
Es sind wahrlich keine besonders guten Zeiten aktuell in Castrop-Rauxel. Schuldenkrise mit Ausblick auf ein Milliarden-Loch, zu wenig Plätze an weiterführenden Schulen, eine unklare Situation, wie es mit der Unterbringung für Geflüchtete weiter geht, Leerstand in der Altstadt trotz eines Förderprogramms, das Mieter zwei Jahre lang fast bis zur Null-Linie entlasten würde. Die Aufgaben sind groß, vor denen Verwaltungsspitze und Politik in der Stadt stehen. Und nun noch das: In Castrop-Rauxel werden künftig kaum noch Kinder auf die Welt kommen.
Das Rochus-Hospital wird seine Geburtshilfe schließen. In den drei Kreißsälen, erst vor knapp zehn Jahren neu eröffnet, werden keine schreienden Kinder mehr zum ersten Mal das Licht der Welt sehen. „Die den drei Elementen Feuer, Erde und Wasser gewidmeten Räume bieten Wohlfühlatmosphäre“, heißt es in der Eigenbeschreibung. Zehntausende Kinder kamen im über 150 Jahre alten Krankenhaus der Altstadt zur Welt.
Erzählen Sie uns Ihre Rochus-Geschichte
Wir wollen mit Castrop-Rauxelern ins Gespräch kommen, die eine besondere Verbindung zur Geburtshilfe im St.-Rochus-Hospital haben, und ihre Geschichte gemeinsam mit ihnen erzählen. Melden Sie sich bei uns: castrop@ruhrnachrichten.de, Betreff: Mein Rochus.
Das Bittere ist: Es wird damit so gut wie keine Babys mehr geben, die ihr Leben lang in ihren Ausweisdokumenten das „Castrop-Rauxel“ mit sich herumtragen; egal, wohin es sie irgendwann verschlägt. Auch abgesehen von diesem weichen Faktor: Es ist ein großer Imageverlust einer Stadt im Werben um die Ansiedlung junger Paare, die die Familienplanung fest im Blick haben. „Das darf doch nicht sein“ war ganz sicher die Spontanreaktion in vielen Familien in Castrop-Rauxel, als die Nachricht vom Ende am Donnerstagabend die Runde machte.
Es war schon immer eine große Stärke von Castrop-Rauxel, im Ruhrgebiet umgeben zu sein von größeren Nachbarstädten mit einem immensen Angebot an Geschäften, Kultur- und Bildungseinrichtungen, Arbeitsplätzen in allen Branchen – und auch Krankenhäusern mit allen Fachkliniken, die man sich nur vorstellen kann. Aber manche Dinge braucht man einfach selbst. Ein Ort für Geburten gehört eigentlich dazu.
Am Ende ist es eine wirtschaftliche Entscheidung der St.-Paulus-Gesellschaft, die nicht umsonst in den vergangenen Jahren ein immer größerer Verbund aus immer mehr Krankenhäusern geworden ist. Geschäftsführer müssen darauf achten, dass sie wirtschaftlich sind. Und schon immer hieß es, dass eine Entbindungsstation keine Cash-Cow, sondern ein Zuschussgeschäft ist. Das immer aber dadurch lohnenswert erschien, weil es eine positive Imagewirkung nach außen hat. „Ich bin im Rochus geboren“ verbindet einfach, in gewisser Weise auch lebenslang.
Der Politik und Verwaltung fällt diese wirtschaftliche Standortentscheidung auf die Füße. Sie müssen nun damit umgehen und könnten mit kreativen Ideen vielleicht noch etwas bewegen. Kann man auf anderem Wege vielleicht Geburten in Castrop-Rauxel erhalten? Kann man vielleicht eine von vielen geschätzte Einrichtung wie „Die Wiege“, die mit dieser Entscheidung mindestens an einem seidenen, wenn nicht an einem bereits gerissenen Faden hängen könnte, zu einem Ort machen, wo sogar entbunden wird?