadtverband der SPD ist angesprochen. Sie regiert Castrop-Rauxel und hat somit eine Verantwortung gegenüber den Bürgern der Stadt und auch den Menschen, die hier Schutz suchen“, so Boxhammer.

SPD will Abgeordnete mit ins Boot holen

Die SPD hat das Thema auf dem Schirm. Daniel Molloisch (SPD) stuft den Fall von Arian als Härtefall ein. Er kenne solche Fälle aus seinem aktiven Engagement bei der Flüchtlingshilfe. „Wir gucken, dass wir unsere Abgeordneten dazu ins Boot holen“, sagte Molloisch auf Anfrage am Donnerstag. Er verweist auf den Duisburger Fall der Schülerin Bivsi, die nach der Abschiebung nach Nepal nun wieder zurück nach Deutschland kommen darf – mit einem Schülervisum. „Am Ende musste da die Bezirksregierung tätig werden“, so Molloisch. „So könnte man auch hier versuchen, eine Möglichkeit zu schaffen.“

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Grundsätzlich müsse die Bundesregierung aber tätig werden und überlegen, wie man zukünftig mit solchen Härtefällen umgehen wolle, um sie zu vermeiden. „Vor allem diejenigen, die schon eine Integrationsleistung erbracht haben, müssen hier eine Perspektive bekommen“, sagte Molloisch. Dass die Bundesregierung beim Asylrecht tätig werden muss, darüber sind sich die Fraktionen einig.

Abgeordneter Schwabe sieht keine akute Gefahr der Abschiebung

Der heimische SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe hat sich am Freitag zu dem Thema geäußert. Er ist froh, dass Menschen sich für Geflüchtete wie Arian engagieren und sich kümmern. Er sieht aber momentan keine akute Gefahr für eine Abschiebung bei Arian. „Als Minderjähriger hat er da eigentlich nichts zu befürchten“, sagt Schwabe im Gespräch mit unserer Redaktion.

Vor allem, weil er unbegleitet, also ohne seine Eltern, nach Deutschland gekommen sei. Bis zur Volljährigkeit stünden seine Chancen gut, in Deutschland bleiben zu dürfen. Und momentan seien die Abschiebungen nach Afghanistan auch von der Bundesregierung ausgesetzt – für wie lange kann allerdings niemand sagen. „Die psychische Belastung ist durch solch einen Abschiebebescheid für einen 15-Jährigen aber natürlich erst mal sehr hoch“, so Schwabe weiter.

FDP: "klar geregeltes, modernes Einwanderungsgesetz" wird benötigt

„Der Fall zeigt, wie dringend wir ein klar geregeltes, modernes Einwanderungsgesetz benötigen“, sagte FDP-Fraktionschef Nils Bettinger. Nichtsdestotrotz müssten jetzt Gerichte entscheiden. Und um den Fall genauer begutachten zu können, müsse man sich die Unterlagen anschauen. Dass Arian sich an eine Anwältin gewandt hat, hält er für die richtige Vorgehensweise.

„Auf der einen Seite blutet mir das Herz, weil es ein emotionales Thema ist, aber auf der anderen Seite haben wir ein Rechtssystem, das funktionieren muss“, so Bettinger weiter. Der Fall Arian sei traurig, aber kein lokalpolitisches Problem, sondern ein bundespolitisches. „Der Wähler sucht sich ja letztendlich aus, welche Partei er mit welcher Asylpolitik wählt“, so Bettinger. „Ich drücke Arian aber von Herzen die Daumen, dass alles gut für ihn ausgeht“, so Bettinger.

Linke drücken Solidarität aus und wollen sofort helfen

„Die Linksjugend aus Castrop-Rauxel, Datteln und Waltrop drückt ihre Solidarität aus und wollen sofort helfen“, so Ingo Boxhammer. Afghanistan sei weit entfernt davon, ein sicheres Herkunftsland zu sein. „Wir wollen ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir dafür kämpfen, dass niemand mehr in Krisengebiete abgeschoben wird.

Solange das Herkunftsland nicht als sicher gilt, müssen wir den Menschen, die hier Schutz gesucht haben, diesen Schutz auch geben.“ Die Linke wolle sich dafür stark machen, dass Arian weiter in Deutschland zur Schule gehen könne und nicht in das Kriegsgebiet Afghanistan abgeschoben werde.

Grüne bezeichnen Abschiebegründe als böswillig falsch oder ignorant

Auch die Grünen bezeichnen die Aussagen des Bundesinnenministers, Afghanistan sei ein in Teilen sicheres Land, als skandalös. Die Abschiebegründe in Arians Bescheid seien entweder böswillig falsch oder von ausgesprochener Ignoranz gesegnet, sagt Manfred Fiedler (Bündnis 90/Die Grüne) am Freitag.

Zahlreiche Anschläge, bei denen Menschen ums Leben gekommen sind, seien in den vergangenen Monaten in Afghanistan dokumentiert worden. „Die genannten Abschiebegründe sind angesichts dessen skandalös, zumal sie klingen, als würde man den jugendlichen Arian nach Frankreich und nicht in ein Bürgerkriegsland abschieben wollen“, so Fiedler weiter.

Arian sei leider nicht der einzige Jugendliche in Deutschland, dem dieses Schicksal drohe. Deutschland trage auch eine gewisse Mitverantwortung an der politischen Lage in Afghanistan. „Wenn es und 15 Jahre nach dem Kriegseinsatz „enduring freedom (andauernder Frieden) nicht gelungen ist, Afghanistan zum Frieden zu verhelfen, die Ursachen von Flucht wirklich zu bekämpfen, dann dürfen wir wenigstens die Opfer nicht im Stich lassen.“

Die CDU war trotz mehrfacher Versuche nicht erreichbar.

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