„High everyone!“ steht als Begrüßung auf der Website. André Lattner, einer der Macher des Vereins, begrüßt uns am Zugangstor. Der Cannabis-Club Castrop-Rauxel Powerflower steht kurz vor der ersten Ernte und der ersten Ausgabe der 2024 in Deutschland legalisierten Droge. Zeit für einen Besuch bei einer der Anbau-Vereinigungen, die in ganz Deutschland im Zuge der Legalisierung entstanden sind. Die Vorfreude, sagt er, ist groß. Die Anspannung. Und Probleme? Ja, die gibt es auch.
André Lattner ist einer von sechs Köpfen, die sich diesem Projekt mit Haut und Haaren verschrieben haben. Er zeigte uns die Räume, die Pflanzen und erklärt das Prinzip.
„Der Verein weist ausdrücklich darauf hin, dass Cannabis mit äußerster Vorsicht zu genießen ist“: Hinweise wie dieser auf der Website sind gesetzlich vorgeschrieben. Beim Zutritt in das Hinterhof-Gebäude am Südring in Datteln ist ein Schild am Eingang nicht zu übersehen: Alkohol verboten. Das Rauchen von Joints ist scharf reglementiert: Wird auf dem Gelände oder in dem Gebäude eines Cannabisclubs jemand beim Kiffen erwischt, kostet das mindestens Tausende Euro Strafe, geht aber bis hin zur Schließung des Clubs.
„Bitte beachten Sie die gesetzlichen Bestimmungen sowie mögliche gesundheitliche Risiken im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabisprodukten“, ist auf der Website zu lesen, findet sich aber immer auch in den offiziellen Verlautbarungen des Vereins. Werbung schalten darf ein solcher Social Club nicht. Auch bei Social Media hält sich der CSC Castrop (Instagram) zurück: Er hat zwar 1200 Follower, aber erst zwölf Beiträge veröffentlicht. Öffentlichkeitsarbeit über die Presse ist aber natürlich erlaubt. Darum werden wir eingeladen.

Darum war der Club offen für einen Fernsehbeitrag der ARD in der Haupt-Nachrichtensendung, der Tagesschau um 20 Uhr. Die bundesweite Ausstrahlung sei wie ein Inkubator gewesen für den Verein, den ersten lizenzierten Club dieser Art im Ruhrgebiet und den zweiten in NRW. Danach meldeten sich viele neue Mitglieder an, schon weit bevor die erste Ernte in der Anbauvereinigung anstand. Auch anderweitig entstanden viele Kontakte, die in Zukunft noch helfen werden.
„Wir haben aber viele Mitglieder wieder verloren“, sagt André Lattner, als er uns durch das farbenfroh besprayte Treppenhaus in Urwald-Optik und durch die fünf Räume führt, in denen Hunderte Hanfpflanzen wachsen. Warum? „Es waren zahlreiche Leute darunter, die sich online registriert und angemeldet haben, wo der Beitragseinzug aber nicht gelaufen ist“, so Lattner. Säumige Zahler also, aus welchem Grund auch immer. Clubmitglied werden kann man ab 21 Jahren. Die Aufnahmegebühr beträgt 100 Euro, der monatliche Beitrag 20 Euro. Rund 120 Mitglieder sind nach den Bereinigungen geblieben.
1 Gramm kostet 5 bis 12 Euro
Für die steht nun bevor, warum sie vermutlich in den Club eingetreten sind: Im März oder April ist die erste Ausgabe. Lattner und Kollegen bauen gerade an der Ausgabestelle, die im Erdgeschoss eingerichtet wird. Die Theke machen sie aus Europaletten. Ausgegeben werden dann bis zu 50 Gramm pro Vereinsmitglied. Dabei wird 1 Gramm für 5 bis 12 Euro angeboten, je nach Sorte, also je nach Geschmack und Wirkstoffgehalt. Am Ende darf ein Club 500 Mitglieder haben, also in Summe maximal 25 Kilogramm getrocknete, konsumfertige Blüten produzieren. Im Monat.

Darum gibt es eine Art „Kammersystem“ beim Cannabis-Club: Im Keller des Gebäudes sind fünf Anbau-Räume untergebracht. Sie haben keine Fenster, das Licht kommt aus den LED-Lichterhimmeln, die über den Pflanzen hängen. Im ersten sind die Pflanzen fast erntereif, im vierten noch sehr jung. Und im fünften stehen Mutterpflanzen, von denen neue Stecklinge genommen werden.
Alle Räume sind komplett mit Alufolie verkleidet, um einen optimalen Lichtertrag zu gewährleisten. Dazu sind sie gleichbleibend temperiert, zwischen 21 und 25 Grad in etwa. Ein komplettes Lüftungs- und Entlüftungssystem ist ebenso installiert wie eine Bewässerungsanlage inklusive Wasserfilter. Das alles kostet Tausende Euro: für die Installation sowieso, aber auch für den hohen Verbrauch von Strom und Wasser.
Es ist wie ein klinisch überwachtes Gewächshaus: Man kommt nur in Extra-Galoschen rein. Die gelben Fliegen-Sticker hängen nur zur Kontrolle in den Räumen. Sie sind frei von Insekten, weil hier einfach keine herumschwirren. Was im Wasser ist, das man den Pflanzen in das schaumstoffartige Substrat einträufelt, weiß man sehr genau: Erst wird es aufwendig gefiltert und dann mit Dünger und Mineralien angereichert, genauso, wie man es braucht.

„Wir wollen Leute mit einem Feinschmecker- und Qualitätsanspruch bei uns haben“, erzählt André Lattner beim Rundgang. Der Mitgliederschwund sei zwar finanziell sicher schwierig, aber auch ein gewisser Selbstreinigungsprozess. Man will Leute weg vom Schwarzmarkt holen, die genau wissen wollen, was sie konsumieren.
Am Ende soll daraus ein Wirtschaftsunternehmen werden, auch wenn der freie Verkauf von Cannabis nicht erlaubt ist, sondern nur die Abgabe an Mitglieder zu deren Eigenkonsum: „Unser Ziel ist 30 Vollzeitstellen. Das können wir erreichen, wenn wir bis zu 250.000 Euro Umsatz im Monat erzielen“, sagt Lattner. Rechnerisch wäre das bei Vollauslastung möglich. Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg.
Die Blüten in einem der Anbau-Räume sehen schon gut gereift aus. In Kürze werden sie geerntet. Dann kommt noch die Trocknung. Auch die geschieht nicht irgendwie auf einer Heizung oder unter einer Lampe, sondern klinisch nach genauen Messwerten. Hier wird nichts dem Zufall überlassen.
Auch bei der Gesundheitsvorsorge nicht: André Lattner sagt, man werde Aufklärungs-Kurse für Eltern anbieten. Für jeden Vater und jede Mutter sei doch besser, sie wüssten, dass die Kinder ihr Gras von hier beziehen, als unter einer dunklen Brücke von Dealern, die auch noch härteres Zeug dabei haben. Klar ist aber auch beim Joint-Genuss: Der Wirkstoff THC dockt im Körper an Rezeptoren an, die in verschiedenen Organen sitzen. Regelmäßiger Cannabiskonsum kann negative Folgen haben: Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Beispiel, eine gestörte Fruchtbarkeit bei Männern oder Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt. Bei Jugendlichen wird möglicherweise die Entwicklung des Gehirns gebremst.

Der Club plant Anbau-Seminare für Jedermann. Dass Lattner und Co. dafür Fachleute sind, hört man aus jedem Satz heraus, den der ausgebildete Zierpflanzen-Gärtner spricht.
Jetzt habe er sich jedenfalls einen Traum erfüllt: Er reduzierte seine Stunden beim Arbeitgeber in Wattenscheid, um sich voll und ganz seinem eigenen „Baby“, dem Cannabis-Club, widmen zu können. Lattner und viele andere sind mehrere Tage die Woche in Datteln: Sie arbeiten an ihren Lieblings-Pflanzen. Dafür brennt André Lattner. „Die Pflanze ist so vielseitig“, sagt er und seine Augen strahlen dabei. Die eines Castrop-Rauxelers, der schon Zehntausende Euro in den Club investierte. Einer, der sagt, er trinke überhaupt keinen Alkohol.
