Meistens dringen zwei Täter in die Räume des Geldinstituts ein und bereiten dort alles vor. Dann wird Gas in einen Geldautomaten eingeleitet und per Fernzünder gesprengt. Dann räumen die Banden in kurzer Zeit das Bargeld aus und flüchten in Sportwagen.

Meistens dringen zwei Täter in die Räume des Geldinstituts ein und bereiten dort alles vor. Dann wird Gas in einen Geldautomaten eingeleitet und per Fernzünder gesprengt. Dann räumen die Banden in kurzer Zeit das Bargeld aus und flüchten in Sportwagen. © LKA NRW

Automatensprenger-Bande: Mögliche Beschaffer von Fluchtautos festgenommen

rnAudi-Bande

Polizei und Staatsanwaltschaft melden weitere Festnahmen bei Automatensprenger-Banden. Jetzt fassten sie zwei Männer, die wohl in die Beschaffung der Fluchtwagen involviert waren.

Henrichenburg / Münster

, 03.06.2022, 12:22 Uhr / Lesedauer: 2 min

Einsatzkräfte haben im Zusammenhang mit Geldautomatensprengungen zwei Menschen festgenommen. Am Freitagmorgen (3.6., 6 Uhr) gelang die Festnahme eines 22 Jahre alten Tatverdächtigen in Maassluis (Niederlande) und eines 36-jährigen Mannes in Halle (Westfalen). Das meldet die Polizei Münster am Freitag.

Beide Männer stehen im Verdacht, seit September 2021 bei mehreren Geldautomatensprengungen Hilfe geleistet zu haben. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, für Tatverdächtige hochmotorisierte Fahrzeuge der Marke Audi in dem Wissen und mit dem Ziel beschafft zu haben, sie zur Flucht nach Geldautomatensprengungen zu nutzen.

Der 36-jährige Tatverdächtige steht zudem im Verdacht, Sportwagen betrügerisch erlangt zu haben. Dem 22-Jährigen wird vorgeworfen an acht Taten beteiligt zu sein. Der 36-Jährige soll an sechs Taten (unter anderem in Ibbenbüren, Rheda-Wiedenbrück und Viersen) beteiligt gewesen sein.

In der Nacht zum 19. Mai hatte es die letzte Sprengung in einer Sparkassen-SB-Zone in unserer Region gegeben. In Henrichenburg wurde einer von mutmaßlich drei Tätern von den Polizisten vor Ort am Bein angeschossen. Er sitzt nach Behandlung im Evangelischen Krankenhaus nun in Untersuchungshaft. Die anderen beiden Männer konnten mit einem Audi RS7 flüchten. Der Wagen wurde in der Nacht in Recklinghausen-Suderwich verlassen aufgefunden.

22-Jährige soll Sportwagen überbracht haben

In einigen Fällen liegen laut Polizei und Staatsanwaltschaft konkrete Ermittlungsergebnisse zum Ablauf der Taten vor: Der nun ermittelte 22-Jährige soll die Fahrzeuge von Deutschland in die Niederlande überführt und sie dort Tätergruppen übergeben haben.

Sie reisten bisherigen Erkenntnissen zufolge nach Deutschland ein, montierten zum Teil kurz vor der Tat gestohlene Kennzeichen und fuhren zur Sprengung an unterschiedliche Orte. Meist lagen die Banken verkehrsgünstig und in der Nähe von Autobahnen.

Auch im Dortmunder Stadtteil Bodelschwingh, wo es am 28. März kräftig knallte, spielte sich das Geschehen, das unsere Redaktion sehr genau rekonstruieren konnte, so wie oft ab. Ein Täter sprang in das rollende Fluchtauto, wenig später waren die Männer damit schon auf der Autobahn.

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In den meisten Fällen machten sie Beute, einige Taten blieben im Versuch stecken. Die Schadenssumme der bekanntgewordenen Taten, an denen diese nun ermittelten Männer beteiligt gewesen sein sollen, liegt bei 810.000 Euro. Die Summe des bisher bekannten Schadens liegt bei mehr als 1 Million Euro.

Tatverdächtige vor dem Haftrichter

Bereits im Vorfeld der Festnahmen erwirkte die Staatsanwaltschaft Münster Haftbefehle unter anderem wegen des Verdachts der Beihilfe zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion. Beide Tatverdächtige werden nun einem Haftrichter vorgeführt.

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Die verdeckten Ermittlungen der Automatensprenger-Kommission führten bereits zu mehreren Festnahmen: Am 23. März konnten drei Tatverdächtige in Meckenheim kurz vor einer Tat festgenommen werden. Am 25. Mai wurden zwei Tatverdächtige nach einer Sprengung in Rheinland-Pfalz auf der Flucht in Belgien (Eupen) festgenommen. Die Ermittlungen des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz und der Staatsanwaltschaft Mainz dauern dazu an.

Die Sparkasse Henrichenburg wurde am 19.5. gesprengt. Drei Männer waren an der Tat beteiligt, einer wurde angeschossen und anschließend festgenommen. Zwei flüchteten mit einem Audi RS7.

Die Sparkasse Henrichenburg wurde am 19.5. gesprengt. Drei Männer waren an der Tat beteiligt, einer wurde angeschossen und anschließend festgenommen. Zwei flüchteten mit einem Audi RS7. © Tobias Weckenbrock

Alle Ermittlungen werden kanalisiert in der „EK Heat“, einer Ermittlungskommission, die explizit auf diese Taten spezialisiert ist. Das Landeskriminalamt NRW schätzt zusammen mit der niederländischen Polizei den Kreis derer, die der niederländisch-marokkanischen Bande angehören, auf rund 500 bis 700 Personen.

Im Fall Henrichenburg läuft nach Aussage der Kreispolizeibehörde Recklinghausen die Auswertung der Spuren am Tatort. Auch Zeugenhinweise wie der eines direkten Anwohners spielen dabei eine Rolle.

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Zur Sache: Automatensprengungen

  • In Deutschland wurde erstmals 2005 in Köln ein Geldautomat (GAA) durch Einleiten und Zünden explosiver Gasgemische gesprengt.
  • Einen deutlichen Anstieg der Fälle verzeichnet NRW seit 2015, weil sich dieses Phänomen durch Verdrängung aus den Niederlanden in das deutsche Grenzgebiet in den Raum Aachen verlagerte.
  • Die niederländische Polizei hatte mit den dortigen Banken (insgesamt vier Bankinstitute) ein umfangreiches Präventionskonzept zur Sicherung von Geldautomaten erarbeitet und so die Tatgelegenheiten erheblich minimiert.
  • In den vergangenen Jahren verlagerte sich das Geschehen aus Grenznähe immer weiter ins Landesinnere.