Mit zwei gewaltigen Explosionen sprengten Unbekannte in der Nacht zu Montag einen Geldautomaten der Sparkasse auf der Deininghauser Straße.

© von Schirp, dpa: Montage: Martin Klose

Rekonstruiert: So sprengte das Gangster-Trio die Sparkasse Bodelschwingh

rnGeldautomat geknackt

Drei Täter sprengen einen Geldautomaten – nur vier Minuten dauert es, dann flüchten sie. Berichte von Zeugen erlauben jetzt eine Rekonstruktion der Tat. Und das LKA nennt noch eine Besonderheit.

Bodelschwingh

, 31.03.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Drei unbekannte Täter haben am Montag (28.3.), eine dreiviertel Stunde nach Mitternacht einen Geldautomaten gesprengt. Anwohner haben die Tat teilweise auf der Straße verfolgt. Drei Seniorinnen riss die Detonation aus dem Schlaf. Sie leben in einer Wohngemeinschaft – nur durch eine Mauer vom Standort des Geldautomaten getrennt. Neue Erkenntnisse über den Stand der Ermittlungen teilt die Dortmunder Polizei bis Mittwoch (30.3.) nicht mit.

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Mehrtägige Recherchen dieser Redaktion lassen eine Rekonstruktion des nur rund vier Minuten dauernden Tatablaufes zu. Das Landeskriminalamt gibt auf Anfrage Einschätzungen zur Tat ab und die Sparkasse Dortmund hat unter anderem Angaben zur Höhe der Beute gemacht.

Durch das nächtliche Bodelschwingh flüchteten die Täter wahrscheinlich zur nur zwei Kilometer entfernt liegenden Autobahnanschlusstelle.

Durch das nächtliche Bodelschwingh flüchteten die Täter wahrscheinlich zur nur zwei Kilometer entfernt liegenden Autobahnanschlusstelle. © dpa, von Schirp, privat; Grafik Klose

Es ist 0.45 Uhr in der Nacht, als ein schwarzer Kombi die Deininghauser Straße in südlicher Richtung befährt und vor dem SB-Center der Sparkasse hält. Ein Auto-Kenner ist sich sicher, dass es sich um einen Audi A4 oder A6 handelt. Der Wagen hält, zwei Männer steigen aus. Sie sind schwarz gekleidet und tragen Stirnlampen. Augenzeugen beschreiben sie als muskulös und sportlich.

Wachdienst war gerade anderswo

Der Fahrer fährt weiter zur Straße Zur Hunnenboke, die zur historischen Schlosskirche führt. Er setzt den Kombi rückwärts in den Einmündungsbereich. Währenddessen versuchen die beiden anderen Täter die Tür zum Servicebereich zu öffnen. Dumpfe Schläge wecken die Aufmerksamkeit der Anwohner. Einige sitzen beim Gespräch im Wohnzimmer, andere sehen Fern oder hören Musik.

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Mit einem Vorschlaghammer verschaffen sich die beiden Täter Zugang zum SB-Bereich. Dort steht rechts im Raum ein Geldautomat, links ein Terminal für Überweisungen und Kontoauszüge. Als Sicherung, unter anderem vor Automatensprengungen, ist die SB-Filiale, wie andere kleinere Servicestellen auch, von 0 bis 5 Uhr abgeschlossen. Das bestätigt eine Sparkassen-Sprecherin auf Anfrage.

In den Nachtstunden sorgt ein Wachdienst für zusätzlichen Schutz. Er ist einigen Bodelschwinghern in der Vergangenheit aufgefallen – ohne zu wissen, was der Unbekannte im Auto mitten in der Nacht und mitten im Dorf macht. In dieser Nacht ist er zur Tatzeit nicht vor Ort. „Der Sicherheitsdienst ist für zwei Filialen zuständig und war zu dem Zeitpunkt unterwegs“, erklärt die Pressestelle der Dortmunder Sparkasse.

Laut Aussage eines Anwohners haben sich die Täter während der Sprengung in dieser Einfahrt versteckt.

Laut Aussage eines Anwohners haben sich die Täter während der Sprengung in dieser Einfahrt versteckt. © Uwe von Schirp

Nach dem Aufbrechen der Tür suchen die beiden Täter Schutz in einer Einfahrt zwischen einem Fachwerkhaus und dem SB-Center. Ein erster Sprengsatz detoniert. Scheiben zerbersten, Metallteile fliegen über die Deininghauser Straße. Um 0.46 Uhr geht der erste Notruf bei der Dortmunder Polizei ein. Eine Reihe weiterer folgen. Anwohner berichten, dass die Leitung zwischenzeitlich besetzt ist.

Zeugen erkennen Teile des Auto-Kennzeichens

Das Tatfahrzeug rollt von der Einmündung vor die Sparkassen-Filiale. Der Fahrer steigt aus und öffnet die Heckklappe. „Er wirkte absolut ruhig, null nervös“, sagt ein Bodelschwingher. „Es sah aus, als komme er vom Einkaufen.“ Der Fahrer setzt sich hinter das Steuer und fährt in die Einmündung Zur Hunnenboke zurück. Offenbar hatte der erste Sprengsatz nicht zum Ziel geführt.

Der alte Bodelschwingher Ortskern. Wo jetzt eine Holzplatte die Fassade abdeckt, stand zuvor das SB-Center. Die Straße Zur Hunnenboke führt zur Schlosskirche. In der Einmündung wendete der Fahrer das Tatfahrzeug und wartete die Sprengungen ab.

Der alte Bodelschwingher Ortskern. Wo jetzt eine Holzplatte die Fassade abdeckt, stand zuvor das SB-Center. Die Straße Zur Hunnenboke führt zur Schlosskirche. In der Einmündung wendete der Fahrer das Tatfahrzeug und wartete die Sprengungen ab. © Uwe von Schirp

Die zweite Detonation zerstört das SB-Center komplett. Eine dichte Staubwolke liegt über der Deininghauser Straße. Das Tatfahrzeug rollt erneut vor die Filiale. Der Fahrer öffnet die hinteren Türen. Die beiden anderen Täter pendeln zwischen dem zerstörten Automaten und dem Auto. Sie werfen die Beute ins Auto. Der Fahrer bleibt hinter dem Steuer.

Trotz Dunkelheit, Staubwolke und Gegenlicht von den Scheinwerfern können Augenzeugen Angaben zum Kennzeichen des Kombi machen. Übereinstimmend nennen sie „KR“ als erste Buchstaben des Kennzeichens. Ein Zeuge ist sich sicher, ein deutsches Kennzeichen mit Zulassungsort Krefeld erkannt zu haben. Ein anderer vermutet ein polnisches Nummernschild mit Zulassungsort Krakau.

Die Täter handeln schnell. Mehrere Zeugen hören, dass sie gebrochenes Deutsch miteinander reden. Sie mahnen zur Eile. „Yalla, yalla, yalla“, rufen sie. Übersetzt aus dem Türkischen und Arabischen heißt das „schnell, schnell, schnell“ oder auch „Beeilung, Beeilung, Beeilung.“ Nach „vielleicht höchstens vier Minuten“, so ein Zeuge, lässt der Fahrer das Tatfahrzeug anrollen. Die beiden anderen Täter rennen los, springen ins Auto. „Das war wie im Film.“

Zeugen gehen Risiko ein

Auf der Straße sind mittlerweile „bestimmt zehn Menschen“, berichtet eine Anwohnerin. Sie stehen vor ihren Häusern oberhalb des Tatorts auf der Deinighauser Straße. Einige junge Männer kommen von unten die Straße herauf. Sie sind wertvolle Zeugen, gehen aber auch ein Risiko ein. Es handele sich immerhin um Täter aus dem Bereich der Schwerkriminalität, erklärt das Landeskriminalamt (LKA) auf Anfrage.

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„Sie handeln in jeder Phase der Tatbegehung stark konspirativ und rücksichtlos.“ Die Polizei sei hier dankbar für die Unterstützung durch Zeugenhinweise aus der Bevölkerung. „Es wird an der Stelle jedoch darauf hingewiesen, dass die Zeugen einer solchen Straftat sich nicht in Gefahr bringen sollten, indem sie die Konfrontation oder den Kontakt zu den Tätern suchen“, erklärt eine LKA-Sprecherin.

In der Nacht sicherte die Polizei am Tatort die Spuren und führte erste Zeugen-Befragungen durch.

In der Nacht sicherte die Polizei am Tatort die Spuren und führte erste Zeugen-Befragungen durch. © Helmut Kaczmarek

In der Ferne ist bereits das Martinshorn der Polizei zu hören. Die Täter fliehen in Richtung Norden – mutmaßlich über die Richterstraße und Königshalt zur Autobahnauffahrt Bodelschwingh und von dort über die A45 oder A42. Sie erbeuten „einen Betrag in fünfstelliger Höhe“, erklärt die Sparkasse Dortmund am Dienstag.

SB-Center komplett zerstört

„Wenige Minuten“ nach dem Notruf sei der erste Streifenwagen am Tatort eingetroffen, erklärt die Dortmunder Polizei auf Anfrage. „In den Einsatz und vor allem in die direkt folgende Fahndung waren unmittelbar mehrere Streifenwagen sowie ein Hubschrauber mit eingebunden.“ Zur Anzahl der eingesetzten Streifenwagen, zu ihren Anfahrtswegen und zu den Fahndungsmaßnahmen kann sie „aus einsatztaktischen Gründen“ keine Angaben machen.

Für die Spurensicherung leuchtete die Feuerwehr die Deininghauser Straße vor dem zerstörten SB-Center aus.

Für die Spurensicherung leuchtete die Feuerwehr die Deininghauser Straße vor dem zerstörten SB-Center aus. © Helmut Kaczmarek

Die Feuerwehr leuchtet den Tatort aus. Die Polizei sichert Spuren, befragt erste Zeugen. Am Montagmorgen räumt eine Schlosserei die Trümmer des komplett zerstörten SB-Centers ab. Die Arbeiten dauern bis in den Nachmittag. Eine Baufirma schraubt Holzplatten vor die Fassade. „Ein Gebäudeschaden ist vorhanden“, erklärt die Sparkassen-Pressestelle. „Die Schadenssumme ist noch nicht bekannt.“

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Aufräumarbeiten nach der Automatensprengung in Dortmund-Bodelschwingh

In der Nacht zum Montag ist ein Sparkassen-SB-Terminal mit Geldautomat gesprengt worden. Am Morgen danach wurden gleich die Trümmer entfernt.
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Am frühen Montagmorgen und am Dienstag setzen Ermittler der Kriminalpolizei Befragungen von Zeugen fort. Unterwegs sind sie auch im Unterdorf, einige hundert Meter vom Tatort entfernt. Jeder Hinweis zählt. Die Dauer der Tat und das Vorgehen lassen Rückschlüsse auf eine genaue Kenntnis des Tatorts zu.

Früher Tatzeitpunkt

Es gibt kaum einen Zweifel, dass die Täter vor der Tatnacht sich bereits in Bodelschwingh aufgehalten haben. „Wir bitten Zeugen, die sich noch nicht gemeldet haben, aber verdächtige Beobachtungen gemacht haben, sich zu melden“, erklärt eine Polizeisprecherin.

Vom SB-Center blieb nur ein Haufen Schrott, den ein Schlossereibetrieb am Montagnachmittag abtransportierte.

Vom SB-Center blieb nur ein Haufen Schrott, den ein Schlossereibetrieb am Montagnachmittag abtransportierte. © Uwe von Schirp

Die Polizei Viersen vermeldet noch in der Nacht zu Montag eine weitere Geldautomaten-Sprengung im Viersener Stadtteil Dülkel. Ob es einen Zusammenhang zwischen den beiden Taten gibt, kann das LKA am Mittwoch noch nicht sagen. In die Ermittlungen ist wie bei allen Automatensprengungen die landesweite Ermittlungskommission „Heat“ eingebunden.

Sie arbeitet mit regionalen, überregionalen und auch mit niederländischen Strafermittlungsbehörden zusammen. Ungewöhnlich sei die Tatzeit um 0.45 Uhr. Gewöhnlich finden diese Straftaten zwischen 2 und 5 Uhr in der Nacht statt. „Erklärungen hierzu können sich nur durch die weiteren Ermittlungen ergeben“, schreibt das Landeskriminalamt.