
Nach dem 0:2 bei Union Berlin ist der BVB in der Bundesliga-Tabelle auf Rang acht abgerutscht. © imago / Nordphoto
Lustloser BVB-Auftritt in Berlin: Dortmund bestätigt alle Vorurteile
Meinung
Borussia Dortmund belegt nach knapp einem Drittel der Saison Rang acht – ein alarmierender Zwischenstand. Mit dem Lustlos-Auftritt in Berlin bestätigen die BVB-Profis alle Vorurteile.
Borussia Dortmund hat kein Erkenntnisproblem. Der BVB hat ein Umsetzungsproblem. Vor gut zwei Wochen befand Edin Terzic: „Die Spieler sind nicht doof, sie sind nur brutal vergesslich.“ Es gelte, sie immer und immer wieder an die eigenen Ideen zu erinnern. Wenn die Profis wirklich vergesslich sind, dürfte es sich Stand jetzt um eine ausgewachsene Amnesie handeln.
Das 0:2 des BVB bei Union Berlin hat alle Vorurteile bestätigt
Mit dem 0:2 bei Union Berlin hat die Mannschaft alle – in unschöner Regelmäßigkeit – wiederkehrenden Vorurteile bestätigt. Wie so oft sah sich der BVB nicht in der Lage, einen spielerisch unterlegenen, aber ungleich gierigeren Gegner in die Knie zu zwingen. Der BVB war an der Alten Försterei nicht willens oder nicht in der Lage, die Gangart des Kontrahenten zu spiegeln. Beides ist gleichermaßen bedenklich.
Dass der Abgang von Erling Haaland eine große, kaum gleichwertig zu kompensierende Lücke hinterlassen würde, war allen Beteiligten klar. In Sebastien Haller hat der BVB die Wunschlösung für die Nachfolge des Norwegers verpflichtet. Und mit jedem Tag, den er länger auf den sich in der Reha befindlichen Haller warten muss, wächst die Sehnsucht nach den Abschlussqualitäten des Ivorers.
BVB-Außenspieler Malen und Adeyemi laufen ihrer Form hinterher
Denn gegenwärtig ist die namhaft besetzte Offensive nur auf dem Papier eine beeindruckende. Dem BVB gelingt es viel zu selten, sich in gefährliche Räume zu kombinieren. Auch das Flügelspiel liegt viel zu häufig brach. Donyell Malen – der Gewinner der Sommer-Vorbereitung – reiht einen enttäuschenden Auftritt an den nächsten. Und Karim Adeyemis Formkurve schwankt noch bedenklich. Nach seinem Aussetzer vor dem 0:2 war er spürbar verunsichert.
Marco Reus konnte bei den Eisernen nach vierwöchiger Pause die Kastanien ebenso wenig aus dem Feuer holen wie der ebenfalls lange verletzte Giovanni Reyna, der seit mittlerweile Monaten blasse Thorgan Hazard oder der in dieser Saison leicht aufstrebende Julian Brandt. Die Anpassungsprobleme von Anthony Modeste sind eine weitere große Baustelle.
Youssoufa Moukoko als Lichtblick in der kriselnden BVB-Offensive
Youssoufa Moukoko ist der Lichtblick in der Offensive, steht vorne aber allzu häufig auf verlorenem Posten. Weil zündende Ideen genauso wie Entschlossenheit fehlen. 13 Tore in zehn Partien hat der BVB bislang in der Bundesliga erzielt – zum selben Zeitpunkt der Vorsaison waren es 27 Treffer. Die Anzahl der Gegentore ist nahezu gleich geblieben (14/15). Das Manko ist offensichtlich.
Im Vergleich zur Vorsaison haben die Schwarzgelben auch acht Zähler weniger auf dem Konto. Die Niederlage in Köpenick war bereits die vierte, dadurch ist der BVB ins Mittelmaß der Tabelle abgerutscht – mit sieben Punkten Abstand zum Spitzenreiter. Das Vorhaben, den Abstand zu verkürzen, ist krachend gescheitert. Die Borussen drohen schon nach einem Saison-Drittel den Anschluss zu verlieren.
Der BVB steht bis Mitte November vor wegweisenden Wochen
In der aktuellen Verfassung wird Borussia Dortmund den eigenen Ansprüchen kaum gerecht. Die Menschen, so sagte es Edin Terzic, sollen es kaum erwarten können, seine Mannschaft wieder spielen zu sehen. Mit lustlosen Auftritten wie gegen Union bewirkt der BVB gerade das Gegenteil. Die Euphorie, die zu Saisonbeginn herrschte, könnte ganz schnell in Tristesse kippen.
Die Borussia steht bis Mitte November noch vor entscheidenden Wochen. Schon am Mittwoch muss sie in Hannover das Achtelfinale im DFB-Pokal klarmachen, in den zwei Wochen darauf geht es ums Überwintern in der Königsklasse. Schon jetzt wirkt das Team müde und angeschlagen. Die Körpersprache verrät es.
Anspruch und Wirklichkeit klaffen beim BVB weit auseinander
Edin Terzic steht vor der bislang kniffligsten Phase, seit er wieder das BVB-Traineramt übernommen hat. Er muss seinen Spielern mit Verve einhämmern, worauf es ankommt. Marco Rose ist das im Vorjahr nicht gelungen. Die Probleme ähneln sich frappierend. Eine Mentalitätsdebatte wollte damals in Dortmund niemand führen. Marco Rose nannte dieses Phänomen fehlende Nachhaltigkeit. Doch die Bezeichnung ist zweitrangig. Das Problem gehört behoben, sonst werden beim BVB auch in dieser Saison Anspruch und Wirklichkeit nicht in einem angemessenen Maß miteinander korrespondieren.
Cedric Gebhardt, Jahrgang 1985, hat Germanistik und Politikwissenschaft an der Ruhr-Uni Bochum studiert. Lebt aber lieber nach dem Motto: „Probieren geht über Studieren.“ Interessiert sich für Sport – und insbesondere die Menschen, die ihn betreiben. Liebt Wortspiele über alles und kann mit Worten definitiv besser jonglieren als mit dem Ball. Schickt deshalb gerne humorige Steilpässe in die Spitze.
