
© Stephan Schuetze
BVB-Frauen-Chefin Schlenker: „Kritik war keineswegs überraschend. Damit habe ich gerechnet“
Borussia Dortmund
Im großen Interview über die ersten Monate der Frauenfußball-Abteilung von Borussia Dortmund stand Svenja Schlenker Rede und Antwort. In Teil zwei geht es um Kritik am Projekt, Hype um das Team und die Chance auf eine Jugendabteilung.
Teil zwei des großen Interviews mit Svenja Schlenker, Abteilungsleiterin der Frauenfußball-Abteilung bei Borussia Dortmund. Sie spricht über den Hype um die Frauenfußballerinnen des BVB, prominenten Zuschauerbesuch und Kritik von anderen Dortmunder Vereinen.
Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews mit Svenja Schlenker.
Es sind sehr viele Zuschauer bei den Spielen der BVB-Frauen, das ganze Projekt hat von Beginn an sehr viel mediale Aufmerksamkeit erhalten. Was war die Marketing-Strategie zu Beginn?
Ich habe lange Jahre im Marketing gearbeitet, diese Erfahrung fließt sicher automatisch mit ein. Was mir am allerwichtigsten ist, ist der Auftritt in der Öffentlichkeit, wie wir uns geben und wie man uns sehen soll. Dabei ist es ganz, ganz wichtig, dass wir sehr fan-nah sind, weil wir die Unterstützung der Fans brauchen. Unsere Profis sind beispielsweise vergleichsweise selten greifbar, erst recht in Zeiten der Pandemie. Wir können unseren Fans durch unsere Nahbarkeit vielleicht ein bisschen was zurückgeben. Ich möchte auf Dauer sicherstellen, dass unsere Mannschaft und die Fans nah beieinander sind.
Dazu gehört es ja auch, die Spielerinnen bekannter zu machen. Einige haben deutlichen Zuwachs an Followern und Aufmerksamkeit in den Sozialen Medien bekommen. Wie schwierig war es ganz normale Amateurfußballerinnen zu Marken zu machen, die den BVB vertreten?
Wir mussten und wollten das gar nicht aufbauen. Da sehen wir auch keinen Handlungsbedarf, nicht zuletzt, weil große Aufmerksamkeit auch Gefahren mit sich bringt. Ich möchte die Mädels gerne schützen, vor allem natürlich die jüngeren im Team. Wenn man das BVB-Logo auf der Brust trägt, steigt die Aufmerksamkeit von ganz alleine. Da gibt es Spielerinnen, die leben das mehr aus, und es gibt ruhigere Spielerinnen, denen nicht so viel daran liegt.
Wie groß ist der Hype um die Mannschaft geworden? Wie viele Mannschaften melden sich bei Ihnen, um Testspiele machen zu dürfen, und wie viele Spielerinnen bieten sich an?
Was Testspiele angeht, haben wir tatsächlich eine riesig lange Liste. Wir könnten jeden zweiten Tag in ganz Deutschland ein Testspiel machen oder an Turnieren teilnehmen. Da ist das Interesse sehr, sehr groß. Viele laden uns zu sich ein, andere möchten gerne mal in Dortmund spielen. Und klar, es kommen auch fast täglich E-Mails rein von Eltern, von Spielerinnen, die fragen, wie sie es schaffen könnten, bei uns zu spielen. Momentan müssen wir sie immer noch vertrösten, weil wir uns noch nicht entschieden haben, wie es weitergeht; ob wir weitere Sichtungstrainings veranstalten und wenn ja, wann. Aber die Spielerinnen werden uns nicht ausgehen, so viel steht fest (lacht).

Svenja Schlenker ist Abteilungsleiterin der Frauenfußball-Abteilung von Borussia Dortmund. © imago images/Thomas Bielefeld
Bei vielen Spielen gab es prominenten Zuschauerbesuch. Reinhard Rauball, Edin Terzic, Mats Hummels, Marcel Schmelzer. Wie sehr hilft das?
Das hilft total! Es ist eine große Wertschätzung, wenn jemand aus der Führungsetage oder von den Profis zum Zuschauen kommt. Das motiviert auch unsere Mädels noch zusätzlich, weil sie merken, dass der Frauenfußball beim BVB nicht nur nebenher mitläuft oder ein Marketing-Gag ist, sondern auch intern sehr ernst genommen wird. Wir freuen uns jedes Mal, wenn jemand zuschaut. Hans-Joachim Watzke war neulich beim Pokalspiel, und auch er war sehr begeistert. Solche großartigen Zeichen der Unterstützung helfen mir bei meiner Arbeit, weil ich nicht gegen Windmühlen kämpfen muss.
Als der FC Bayern München die Basketballabteilung gegründet hatte, war Uli Hoeneß selbst sehr oft vor Ort und hat mit den Fußball-Profis wie einem Franck Ribéry darüber gesprochen, dass sie zu den Spielen kommen sollen, weil das die Zuschauer anzieht. Ist das beim BVB ähnlich?
Das ist für mich nicht der richtige Weg. Entweder gehe ich zum Basketball, weil ich Bock darauf habe, oder eben nicht. Und bei uns sehe ich das genauso. Wenn die Profis Lust haben zu kommen, sind sie jederzeit herzlich eingeladen. Ich würde jetzt aber nicht sagen ´Komm zum Spiel, auch wenn dir der Frauenfußball egal ist. Das weckt das Interesse der Fans und es kommen mehr zum Spiel´. Entweder wollen sie uns unterstützen, haben Spaß daran und stehen hinter uns – oder eben nicht. Noch mal: Frauenfußball beim BVB ist kein Marketing-Gag!
Es gab Kritik von anderen Dortmunder Fußballvereinen, wie Eintracht Dorstfeld und den Sportfreunden Sölderholz. War das überraschend?
Nein, die Kritik war keineswegs überraschend. Damit habe ich von Anfang an gerechnet, und das war auch der Grund dafür, dass wir zu Beginn unserer Überlegungen zwei Vertreter des SV Berghofen als dem höchstspielenden Verein direkt mit ins Boot geholt haben. Generell haben wir vorab alle Vereine darüber informiert, dass wir uns mit Frauenfußball beschäftigen, über die Möglichkeiten der verschiedenen Wege der Umsetzung informiert und nach Sorgen, Ängsten, Nöten gefragt. Dazu konnte sich jeder frei äußern. Das positive Feedback hat da weitaus überwogen. Wenn Ängste da waren, dass wir zu viele Spielerinnen von einer Mannschaft holen, haben wir gleich gesagt, dass uns nichts ferner liegt, als irgendwelche Mannschaften kaputtmachen zu wollen.
Bei der Kritik ging es auch um das Thema Nachhaltigkeit des Projektes. Haben Sie da Verständnis für?
Jeder, der unseren Weg verfolgt, sieht, wie ernst wir das meinen. Und wenn unser Ziel von ganz unten aus die Bundesliga ist, kann man sagen, dass unsere Idee vom schwarzgelben Frauenfußball mehr als nachhaltig ist. Diese Kritik kann ich dann nicht verstehen.
Ein Kritikpunkt war dabei aber auch, dass der BVB nur eine Mannschaft hat, mit der es schnell nach oben gehen soll. Wie sehen die Planungen da aus? Soll es eine Jugendabteilung oder eine Reservemannschaft geben in Zukunft?
Darüber denken wir verstärkt nach. Wenn ich über Nachhaltigkeit spreche, spielen da weitere Mannschaften natürlich eine Rolle. Der Mädchenfußball in Dortmund ist leider etwas rückläufig, weshalb es mir sehr wichtig ist, auch daran zu denken, den Dortmunder Mädchenfußball zu stärken und Vereine zu unterstützen. Da ist aber noch nichts in Stein gemeißelt. Ich möchte das möglichst gründlich durchdenken, viele Beteiligte fragen und mit ins Boot holen.
Wäre das nicht der Idealfall, wenn es eine BVB-Jugendabteilung gäbe? Das wäre ja ein super Ansporn für den gesamten Mädchenfußball, wenn man es aus der Jugend vom BVB in die erste Mannschaft schafft.
Natürlich wäre das eine Wunschvorstellung. Aber wir müssen realistisch sein und viele Faktoren hinsichtlich Kapazitäten und Infrastruktur betrachten. Manches wird einfach über die Jahre organisch wachsen müssen. Ich will an der Stelle nicht zu tief ins Detail gehen, kann aber versprechen: Wir denken über eine Jugendabteilung nach.
Wir haben gehört, dass Sie sich in den Vorstand des Fußballkreises Dortmund wählen lassen möchten für den Bereich Mädchenfußball. Was möchten Sie dort bewegen?
Der Mädchenfußball ist die Grundlage für alle Frauenmannschaften und sollte dringend mehr unterstützt werden. Ich glaube, dass man vielen Vereinen Hilfestellungen geben kann, die ihren Mädchenfußball stärken wollen oder sich bisher noch nicht an das Thema herangetraut haben. Das ist für mich ein ganz spannendes und zukunftsträchtiges Thema.
Wenn es keine Jugendabteilung geben sollte, gäbe es die Möglichkeit, mit anderen Vereinen zu kooperieren?
Wir sind prinzipiell für alles offen und legen uns selbst keine Steine in den Weg.
Seit Beginn des Projekts sind fast zwei Jahre vergangen. Wie würden Sie die Zeit seitdem zusammenfassen?
Als wir die Abteilung im Oktober 2020 gegründet haben, dachte ich mir: ´Noch neun lange Monate, bis es Sommer ist und die Saison losgeht.´ Ich hatte ein riesiges Puzzle vor mir, mit so vielen Teilen. Aber einen gefühlten Augenblick später haben wir uns alle Ende Juli 2021 an einem Sonntag an unserer Trainingsstätte getroffen: ein dreiköpfiges Trainerteam und 24 fußballbegeisterte Mädels. Ich muss mir tatsächlich manchmal Zeit nehmen, um das sacken und wirken zu lassen. Ein Ereignis grenzte an das nächste, es macht unfassbar viel Spaß. Eine sehr, sehr spannende Zeit, eine herausfordernde Zeit. Eine Zeit mit sehr vielen Arbeitsstunden, aber auch mit sehr viel Herzblut. Es macht einfach richtig viel Freude, bei meinem Herzensverein so eine Abteilung von Null aufbauen zu dürfen.
Sie haben selbst Fußball gespielt und wir haben gehört, es gibt noch den Spielerpass von Svenja Schlenker. Wird es diese Saison noch zum Einsatz von Svenja Schlenker für die BVB-Frauen kommen?
Gegen die BVB-Frauen hat es den schon gegeben: Im Trainingslager bei einem kleinen Spielchen ‚Staff gegen Mädels‘. Das war sehr witzig. Es gibt den Spielerpass, aber der ist wirklich nur für den aller-, allergrößten Notfall, wenn die Hälfte der Mannschaft Corona hat oder verletzt ist. Aber das muss nicht sein. Ich habe mich mit meinem Platz auf der Tribüne abgefunden.
Journalismus ist meine Passion. Seit 2017 im Einsatz für Lensing Media. Immer auf der Suche nach Hintergründen, spannenden Themen und Geschichten von Menschen.
