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Lucien Favre sieht den BVB weiter als gedacht - aber auch „lächerliche“ Ballverluste
Borussia Dortmund
Lucien Favre zieht das Tempo zum Ende des Trainingslagers an. Der Schweizer sieht den BVB weiter als gedacht - aber auch altbekannte Fehler.
Für die lange noch abseits der Mannschaft trainierenden Marco Reus, Thorgan Hazard, Paco Alcacer, Jacob Bruun Larsen und Erling Haaland waren die Tests gegen Feynoord Rotterdam (4:2) und Liga-Konkurrent Mainz 05 (0:2) am Samstag wichtige Praxiseinheiten mit hoher Intensität. Allerdings merkte man allen Rekonvaleszenten die fehlende Wettkampfhärte und fehlenden Einheiten unter hoher Belastung deutlich an. Borussia Dortmunds bislang einziger Winter-Neuzugang feierte in der zweiten Hälfte der Partie gegen Mainz sein lang erwartetes Debüt für den BVB. Haalands noch fehlende Bindung zu den neuen Mitspielern war keine große Überraschung.
Zunächst offensiver BVB-Leerlauf gegen Rotterdam
Ganz bewusst hatte sich Favre zwei Gegner ausgesucht, die den Dortmunder Spielaufbau mit hohem Anlaufen früh attackierten. Das stellte den BVB sowohl gegen Rotterdam, als Favre im 3-4-3 agieren ließ, als auch im gegen Mainz getesteten 4-3-3 und später 4-4-2 vor einige Probleme, gerade in den Anfangsphasen der beiden Partien.
Dem 1:0 gegen Rotterdam nach nur 46 Sekunden, als Raphael Guerreiro davon profitierte, dass sich Feynoord-Verteidiger Geertruide Lutsharel nach einem langen Ball von Mahmoud Dahoud verschätzte, folgte viel offensiver Leerlauf. Das 1:1 durch Nicolaj Jörgensen (22.) war eine logische Folge des mutigen Pressings der Niederländer. Vor allem im Zentrum wies der Dortmunder Defensivverbund einige Lücken auf.
Reyna gehört zu den Gewinnern der BVB-Vorbereitung
Kein Zufall allerdings war auch, dass sich der 17-jährige Giovanni Reyna kurz vor der Pause für einen erneut couragierten Auftritt mit dem Treffer zum 2:1 belohnte. Dahoud hatte erneut die Vorarbeit geleistet, Reyna ist fraglos einer der Gewinner der bisherigen Vorbereitung.

In Marbella einer der BVB-Gewinner:Giovanni Reyna. © Kirchner-Media
Nach der Pause blieb Marco Reus in der Kabine, in seinem ersten Spiel im neuen Jahr war dem Kapitän die lange Pause deutlich anzumerken. Auffällig hingegen schon eher U23-Akteuer Chris Führich, der das 3:1 von Raphael Guerreiro vorbereitete (56.) und das 4:1 (66.) mit einem trockenen Rechtsschuss selbst vorbereitete. Rotterdam konnte das hohe Tempo der ersten Hälfte längst nicht mehr halten, der spanische Schiedsrichter ließ immerhin noch so lange nachspielen, dass den Niederländern noch die Ergebnisverbesserung gelang.
Akanjis Fehler ermöglicht die Mainzer Führung
Das mit Spannung erwartete Debüt von Erling Haaland ließ bis zur zweiten Hälfte der Partie gegen Mainz auf sich warten. Interessant war Favres Taktikänderung: Mit Julian Brandt und Mario Götze als Achter hinter einer Dreier-Offensivreihe ließ der Schweizer Trainer den BVB in einem 4-3-3 extrem offensiv agieren. Dass dieses System eins seiner bevorzugten Spielsysteme ist, daraus hat der 62-Jährige nie einen Hehl gemacht. Tobias Raschl als alleiniger Sechser aber hatte gegen die robust agierenden und noch deutlich aggressiver anlaufenden Mainzer alle Hände voll zu tun - und die Dortmunder Innenverteidigung mit Manuel Akanji und Dan-Axel Zagadou hatte große Mühe, von hinten heraus spielerische Eröffnungen zu finden.
In einem sehr intensiven Spiel fanden Bruun Larsen (24.) und Brandt (42.) in Mainz-Keeper Robin Zentner ihren Meister. Akanjis dicker Fehler ermöglichte aber den Rheinhessen den ersten Treffer des zweiten Spiels. Karim Onisiwo hatte kurz vor dem Pausenpfiff keine Mühe.
BVB-Neuzugang Haaland deutet seinen Torriecher an
Mit Debütant Haaland stellte Favre nach der Pause auf ein flaches 4-4-2 um. Der Norweger agierte an der Seite des bis dato blassen Alcacer. Dortmunder Angriffe blieben lange im Ansatz stecken, Abstimmungsprobleme in der Kette waren so offensichtlich wie die weiter zu hohe Fehlerquote bei den Abspielen. Für den Mainzer Moussa Niakhate fühlte sich nach einer Ecke niemand zuständig, er köpfte völlig frei zum 0:2 ein (54.). Marwin Hitz verhinderte einen dritten Gegentreffer, als erneut Akanji sich böse verschätzte (57.).
Dortmund übertrieb die Ballzirkulation in der eigenen Hälfte, erzielte damit kaum Raumgewinn. Haaland und auch Alcacer hingen lange in der Luft. Immerhin deutete der Norweger in den letzten zehn Minuten bei zwei Abschlüssen seinen Torriecher an. Tempo ins Offensivspiel bekam der BVB aber nur noch in der Schlussphase, dafür leistete sich die Borussia defensiv weiter die eine oder andere Nachlässigkeit, die Fehlerquote im Abspiel blieb deutlich zu hoch, ein Problem der Hinrunde, das den BVB auch durch die Vorbereitung weiter begleitet. „Das müssen wir korrigieren“, gab Favre mit klaren Worten zu. „Diese Ballverluste sind gefährlich und lächerlich!“
Noch viel Arbeit für BVB-Trainer Favre bis zum Augsburg-Spiel
Am Endergebnis änderte sich nichts mehr. Favre wusste aber auch so, dass in den sieben Tagen bis zum Start in Augsburg noch viel Arbeit auf ihn und sein Team warten. „Die Vorbereitung geht weiter“, meinte er. Unzufrieden war der Trainer aber nicht mit dem letzten Tag vor der Abreise. „Beide Spiele waren okay. Es war eigentlich nicht geplant“, so Favre, „dass die lange fehlenden Spieler so viel spielen. Von daher sind wir weiter als gedacht.“
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.
