Bürgermeister der Stadt Castrop-Rauxel Rajko Kravanja steht vor vielen interessierten Bürgern nach der intensiven Fragerunde beim Bürgermeister-Café in der Agora in Ickern-End.

Bürgermeister Rajko Kravanja musste die intensive Fragerunde beim Bürgermeister-Café in der Agora in Ickern-End früher verlassen. © Sophia Wibbeke

Castrop-Rauxeler Bürgermeister pariert Frage- und Kritik-Hagel der Bürger

rnBürgerdialog

Ernste Kritik und heikle Fragen: Über zwei Stunden haben sich Bürgermeister Kravanja und Stellvertreterin Lasser-Moryson Fragen von Bürgern in der Agora in Ickern-End gestellt. Kein Wellness-Termin.

Castrop-Rauxel

, 01.07.2022, 04:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Zwei Jahre in Planung, endlich war es soweit: Die Castrop-Rauxeler bekamen ihren Bürgermeister „zurück“. Christa Dreifeld, Seniorenbeauftragte der SPD, lud ihn und seine Stellvertreter am Mittwoch (29.6.) zum Gespräch in die Agora in Ickern ein. Dort standen sie Interessierten aus Castrop-Rauxel bei Kaffee, Kuchen und Currywurst Rede und Antwort.

Bürgermeister Kravanja schenkt Gästen Kaffee ein.

Bereits zu Beginn der Veranstaltung belud sich Bürgermeister Kravanja mit mehreren Kannen Kaffee und bediente seine Gäste eigenhändig. © Sophia Wibbeke

Gut besucht – CDU-Bürgermeister abwesend

Die erste Überraschung: Vom zweiten stellvertretenden Bürgermeister Hans-Hugo Kurrek war nichts zu sehen. Entschuldigt war der CDU-Mann wohl nicht, hieß es von Katrin Lasser-Moryson und Christa Dreifeld unisono. Aber es ging am Ende auch ohne ihn rund.

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Denn den über 60 Gästen macht das offensichtlich nichts aus. Ein nachvollziehbarer Grund dafür hätte das umfangreiche Angebot aus selbst gemachten Torten und Kuchen sein können. Kaum ist die Kuchenausgabe zu Beginn der Veranstaltung eröffnet, bildet sich eine lange Schlange. Die Torten gibt es kostenlos.

Gäste des Bürgermeister-Cafés stehen Schlange an der Kuchentheke.

Der Andrang auf die vielen selbstgebackenen Kuchen und Torten war so gewaltig, dass die eigentliche Fragerunde etwas warten musste. © Sophia Wibbeke

Bei Kaffee und Kuchen kommt unsere Redaktion mit Organisatorin Christa Dreifeld ins Gespräch. Zwei Jahre, also seit Beginn der aktuellen Legislaturperiode, habe sie ein solches Austauschangebot geplant. „Bestimmt 15 bis 20 neue Gesichter sehe ich jetzt hier“, erzählt sie mit einem Blick in die Runde. Das sei eine positive Bilanz.

Castrop-Rauxeler Offenheit

Dreifeld erzählt weiter, sie würde mit diesem Treffen gern einen regelmäßigen Austausch etablieren. Der Seniorenbeauftragten lägen die Bedürfnisse älterer Menschen sehr am Herzen, sie wolle der Politikverdrossenheit, die auch bei Älteren bestünde, entgegenwirken. „Sowas soll ab jetzt unbedingt häufiger stattfinden, damit die Älteren unter uns wieder vernünftig an der Politik teilnehmen können“, sagt Dreifeld bestimmt.

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Sie ist es auch, die die Fragerunde eröffnet. Und dabei gibt sie den Ton vor: „Wird er jetzt arrogant?“, fragte sie bei der Eröffnung offenherzig ihren Bürgermeister und verleiht so der Sorge Ausdruck, dass der Bürgermeister sich von den Bürgerinnen und Bürgern entfernen könnte.

Christa Dreifeld, Rajko Kravanja und im Hintergrund Katrin Lasser-Moryson in Aktion.

Christa Dreifeld, Rajko Kravanja und Katrin Lasser-Moryson: Bei der Fragerunde sorgten sie dafür, dass keine Langeweile aufkam. © Sophia Wibbeke

Rajko Kravanja nimmt die Offenheit sportlich und betont, dass er auf Bürgerbeteiligung angewiesen sei. Er wolle nicht den Eindruck erwecken, sich zu distanzieren und entschuldigt sich dafür, dass es so wirkt. Mit typischem Ruhrgebiets-Charme lässt er an die Bürger redegewandt verlauten: „Sollte ich Sie mal auf der Straße nicht grüßen, will ich direkt einen ‚Schlach in‘ Nacken‘“.

Angeregte Atmosphäre

Auf diesen muss er jedoch gar nicht bis zur nächsten Begegnung auf der Straße warten. Denn die Gäste haben ganz offensichtlich vor, ihn intensiv zu grillen. Das große Thema: leben und wohlfühlen in Castrop-Rauxel.

Gut vorbereitet, spricht der Bürgermeister ein für die Gäste wichtiges Thema an, wie sich über die Dauer des Abends noch herausstellen wird: Kopfsteinpflaster in der Altstadt. Ein Zustand, der deshalb so katastrophal ist, weil gerade ältere oder behinderte Menschen mit Rollator oder Rollstuhl sich dort nicht fortbewegen können.

Wie sehr Kravanja mit dem Thema ins Schwarze trifft, ist für alle deutlich zu hören: „Geh‘ da doch erst mal selbst mit dem Rollator lang, bevor du hier einen erzählst“, ertönt mitten im Satz eine aufgeregte Herrenstimme aus der letzten Reihe.

Es folgt eine dem Raunen nach zu urteilen unbefriedigende Antwort: Die Steine seien Teil eines Kunstwerkes. Das bleibe so.

Verschlechterung der Lebensqualität im Alter

Infrastrukturprobleme dominieren weiter die äußerst belebte Fragerunde: Auf das Thema mit dem Kopfsteinpflaster aufbauend, verlangt eine Seniorin aus Rauxel einen Plan dafür, wie man ältere Herrschaften wieder besser an die Gesundheitsversorgung anbinden kann: „In Rauxel ist keine Apotheke. Was müssen wir also machen? Genau, in die Innenstadt. Und wo das Problem ist, haben wir gerade gehört.“

Mangelnde Offenheit kann man Bürgermeister Rajko Kravanja nicht vorwerfen. Er antwortet klar, auch wenn die Antwort negativ ausfällt: „Ich glaube nicht, dass da in Zukunft ein Apotheker hinkommt, so sehr ich es mir wünschen würde“, prophezeit er.

Genauso sähe es beim Thema Straße und Verkehr aus, wie wir im Verlauf der Fragerunde erfahren. „Es ist jedes Mal das Gleiche, wir haben kein Geld“, kommentiert Kravanja den schlechten Zustand der Straßen, „und je länger wir nur die Straßen flicken, desto teurer wird irgendwann die Grundsanierung.“

Positiver Abschluss

Doch gibt es auch Positives: So werde nun von Seiten der Polizei ein Plan gegen sich treffende Raser erarbeitet, damit etwaige Probleme mit einer möglichen Tunerszene – vor allem am Biesenkamp und am West-Center – gar nicht erst entstehen.

Es kommt zu einem abrupten Wechsel: Der Bürgermeister muss plötzlich weg, seine Parteigenossin und Stellvertreterin Katrin Lasser-Moryson übernimmt das Mikrofon. Sie ergänzt ein Mobilitätskonzept, das sie schlicht Bürgerbus nennt. Sie möchte eine Art Buslinie – „zum Beispiel eine Nord-/Süd- oder eine Ost-/West-Verbindung“ – einrichten, die immobileren Bürgern den Alltag erleichtern soll.

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Damit wird die Fragerunde beendet. Die Gäste empfinden die Runde trotz der ernsten Stimmung äußerst positiv. Während die Stimmung bei Currywurst und Kaltgetränken wieder ausgelassener wird, fragen wir Lasser-Moryson nach einem Feedback. Sie und Christa Dreifeld vereinbaren das Ziel, dieses Angebot dreimal im Jahr anzubieten.