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Booster-Tempo im Kreis Recklinghausen: Der lange Weg bis zur Impfstelle
Coronavirus
Nur wenige Experten wussten, dass in das Thema Corona-Impfungen wieder derart Tempo kommt. Der Kreis Recklinghausen hat nun seine Strategie erklärt. Bleibt die Frage: Warum dauert das so lange?
Das Impfzentrum in Recklinghausen ist längst geschlossen und abgebaut. Doch hohe Impfkapazitäten sind wieder nötig, seit klar ist, dass eine Drittimpfung, ein Booster, empfohlen wird. Bald wohl auch für Unter-60-Jährige. Aber wie soll das gehen?
Dr. Holger Knapp spricht aus Erfahrung: 50 Menschen an einem Tag in seiner Praxis in Ickern zu boostern sei grenzwertig. Knapp hat das einmal gemacht, mit dem Boostern weicht er nun in die Impfkirche am Ickerner Markt und ins Impfzelt am Castroper Markt aus. Das Problem werden andere Arztpraxen auch haben, die einen weiterhin großen Ansturm an Patienten mit herbstlichen Infektionskrankheiten erleben.
Das Kreisgesundheitsamt plant darum die Einrichtung fester „Impfstellen“. Der Kreis folgt damit einem Erlass der NRW-Landesregierung. 14 Ärzte, von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) gestellt, stehen zur Verfügung. Doch darüber hinaus gebe es aber noch viele Fragezeichen, sagte Kreissprecherin Svenja Küchmeister am Dienstag (16.11.).
Abstimmungsgespräche mit den kommunalen Verantwortlichen
Wo sollen Impfstellen eingerichtet werden? Darüber zum Beispiel liefen gerade „Abstimmungsgespräche mit den kommunalen Verantwortlichen“, so Küchmeister. Am besten dort, wo ein Bedarf zusätzlich zur Versorgung durch die Arztpraxen bestehe. Ein leerstehendes Ladenlokal komme ebenso in Frage wie das Gebäude eines Wohlfahrtsverbandes.
Die Hygieneanforderungen müssten erfüllt sein, Corona-Bedingungen eingehalten werden: Nach Informationen unserer Redaktion braucht es Sanitäranlagen, Beheizung, barrierefreien Zugang, einen abgetrennten Bereich für die Aufbereitung des Impfstoffes durch Apotheker, einen Bereich für Aufklärungsgespräche, eine Stelle für die Registrierung der Impflinge.
Ein Wust an Regelungen, wie Dr. Holger Knapp mitbekam, als er vergangene Woche seine Idee mit dem Castroper Adventszelt bei einer Begehung mit dem Gesundheitsamt klärte. Sein Fazit: kompliziert. Einfach von seinem Impfstoff was mitzubringen, er habe genug in seiner Praxis gekühlt vorrätig, lehnte der Kreis ab: Man bestelle das lieber selbst, das dauere aber zwei Wochen, und man müsse Termine mit der koordinierenden Covid-Impfeinheit (KoCi) ausmachen.
Weiteres Personal benötigt
Mehr noch: Es werde weiteres Personal benötigt für den Betrieb der Impfstellen, so die Kreis-Sprecherin Svenja Küchmeister. Dafür kämen Mitarbeiter aus dem Impfzentrum infrage. Nach Klärung sieht das noch nicht aus.
In Castrop-Rauxel gibt es leere Ladenlokale. Von denen hat nach Informationen unserer Redaktion die Stadt welche angemietet, um eigene Ideen zu verwirklichen: Unter anderem ist eine Radstation in der Nähe des Bahnhofs Castrop-Süd geplant. Auch will man Start-Ups einen Einstieg in den Einzelhandel oder mit anderen Ideen erleichtern. Ein großer Teil der Miete wird anfänglich gefördert.
Der Kreis RE geht wohl davon aus, dass man in einer Stunde etwa zehn Impflinge je Impfstraße schaffe. In einer Impfstelle wie dem Adventszelt werden zwei Impfstraßen eingerichtet, dort aber eben nur an zwei Terminen, quasi als „Pop-Up-Impfstelle“. Holger Knapp, Arzt mit großer eigener Impferfahrung, meint: „Man kann ehrlich gesagt 30 Impfungen pro Stunde schaffen.“
Hochrechnung: Wie schnell müssten wir sein?
410.200 Menschen im Kreis RE gelten gerade als vollständig geimpft. 20.500 haben eine Booster-Impfung erhalten. Bleibt ein Rest von 390.000 Impfungen, allein für die Auffrischung. Zu Spitzenzeiten schaffte der Kreis mit Impfzentrum und Arztpraxen 40.000 Impfungen pro Woche. Das war im Mai. Man könnte also theoretisch bis Ende Januar fertig sein. Zurzeit schafft man rund 8500 Impfungen pro Woche. In diesem Tempo dauert es nicht 10, sondern über 40 Wochen.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.

Geboren 1960 in Haltern am See, aufgewachsen in Marl und jetzt wohnhaft in Dorsten: Ein Mensch, der tief verwurzelt ist im Kreis Recklinghausen und dort auch seit mehreren Jahrzehnten seine journalistische Heimat gefunden hat. Schwerpunkte sind die Kommunal- und Regionalpolitik sowie Wirtschafts- und Verbraucherthemen.