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Pro und Contra: Sollte der BVB zur Viererkette zurückkehren?
Borussia Dortmund
Mit der Dreierkette steht Borussia Dortmund stabil - dennoch schwenkt Lucien Favre wieder um. Wohlfühlsystem oder Trainer-Wunsch: Sollte der BVB zur Viererkette zurückkehren?
Borussia Dortmund hat in der abgelaufenen Saison mit einer Dreierkette in der Abwehr wesentlich mehr Erfolg gehabt als mit einer Viererkette. Dennoch liebäugelt Trainer Lucien Favre mit der Rückkehr zur Viererkette. Wir diskutieren: Sollte der BVB zur Viererkette zurückkehren?
Pro: Mehr BVB-Flexibilität ist das Ziel (Von Dirk Krampe)
Auf den ersten Blick erscheint es unlogisch, dass ein System mit Viererkette mehr Sicherheit bieten soll als das mit einer Dreierkette, die bei gegnerischem Ballbesitz zu einer Fünferkette ausgebaut wird. Dennoch entsprechen Lucien Favres Gedankenspiele nach einer Rückkehr zur Viererkette seinem ausgeprägten Sicherheitsdenken.
BVB fühlt sich mit der Dreierkette deutlich wohler
Die Anfälligkeit einer Dreierkette ist wegen der stark vorrückenden defensiven Außenbahnspieler bei eigenem Ballverlust deutlich höher als in einem Viererverbund - die Notwendigkeit zu perfektem und aufmerksamem Verschieben in dem Moment, wenn ein offensiv ausgerichteter Mitspieler den Ball verliert, ist größer. Fehler im Umschaltverhalten werden deutlich häufiger bestraft.
Borussia Dortmund hat sich in diesem System in der vergangenen Saison dennoch deutlich wohler gefühlt, auch die nackten Daten untermauern das - was Favre in ein Dilemma stürzt. Er wird reichlich Überzeugungsarbeit leisten müssen, vor allem nach dem Eindruck des 1:3 gegen Rotterdam am Wochenende.
Viererkette bietet dem BVB mehr Chancen, taktisch zu variieren
Favre dürfte auch damit argumentieren: Die Viererkette bietet mehr Chancen, taktisch innerhalb eines Spiels zu variieren. Aus der von Favre favorisierten Grundformation 4-2-3-1 lassen sich als Reaktion auf Spielverläufe weitere Systeme (4-3-3, 4-3-2-1, 4-4-2) problemlos ableiten, ohne gleich die gesamte Struktur aufzubrechen.
Letztlich muss eine Spitzenmannschaft mehrere Systeme beherrschen. Favres Überlegungen über eine Rückkehr zur Viererkette resultieren daher auch aus seinem Wunsch nach mehr taktischer Flexibilität. Gerade in den Spitzenspielen muss sich Borussia Dortmund auch danach orientieren, welches System besser zum Gegner passt.
Contra: BVB-Viererkette nur im Notfall (Von Jürgen Koers)
Borussia Dortmund sollte die vielen Trainingseinheiten in diesem Sommer nutzen und Varianten mit einer Viererkette einstudieren. Aber nur, um sie im Notfall während der pickepackevollen Hinrunde aus dem Ärmel zu zaubern. Die Mehrzahl der Argumente spricht klar für eine Dreierkette als Basis.
Dreierkette kommt allen BVB-Mannschaftsteilen zugute
Die Mannschaft, im Kern kaum verändert, fühlt sich sichtlich wohler mit einer zusätzlichen Absicherung in der Defensive. Das beton(t)en die Spieler allesamt. Auch mit nominell einem Spieler weniger im Mittelfeld hat der BVB Offensivdrang entwickelt, Tore am Fließband geschossen. Und Trainer Lucien Favre hat ja gerade erst darauf hingewiesen, dass vor allem viele Gegentore den Weg zu Titeln verstellt haben. Hinten sicher und vorne unberechenbar, diese Devise bildete die Grundlage der starken Rückrunde.
Im Kader stehen außerdem nicht genug schnelle (!) Innenverteidiger der Extraklasse für einen zentralen Zweierblock. Die Dreierkette hingegen kommt allen Mannschaftsteilen zugute. Zu dritt lassen sich Manndeckung, Stellungsspiel und Spieleröffnung sichtlich leichter organisieren und die Aufgaben verteilen, zudem hilft den Vorderleuten im Zentrum die verlässliche Rückendeckung.
Flügelzange mit Guerreiro und Hakimi als Alleinstellungsmerkmal
Nicht zuletzt dienten die torgefährlichen Flügelspieler Raphael Guerreiro und Achraf Hakimi als Alleinstellungsmerkmal und Turbo-Booster, von ihrer Unterstützung profitierten auch die Offensivstars wie Jadon Sancho und Thorgan Hazard. Favre täte gut daran, die Stärken seiner Mannschaft zu betonen und nicht ihre Schwachstellen. Die Profis füllen nur ein Spielsystem mit Leben, das ihnen hilft und an das sie glauben.
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.

Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
