Ein Spieltag ohne Südtribüne. Das hatte nicht nur Folgen für die Stimmung im Stadion. Auch Bier- und Bratwurstverkäufer litten unter dem Verlust - minus 25.000 Fans, das spürten die Standbetreiber in der Kasse. Sogar die vielen Pfandsammler, die ihre karge Rente oder Sozialleistungen mit den Leergut-Erlösen aufstocken, zogen frustriert davon. Eine Reportage von Peter Bandermann.
"Normal ist, dass mein Einkaufswagen randvoll ist und dass ich noch große Tüten dranhängen muss. Nein, heute war kein guter Tag", sagt der alte Mann und schiebt seine Karre davon. Seine Pfand-Ausbeute wird ihm etwa acht Euro bescheren. Aus dem Stadion ist in diesem Augenblick der Torjubel nach Borussias 1:0 zu hören.
"Mit Südtribüne wäre die Palette längt leer"
Auch vor dem Anstoß im Stadion könnte die Stimmung besser sein: Die Bierdosen-Verkäuferinnen der SG Dortmund vor dem Eingang zum schwarzgelben Volksbad-Biergarten stehen neben einer vollen Paletten Dosenbier. "Mit Südtribüne wäre die Palette längt leer", sagt eine Verkäuferin 30 Minuten vor dem Anstoß. Mit den Einnahmen finanziert die SG Dortmund ihre Schwimm-Talente. "Das ist heftig. Wir haben einen hohen Verlust. Wenn wir auf 30 Prozent der Einnahmen eines normalen Spieltags kommen, ist das viel", lautet das Ergebnis eines schnellen Kassensturzes durch den SG-Vorsitzenden Peter Heckmann und legt hinterher: "Der DFB hat also auch den Dortmunder Schwimmsport bestraft."
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Ohne die Südtribüne weniger Arbeit für Pfandsammler
Im Stadion ein BVB-Sieg gegen Wolfsburg, aber vor dem Stadion eher Flaute: Getränkeverkäufer und Pfandsammler litten mit den Fans unter der Sperrung der Südtribüne. Bilder aus der Zeit vor dem Anstoß.
"Es ist wesentlich leerer und wir haben eine ganz andere Atmosphäre heute", stellt auch Steffi Ettrich von "Steffi's Anstoß" in bester Lage vor dem Zugang zur Südtribüne fest. Tatsächlich drehen sich an diesem Spieltag die Gespräche nicht hauptsächlich um Thomas Tuchels Aufstellung, sondern um die leere Süd. "Eine Kollektivstrafe, das ist Sippenhaft - und das geht gar nicht", lautet die Kritik der Familie Voss. Opa Willi (86) ist wie an jedem Heimspiel-Tag mit Sohn Bernd (64) und Enkel Tobias (20) sowie Kumpel Bernd Sturm (64) aus Kassel angereist. Noch 40 Minuten bis zum Anstoß, die Kasseler tippen auf ein 3:0 für den BVB - sie sollten Recht behalten.
"Scheiße"
Gabi Heckendorf, Monika Giolbas, Astrid Fahrenholz, Bernd Kramer und Michael Skrzyczpak sind auch so Fans, die für den BVB durch dick und dünn gehen. Sie tragen Kutten, eine Flasche Bier und im Stadion eine Fahne. Ihre Dauerkarten sind für einen Tag gesperrt. Gekommen sind sie trotzdem. Sie wollen "dann mal rumgucken". Wie ist das Gefühl, ausgesperrt zu sein? "Scheiße", sagen sie im Chor. Bernd Kramer: "Eine schwierige Situation, auch für den Verein. Irgendwas mussten die ja machen. Für uns friedliche Fans war die Sperre aber das Falsche."
Monika Giolbas hätte das Spiel von ihrem Sitzplatz aus sehen können, wollte ihre vier Freunde von der "Süd" aber nicht im Stich lassen und hat die Karte weitergegeben - Solidarität und echte Liebe, mal ganz praktisch gesehen.
"Die böse Oma von der Südtribüne"
Meistfotografiertes Motiv im Stadion war sicher die leere Tribüne. Vor dem Stadion erzielten Helena Wagner und Hans Weinhold größtmögliche Aufmerksamkeit. "Die böse Oma von der Südtribüne", stand auf dem Schild, dass Helena Wagner sich um den Hals gehängt hatte - auf der ersten Demonstration ihres Lebens. "Ich akzeptiere jede Strafe. Aber nicht, wenn sie unschuldige Fans trifft", wettert sie. Als der BVB-Mannschaftsbus von der Strobelallee in die Stadionkatakomben abbiegt, ist in der Menge auch Hans Weinholds an einer Dachlatte befestigtes Pappschild wieder zu sehen: "Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun - BVB + DFB."
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Gesperrte Südtribüne - Bilder aus dem Signal Iduna Park
Gesperrte Südtribüne - Bilder aus dem Signal Iduna Park.
Die Reiterstaffel der Polizei patrouilliert auf und ab. Noch so ein Flaschensammler trottet mehr leer als gut davon. Die Polizei nimmt zwei Männer fest, die an der Gewalt gegen Leipzig-Fans und Polizisten am 4. Februar 2017 beteiligt gewesen sein sollen und stellt deren Mobiltelefone sicher. Die Vorwürfe gegen die 25 und 26 Jahre alten Männer aus Dortmund und Lemgo: gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch.
Ein friedliches Zeichen
Wegen nicht vorhersehbarer Szenarien hatte die Polizei die BVB-Partie gegen Wolfsburg von einem "Grün-Spiel" auf ein "Rot-Spiel" heraufgestuft und die Zahl ihrer Einsatzkräfte verdreifacht, was im und am Stadion deutlich sichtbar war. Polizeipräsident Gregor Lange: "Ich bin froh, dass von Dortmund ein friedliches Zeichen ausgegangen ist."
Mehrere Ultra-Gruppen halten sich im Stadionumfeld auf. Manche besitzen Eintrittskarten für die Nordtribüne. "Da fasse ich mir an den Kopf ... Wie kann man solchen Leuten die Karten geben für ein Spiel, für das sie selber gesperrt waren? Ich kann nicht nachvollziehen, warum der BVB so handelt", schreibt Fan einen Tag später per E-Mail an unsere Redaktion.
Unterm Strich hat Borussia Dortmund an diesem Spieltag mit 3:0 gewonnen. Man sollte meinen, es geht wieder aufwärts. Sportlich hätte es an diesem Spieltag nicht besser laufen können. Alles andere war ein Trauer-Spiel.