System, Personal, Gegentore - das sind die Baustellen des BVB

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System, Personal, Gegentore - das sind die Baustellen des BVB

rnBorussia Dortmund

Bei Borussia Dortmund steckt zwei Wochen vor dem Saisonstart noch reichlich Sand im Getriebe. System, Personal, Gegentore - wir blicken auf die Baustellen des BVB.

Dortmund

, 30.08.2020, 16:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Ein 1:1 gegen den SC Paderborn, ein 1:3 gegen den VfL Bochum: Der Testspiel-Doppelpack am Freitag führte dem BVB sehr deutlich vor Augen, dass noch viel Arbeit wartet, bis am 14. September in der ersten Pokalrunde bei Drittligist MSV Duisburg das erste Pflichtspiel der neuen Saison ansteht. Trainer Lucien Favre muss mehrere Baustellen bearbeiten:


1.) Das System: Sechs Testspiele hat der BVB hinter sich, sechsmal entschied sich Favre für eine Viererkette in der Abwehr. Meistens agierte seine Mannschaft in einem 4-2-3-1-System, phasenweise wechselte sie in ein 4-3-3. Favre macht keinen Hehl daraus, dass er diese Systeme gegenüber denen mit einer Dreierkette in der Abwehr bevorzugt. „Ich spiele lieber mit Viererkette, viele große Mannschaften spielen damit“, sagt der Schweizer. „Wir werden sehen, ob es möglich ist, damit zu spielen.“

BVB-Leistungsträger Guerreiro fühlt sich mit Dreierkette am wohlsten

Allerdings habe er am Donnerstag im Training auch die Dreierkette einüben lassen, also die Abwehrformation, mit der Borussia Dortmund zumindest in der Vorsaison deutlich erfolgreicher spielte als mit vier Spielern auf der letzten Linie. „Wir machen beide Systeme“, sagt Favre. Aber: „Wir können momentan nicht mit zwei Mannschaften Dreierkette spielen, wir haben nicht viele Innenverteidiger momentan.“ Favres generelles Credo lautet: „Es ist einfacher, von der Vierer- zu Fünferkette zu wechseln.“

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Die Frage wird letzten Endes sein, in welchem System sich die Mannschaft wohler fühlt - und welches System besser zum BVB, der in diesem Sommer in Achraf Hakimi nur einen Stammspieler abgegeben hat, passt. Leistungsträger Raphael Guerreiro beispielsweise erklärte schon im Trainingslager in Bad Ragaz vor zwei Wochen, dass seine Präferenz klar sei. „Das System mit Dreierkette ist das, das mir am besten gefällt. Es gibt mir Raum, nach vorne zu gehen - und ich weiß immer, dass noch jemand hinter mir ist, der mir Rückendeckung gibt. In der Viererkette ist es schwieriger, nach vorne zu gehen, weil man unsicherer ist, ob hinter einem vielleicht eine Lücke entsteht.“

BVB-Trainer Favre wird Überzeugungsarbeit leisten müssen

Favre wird also nicht nur öffentlich, sondern auch intern Überzeugungsarbeit leisten müssen, falls er die Rückkehr zur Viererkette auch in Pflichtspielen anstrebt.



2.) Das Personal: Die besorgniserregende Nachricht: In den Testspielen gegen Bochum und Paderborn musste Favre auf zehn Spieler verzichten. Die gute Nachricht: Sieben von ihnen sollten beim Pflichtspiel-Auftakt in Duisburg und eine Woche später beim Bundesliga-Start gegen Borussia Mönchengladbach wieder zur Verfügung stehen. Stand jetzt werden nur Marcel Schmelzer (Reha nach Knie-Operation), Dan-Axel Zagadou (Knieprobleme) und Mateu Morey (Muskelfaserriss) den Saisonstart verpassen.

Die Personalsorgen betreffen also vornehmlich die BVB-Abwehr. In der Personalie Zagadou ist die Hoffnung der Dortmunder Verantwortlichen groß, dass der Franzose zeitnah wieder ins Mannschaftstraining einsteigen kann. Nach Informationen der Ruhr Nachrichten lässt sich Zagadou noch einmal von einem Arzt seines Vertrauens untersuchen. Danach soll endlich Klarheit herrschen, wann der 21-Jährige, der seit Mitte August pausiert, wieder ins Training einsteigen kann - und ob der BVB in der Defensive noch einmal über Verstärkung nachdenken muss oder nicht.



3.) Die Gegentore: Das Torverhältnis des BVB aus den bisherigen Testspielen der Vorbereitung klingt nach jeder Menge Spektakel: 25 Tore geschossen, zehn Gegentore kassiert. Auf drei klare Siege gegen den SCR Altach (6:0), Austria Wien (11:2) und den MSV Duisburg (5:1) folgten drei dürftige Auftritte gegen Feyenoord Rotterdam (1:3), den SC Paderborn (1:1) und den VfL Bochum (1:3). Die 25 erzielten Tore dürften Favre dabei weniger freuen, als ihn die zehn Gegentore ärgern.

Der BVB kassierte zuletzt über 40 Gegentore pro Saison

Seit Favres Amtsantritt in Dortmund im Sommer 2018 kassierte der BVB in beiden Bundesliga-Spielzeiten über 40 Gegentreffer - und das Meister-Rezept des BVB-Trainer ist erst einmal einfach und nachvollziehbar: „Es wäre wichtig, wenn wir die Zahl der Gegentore auf 26 bis 28 drücken könnten“, sagt der 62-Jährige. „Wir sind eine sehr offensiv denkende Mannschaft, aber wir müssen im Kopf haben, dass wir oft besser verteidigen müssen. Wir werden manchmal noch überrascht, das kostet uns unnötige Tore.“

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Die jüngsten Testspiel-Eindrücke vermittelten nicht zwangsläufig den Eindruck, als sei dieses Problem bereits nachhaltig gelöst worden. Der BVB produzierte teils haarsträubende Fehler, und lud den Gegner höflich zum Toreschießen ein - und Favre sprach von „dummen Toren“, die man kassiert habe.



4.) Die Stammelf: Bislang hat Favre seine Mannschaften in den sechs Testspielen der Vorbereitung ziemlich bunt durcheinandergewürfelt. Eine mögliche erste Elf zeichnet sich ob der gezeigten Leistungen vielleicht ab, gemeinsam eingespielt hat sie sich aber sicher noch nicht. Und es bleiben Fragezeichen. Das liegt zum einen an der noch unbeantworteten Systemfrage, zum anderen am großen Konkurrenzkampf im Dortmunder Kader.

BVB-Youngster Reyna und Bellingham drängen in die Startelf

Während Roman Bürki, Mats Hummels, Raphael Guerreiro, Jadon Sancho und Erling Haaland ihre Plätze in der ersten Elf ziemlich sicher haben dürften und sich die beiden erst 17-jährigen Giovanni Reyna und Jude Bellingham mit Nachdruck für Mandate in der Startelf bewerben, müssen andere namhafte Spieler um ihre Berufung zittern.

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BVB-Sportdirektor Michael Zorc wollte sich nach dem 1:3 gegen den VfL Bochum einen klaren Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung der vermeintlichen Stammspieler nicht verkneifen. „Vor allem mit der Leistung im zweiten Testspiel gegen Bochum können wir überhaupt nicht zufrieden sein“, sagte er im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. „Damit meine ich ausdrücklich nicht die jungen Spieler aus der U19 oder aus der U23, sondern die etablierten Spieler. Da müssen wir auch in einem Vorbereitungsspiel mehr erwarten dürfen.“

Komplizierte BVB-Vorbereitung bis zum Duisburg-Spiel

Lucien Favre muss also zumindest Teile seiner ersten Elf noch suchen. Wirklich testen kann er sie eigentlich nur noch im Training und dann am 14. September in Duisburg in der ersten Pokalrunde unter Pflichtspielbedingungen. 15 Spieler aus der aktuellen Trainingsgruppe reisen an diesem Wochenende zu ihren Nationalmannschaften. Favre will sich darüber nicht beklagen, sagt aber schon: „Es ist sehr kompliziert, darüber ist niemand glücklich. Die Spieler werden reisen, sie kommen zurück und könnten sich angesteckt haben. Die Gefahr ist da. Und sie kommen dann sehr spät zurück, teilweise erst drei Tage vor dem Pokalspiel. Das ist alles andere als ideal.“