
© Tobias Weckenbrock
Brautpaar-Drama: Anklage gegen Ex-Serviceleiter auf Hof Niermann
Fast eine Viertelmillion Euro Schaden
Jetzt wird es ernst für einen Ex-Serviceleiter auf dem Hof Niermann: Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben - Dutzende Brautpaare sollen nach Strich und Faden betrogen worden sein.
Nach einer Serie von geplatzten Hochzeitsfeiern auf dem Hof Niermann in Waltrop hat die Staatsanwaltschaft jetzt Betrugs-Anklage gegen einen früheren Serviceleiter des Betriebs erhoben. Es geht um Dutzende heimliche Hochzeitsverträge, enttäuschte Brautpaare und einen Schaden von fast einer Viertelmillion Euro.
Der Angeschuldigte, ein offenbar wettsüchtiger Mann aus Selm, soll zahlreiche Hochzeits-Verträge mit Brautpaaren aus der Region, unter anderem aus Castrop-Rauxel, Datteln, Haltern, Herten und Wanne-Eickel, abgeschlossen haben. Die individuell vereinbarten Anzahlungen wurden laut Anklage planmäßig an den Hofinhabern vorbeigeschleust und flossen entweder in bar oder auf mehrere Privatkonten des 33-Jährigen. Teils auch auf Konten von engen Verwandten und auf das eines Bekannten, mit dem angeblich eine entsprechende Absprache zur Weitergabe des überwiesenen Geldes vereinbart worden sein soll. Insgesamt soll so ein Betrugsschaden von fast 230.000 Euro entstanden sein.
Geld soll für Sportwetten draufgegangen sein
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben zwischen dem 26. Juli 2020 und dem 5. Juli 2021 mindestens 64 Brautpaare auf Weisung des Angeschuldigten Geld an ihn selbst in bar übergeben beziehungsweise auf betriebsfremde Privatkonten überwiesen. Laut Anklage zahlten manche Paare vorab 400 Euro, manche 1000 Euro, manche 5000 Euro und ein Paar sogar mehr als 10.000 Euro. Das Geld soll der Angeschuldigte, so die Staatsanwaltschaft, fast ausnahmslos für die Finanzierung von Sportwetten verwendet haben. Als Gesamtschaden nennt die Anklage einen Betrag von 227.177 Euro.
Der damalige Serviceleiter auf dem Waltroper Hof Niermann an der Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel soll den Inhabern nicht nur praktisch jeden Vertragsschluss verschwiegen, er soll auch in keinem einzigen dieser Fälle überhaupt Anstrengungen zur Durchführung einer Hochzeitsfeier unternommen haben. Für manche Termine soll der mutmaßlich spielsüchtige Angestellte auf dem Hof Niermann sogar Mehrfachbuchungen platziert haben.
Hof-Inhaber reagierten bestürzt
Rückblick: Mitte Juli 2021 waren nach ersten Presseberichten binnen kürzester Zeit zahlreiche Strafanzeigen von mutmaßlich betrogenen Brautpaaren bei der Polizei eingegangen. Die Inhaber des Hofes hatten sich daran anschließend in einem Pressestatement bestürzt von den Betrugsvorwürfen gegen den Mitarbeiter gezeigt und versichert, dass ihnen weder die umstrittenen Verträge vorliegen noch diesbezügliche Gelder bei ihnen angekommen seien.
Im Dezember 2021 hatte Hof-Niermann-Anwalt Ralph Potthoff-Kowol am Rande eines Zivilverfahrens am Bochumer Landgericht bestätigt, dass der nun Angeschuldigte zwischenzeitlich am Herner Arbeitsgericht von dem Betrieb auf Schadenersatz verklagt worden ist. Eine der betroffenen Bräute hatte die Inhaber des Bauernhofes zivilrechtlich auf Rückerstattung ihrer Anzahlung (5500 Euro) verklagt. Eine gütliche Einigung war nicht zustande gekommen. Wie es damals im Prozess hieß, führe zur Klärung der Streitfrage an einer Zeugenvernehmung des jetzt Angeschuldigten kein Weg vorbei.
Prozess vor der 6. Wirtschaftsstrafkammer
Im Oktober 2021 hatte das Bochumer Amtsgericht einen Haftbefehl wegen Betrugs gegen den jetzt Angeschuldigten erlassen. Nach einer kurzzeitig erfolgten Festnahme des Ex-Serviceleiters wurde der Vollzug des Haftbefehls jedoch gegen Auflagen außer Kraft gesetzt.
Die Anklage lautet auf gewerbsmäßigen Betrug in insgesamt 65 Fällen, davon in einem Fall – in dem im Januar 2021 von einem Brautpaar offenbar noch kein Geld angewiesen worden ist – als Versuch. Der Prozess wird vor der 6. Wirtschaftsstrafkammer am Bochumer Landgericht stattfinden. Ein Termin steht aktuell noch nicht fest.