„Ich bin gnadenloser Optimist und ich vertraue auf die Bevölkerung in Castrop-Rauxel, dass man immer noch mit Augenmaß vorwärts geht und nicht gleich alles übers Knie bricht“, sagt Bürgermeister Rajko Kravanja im Interview.

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Kravanja mahnt Bevölkerung: Neue Corona-Freiheiten mit Augenmaß nutzen

rnInterview

Ab Montag gelten Erleichterungen des Corona-Lockdowns. Im Interview schaut Castrop-Rauxels Bürgermeister Rajko Kravanja optimistisch nach vorne, ruft aber auch zur Vorsicht auf.

Castrop-Rauxel

, 08.03.2021, 05:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Die neue Coronaschutzverordnung des Landes NRW legt fest, wie die Corona-Regeln ab Montag (8. März) aussehen werden. Im Interview mit unserer Redaktion hat Castrop-Rauxels Bürgermeister Rajko Kravanja am Freitagnachmittag erläutert, warum er die damit einhergehenden Lockerungen für sinnvoll hält und warum er optimistisch ist – ruft aber gleichzeitig die Castrop-Rauxelerinnen und Castrop-Rauxeler zur Vorsicht auf.

Herr Kravanja, mit der neuen Coronaschutzverordnung ist klar, dass für weitere Corona-Lockerungen die Inzidenz der Neu-Infektionen des Landes NRW entscheidend ist und nicht die des Kreises Recklinghausen. Nun liegt die Inzidenz des Kreises deutlich niedriger als die in NRW. Finden Sie es trotzdem gut, dass für uns der Landeswert gilt?

Wenn man mal zwei Wochen zurück guckt, dann war die Inzidenz des Kreises Recklinghausen ja deutlich über der des Landes, insofern ist das immer eine Momentaufnahme. Grundsätzlich ist es logisch und sinnvoll, dass man bei Öffnungsschritten, die Einzelhandel und andere Dinge betreffen, NRW-weit vorgeht und nicht auf den Kreis Recklinghausen runtergebrochen.
Ich bin froh, dass wir erst mal klarere Regeln haben, und nicht in der Luft hängen.

Um die Regeln mal zusammenzufassen: Ab Montag können etwa Buchhandlungen und Gartenmärkte zusätzlich öffnen und der gesamte restliche Einzelhandel, der seit Mitte Dezember geschlossen ist, darf nach den Grundsätzen des sogenannten Click and Meet öffnen. Kunden können sich vorher melden, einen Termin vereinbaren und dann kurz in den Laden zum Einkaufen.

Ja, so ist das. Natürlich ist das nicht einfach nachzuvollziehen. Das, was auf dem Tisch liegt, ist ein Angebot, ein nächster Schritt. Ich bin dankbar und teile es auch, dass man diese Öffnungsschritte langsam geht. Wir haben gelernt, dass gerade die britische Mutation, die auch bei uns im Kreis da ist, unberechenbar ist. Insofern: langsame Öffnungsschritte und das Click and Meet sind genau richtig, um das zu testen. Nichts wäre schlimmer, als wenn wir die Notfallbremse [ab einer Inzidenz von mehr als 100 würden Öffnungen wieder rückgängig gemacht, d. Red.] direkt wieder aktivieren müssten. Das würde uns alle nur unglücklich machen.

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Es gibt nicht wenige, die sagen, die Öffnungen kommen zu früh und wenn es so weitergeht, werden wir Anfang April wieder bei über 100 sein...

Einen Öffnungsschritt finde ich richtig. Ich hätte mir vielleicht noch andere Indikatoren gewünscht, nicht nur die Inzidenz, sondern auch die Zahl der belegten Krankenhausbetten. Aber der Beschluss der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten beruht ja auf zwei Säulen, und das begrüße ich ausdrücklich: der Frage des Impfens und der Frage des Testens. Diese beiden Dinge standen uns vor Monaten noch nicht in der Masse zur Verfügung, wie sie jetzt oder in den nächsten Wochen zur Verfügung stehen. Und mit dem Konstrukt kann man langsame Öffnungsschritte gehen, aber eben langsame und nicht alles auf einen Rutsch. Es heißt langsam vorangehen und dann nicht sieben Schritte zurück.

Wir wollen gar nicht allzu viel zurückschauen und darüber reden, was in der Vergangenheit vielleicht hätte besser gemacht werden können. Wenn wir vorausschauen: Glauben Sie, dass die Behörden vom Bund bis zu den Städten gerüstet sind, für das was jetzt kommt, etwa die zusätzlichen Impfmöglichkeiten bei Hausärzten oder die zusätzlichen Test-Auswertungen? Wo sehen Sie am ehesten Defizite?

Defizite sehe ich bei der digitalen Abwicklung des Ganzen. Es geht um schnelle Nachverfolgbarkeit. Wir müssen ein Stück weit ein Leben mit dem Virus ermöglichen. Das geht auch, weil wir die Möglichkeiten haben, also Tests und Impfungen, die immer mehr zunehmen werden. Da ist noch eine Menge zu tun, sowohl was die Gastronomie, den Einzelhandel als auch uns als Verwaltung angeht, aber auch die technische Seite. Dass es jetzt vorwärts geht mit den Impfungen und den Tests ist schon mal ein gutes Zeichen.

Ab dem 15. März wird es weitere Schulöffnungen geben, zum Beispiel mehr Wechselunterricht in den weiterführenden Schulen. Wie zuversichtlich sind Sie, dass das gut läuft?

Da gilt das Gleiche. Ich bin wirklich, wirklich dankbar, dass es inzwischen nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Nicht nur Schulen ganz zu oder Schulen ganz auf. Dagegen hatte sich die Landesregierung lange gewehrt, Zwischenschritte wie den Wechselunterricht zu machen.

Ich halte das für genau richtig, da auch in langsamen, kleinen Schritten vorwärts zu gehen und zu schauen, wie entwickeln sich die Inzidenzen, wie entwickeln sich die Infektionen. Ich finde es genau richtig, erst mal der Sekundarstufe I und den Anfangsklassen der Oberstufe die Möglichkeit zu geben, im Wechselunterricht in festen Gruppen wieder in die Schule zu kommen. So kann man die Entwicklung viel besser beobachten.

Wie optimistisch sind Sie, dass wir den Plan der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten mit den konkreten Öffnungsschritten durchziehen können? Ich merke es im privaten Bereich, dass Sportgruppen schon wieder ausrechnen, ob sie am 25. März oder 8. April wieder trainieren können. Wie groß ist in Ihren Augen das Aber: „... nur wenn die Inzidenz niedrig bleibt“?


Das ist der große, große Knackpunkt, immer bei uns Menschen. Wenn wir die Möglichkeit haben, Öffnungen vornehmen zu können, heißt das immer, dass die Verantwortung auf uns als Einzelpersonen übergeht. Und da gilt die große, große Überschrift: Nicht alles, was erlaubt ist, muss man auch tun. Und man muss es auch nicht sofort tun.
Deshalb: Ich bin gnadenloser Optimist und ich vertraue auf die Bevölkerung in Castrop-Rauxel, dass man immer noch mit Augenmaß vorwärts geht und nicht gleich alles übers Knie bricht.
Und auch bei den Tests, das ist mir eine Herzensangelegenheit: Ein Test ermöglicht wieder mehr Freiheiten, aber das heißt nicht, dass ich jetzt jedes Wochenende auf die nächste Party gehen muss, nur weil ich mich testen kann. Ja, ich kann mal wieder mit anderen beruhigter zusammensitzen, aber ich muss es nicht übertreiben.
Aber ich bin Optimist und ich glaube, das wird funktionieren, und ich hab die Hoffnung, dass wir die 100er-Grenze dann nie wieder reißen werden.

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