Auffenberg, Kortmann, Vieting und der Kampf der Bäcker ums Überleben
Wirtschaftskrise
Drei Handwerks-Bäckereien aus Castrop-Rauxel schlagen Alarm: Wenn es so weiter geht, können wir nicht überleben! Mittwoch ließen sie in ihren Läden das Licht aus und rechneten ihre Kosten vor.
Wenn man Isabel Auffenberg (38) etwas fragt, ist sie kaum zu stoppen. Besonders dann, wenn es, wie sie sagt, um ihre Existenz geht. Um die Zukunft ihrer Kinder, die einmal das Familienunternehmen weiterführen sollen. Sie initiierte eine Aktion in Castrop-Rauxel, an der sich auch die anderen zwei Handwerks-Betriebe beteiligten, die es in der Stadt noch gibt, beteiligten. „Noch“ ist dabei DAS Stichwort. Denn alle drei sagen: Wenn uns nicht geholfen wird, sind wir bald am Ende.
„Wenn ich an Normalverdiener denke, die jeden Tag beim Bäcker frisches Brot und Brötchen einkaufen: Die können das bald nicht mehr“, klagt Isabel Auffenberg. „Wenn wir unsere Brote für 7 oder 8 Euro verkaufen müssen, dann verlieren wir unsere Kunden.“
Brötchenpreise stiegen zuletzt auf 34 bis 38 Cent
Dabei habe Auffenberg zuletzt noch die Preise erhöht: Das Weizenbrötchen gibt es in den sechs Filialen in Ickern, Henrichenburg, Castrop und Huckarde für 38 Cent. Bei Kortmann ist es ebenso teuer, bei Vieting kostet es 34 Cent.
„Wenn wir Kunden verlieren“, sagt Isabel Auffenberg, Mutter zweier Schulkinder, „dann steht unsere Existenz auf dem Spiel“. Im Moment gehe es der Familie gut, sie habe gute und loyale Mitarbeiter unter den 65 Angestellten. Aber ohne eine 70-Stunden-Woche ihres Mannes käme man nicht hin.
„Aber: Ende offen, und das ist ja die Sorge. Wir wissen nicht, wie unsere Kosten weiter steigen“, sagt sie und gibt das Wort an den Finanz-Verantwortlichen Alexander Auffenberg mit dem Hinweis weiter, dass der Zucker schon das Dreifache kostet. Das Heiz-Öl für die Öfen sei doppelt so teuer wie vor zwei Jahren, rechnet der vor. Gas sei nicht kalkulierbar. Strom beziehe man bei den bisher loyalen und fairen Stadtwerken.
Der größte Faktor aber seien Rohstoffpreise: Das Mehl gibt es zum doppelten Preis. „Da ist auch nichts zu machen, keine Mühle, kein Bauer verhandelt“, sagt Alexander Auffenberg. 40.000 Euro zusätzliche Kosten im Jahr. Alternativlos, wenn man nicht auf Kosten der Qualität Billigmehl einkaufen will, ergänzt Isabel Auffenberg. Das bereite ihr schlaflose Nächte.
Die Anhebung des Mindestlohns auf 12,50 Euro ab Oktober bedeute mehrere 10.000 Euro mehr Kosten im Monat für sein Unternehmen, erzählt Alexander Auffenberg. „Da ist frustrierend, wenn ich selbst 70 Stunden in der Woche arbeite. Bäcker leben nicht im Überfluss, wir arbeiten hart für unser Geld“, sagt der Bäckermeister.
Ein Kollege in Bochum habe von heute auf morgen seinen Laden zugemacht. „Weil er nicht mehr planen kann“, sagt Auffenberg. Er selbst wolle keine öffentliche Förderung, auch wenn er sie in Castrop am Münsterplatz dankbar angenommen habe, um das Café dort zu eröffnen: „Es geht darum, dass wir von der Politik Zahlen bekommen, keine Zuschüsse. Die Kosten laufen aus dem Ruder, sind vor allem nicht planbar, Ware ist zum Teil nicht lieferbar“, so Auffenberg. „Wenn ich wüsste, wer da klare Ansagen machen kann, hätte ich schon mit ihm gesprochen“, fügt er an.
Kollege Christian Hötzschold (56), der ab September die Bäckerei Kortmann führt, sagt: „Es ist dramatisch und wird nicht besser.“ Mitja Wolf (32), der jede Nacht ab 23.30 Uhr bei Vieting backt, ergänzt: „Kunden bestellen weniger, die Spritkosten steigen. Für uns als Lieferbetrieb ein Problem. Und es wird immer schwerer.“
Bei Vieting auf der Verkaufstheke brannten an diesem Mittwoch nur Kerzen. „Ich finde die Aktion gut, denn wenn sich nichts tut, wird es bald dunkel“, sagt Mitja Wolf. „Wir sind doch auf Floristen, Bäcker, Fleischer, Installateure, Dachdecker angewiesen“, findet Isabel Auffenberg. „Das Handwerk muss gepusht werden.“
Ihre Stammkundin Ines Schulte (37), Mutter dreier Kinder, pflichtet ihr bei: „Ich schätze die Qualität bei den Handwerks-Bäckereien. Auch wenn es teurer wird: Am Essen spare ich ungern, meine Kinder sollen ein vollwertiges Brötchen bekommen.“ Entweder wertschätze man das Produkt und wolle die Geschäfte vor Ort unterstützen, oder man gehe eben zum Discounter...
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.