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Blamage beim FC St. Pauli: Jetzt steht die BVB-Saison auf der Kippe
DFB-Pokal
Borussia Dortmund steht Mitte Januar am Scheideweg. Auf das völlig unnötige Aus in der Champions League folgt die Pokal-Blamage beim FC St. Pauli. Und es stellt sich mal wieder die Mentalitätsfrage.
Keine finale Torchance mehr, keine späte Rettung in die Verlängerung: Der BVB scheidet nach einem 1:2 (0:2) beim FC St. Pauli aus dem DFB-Pokal aus. Die Blamage ist selbstverschuldet, nicht unverdient und bitter: Die größte Titelchance hat Borussia Dortmund in dieser Spielzeit weggeworfen. Gewarnt hätten die Borussen sein müssen. Ganz St. Pauli war alarmiert. Erst zündeten die Fans bei der Ankunft des Busses ihrer Lieblinge Pyrotechnik, Böller und Feuerwerk, dann läuteten ohrenbetäubend die „Hells Bells“ das Spiel ein. Wer nicht wach war? Borussia Dortmund.
Blitz-Gegentor: Der BVB verschläft den Start gegen St. Pauli
3:30 Minuten hatte die Uhr getickt, da führten die Gastgeber mit 1:0. Drei Borussen rund um Axel Witsel konnten den Pass von Jackson Irvine in die Tiefe nicht verhindern, in der Mitte entwischte der flinke Etienne Amenyido Manuel Akanji und Thomas Meunier und drückte die Kugel im zweiten Anlauf über die Linie. Dortmunds Defensive agierte da bemerkenswert löchrig, derart nachlässiges Abwehrverhalten nutzt auch ein Zweitligist dankbar und problemlos aus.
Spätestens mit diesem Wecker war klar, dass die Kiezkicker dem Favoriten einen ernsten Pokalfight liefern wollten. Die Führung beflügelte zusätzlich. Wo der BVB den Ball auch hinpasste, ständig waren mindestens zwei Paulianer in der Nähe. Ein ums andere Mal bekam Dortmunds Torhüter Gregor Kobel Rückpässe zugespielt, die Platzherren pressten giftig und laufstark, wo immer sie konnten. Das beeindruckte auch den Erstligisten. „Dortmund ist nervös“, skandierten die 2000 eifrigen Fans im Stadion am Millerntor, die für eine äußerst stimmungsvolle Atmosphäre sorgten.
BVB kam zu Torschüssen gegen St. Pauli – nutzte sie aber nicht
Torgelegenheiten ergaben sich danach fast ausschließlich für die Gäste. Thorgan Hazard vergab lasch vor Torhüter Dennis Smarsch (7.), Marco Reus ebenso (18.). Kurz darauf setzten erst Thorgan Hazard und dann Erling Haaland ihre Schüsse zu hoch an (19., 20.).
Doch auch aus dieser kurzen Druckphase der neongelb-schwarzen Dortmunder befreite sich der Außenseiter, der mit guter Raumaufteilung oft Überzahl in Ballnähe herstellte und jeden der reichlichen Fehlpässe und die technischen Nachlässigkeiten des Titelverteidigers ausnutzen wollte. Kurz vor der Pause mit Erfolg: Marco Reus und Raphael Guerreiro verschlampten im Vorwärtsgang den Ball, der Ex-Schalker Guido Burgstaller stand beim direkt folgenden Steilpass nicht im Abseits und suchte in der Mitte Amenyido - Axel Witsel grätschte dazwischen, die Kugel flog ins eigene Tor. Die Hände über die Augen gelegt, wollte er sein Missgeschick nicht wahrhaben, doch es gab kein Entkommen, 0:2 (40.).
Axel Witsel ersetzt Mahmoud Dahoud im defensiven BVB-Mittelfeld
Witsel war überhaupt nur in die erste Elf gerutscht, weil Mahmoud Dahoud (Rücken) kurzfristig ausfiel. Während dem Belgier, zuletzt Bankdrücker, der Rhythmus sichtbar fehlte, vermissten seine Mitspieler die vertikalen Zuspiele von Dahoud. Allein mit technisch feinem Spiel, das war von Beginn an klar, würde der BVB frühzeitig die Segel streichen müssen. So ging es, wie vor zehn Tagen in Frankfurt, mit einem 0:2 in die Kabinen. Bei der Eintracht gelang ein eindrucksvolles Comeback. Und auf St. Pauli?
Da verhinderte erstmal Kobel den dritten Tiefschlag, als er Burgstallers Kopfball - nach einem Freistoß - so eben noch um den Pfosten lenkte (54.). Statt des drohenden Knockouts mit dem 0:3 hieß es kurz darauf nur noch 1:2 - Jakov Medic sprang der Ball an den ausgestreckten Arm, nach Videobeweis entschied Schiedsrichter Harm Osmers korrekt auf Strafstoß. Haaland verwandelte sicher (58.). Noch eine halbe Stunde blieb dem BVB, um die Blamage zu vermeiden. Von da an verteidigten müder werdende Paulianer mit Mann und Maus.
Nach der Champions League ist für den BVB auch der DFB-Pokal futsch
Dortmund, mit Donyell Malen für Hazard (65.), erhöhte die Schlagzahl, drückte und kam dem Ausgleich immer näher, mehr als halbe Chancen sprangen dabei allerdings nicht heraus. Die Sekunden tickten herunter, und weil die Borussen zu Beginn geschlafen hatten und zu spät aufwachten, gab es diesmal kein Comeback. Und es gibt auch keine Option zur Wiedergutmachung, der Pokal ist futsch. Die letzte Niederlage gegen einen unterklassigen Gegner kassierten die Borussen in der Saison 2010/11 mit einem 2:4 n.E. bei Kickers Offenbach. Nun dieser K.o. auf dem Kiez.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
