Borussia Dortmund wird keine Mitgliederbefragung zum umstrittenen Rheinmetall-Deal durchführen. Nach Informationen der Ruhr Nachrichten wollen weder der eingetragene Verein noch die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) ein solches Stimmungsbild einholen. Die Mitgliederversammlung hatte sich Ende November mit einer Zweidrittel-Mehrheit gegen das Sponsoring des Rüstungskonzerns ausgesprochen, und dabei bleibt es. „Wir akzeptieren und respektieren die Entscheidung der Mitgliederversammlung. Das Votum steht für sich. Jede weitere Diskussion oder Befragung würde nur Öl ins Feier gießen. Wir möchten die Debatte versachlichen“, sagte KGaA-Chef Hans-Joachim Watzke dieser Redaktion. Eine Kehrtwende, denn vor drei Wochen klang das noch anders.
Streit um BVB-Deal mit Rheinmetall
Mit großer Mehrheit hatten die anwesenden Mitglieder von Borussia Dortmund den Werbedeal mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall missbilligt. Das höchste Organ des Vereins legte der Geschäftsführung nahe, die Partnerschaft „so rasch wie möglich“ zu beenden und keinesfalls über die Laufzeit (bis 2027) hinaus zu verlängern. Rechtlich bindend ist das für die Konzernspitze nicht. Doch die Diskussionen und Protestaktionen, Einschüchterungsversuche und kruden Einlassungen haben gezeigt, wie dieses Thema dem Klima im BVB und rund um den BVB schwer geschadet hat und es noch immer belastet.
Intensiv wurden im Vorfeld der Mitgliederversammlung mit Freundlichkeit getarnte Hilfestellungen angeboten, die man auch als Einschüchterungsversuche werten könnte. Mit durchaus harten Bandagen, juristischen Schreiben über mögliche Schadenersatzforderungen und Telefonanrufen im Familienkreis. Vereinspräsident Dr. Reinhold Lunow sollte als Versammlungsleiter dazu beitragen, dass die Borussen in der Westfalenhalle auf den Kurs der KGaA um Watzke und Marketing-Geschäftsführer Carsten Cramer einschwenken.
BVB-Mitglieder stimmen gegen Sponsoring
Vor dem Abschluss der Partnerschaft im Frühjahr, als die Geschäftsführung die Gremien des Klubs in die Rheinmetall-Pläne eingeweiht hatte, gab es nach reiflicher Überlegung zwar Bedenken, aber keinen Einspruch. Damals auch nicht von Lunow, der „das Für und Wider“ abwog und „keine richtige Antwort“ fand, wie er auf der Versammlung sechs Monaten später gestand. Doch ihn plagte das Gewissen, er wollte seinem Amt gerecht werden: Lunow war es wichtig, die Mitglieder des e.V. und deren Meinung zu vertreten, dazu sei er schließlich gewählt worden, betonte er. Damit stand er zwar nicht explizit im Widerspruch zur Position von Watzke und Co., aber zu deren Missfallen eben auch nicht mehr klar auf deren Seite. Ein Dissens.

In der Versammlung ging es hin und her, die Argumente wurden gesittet und fair vorgetragen, von beiden Seiten. Die Diskussion entwickelte sich nicht in die von der Geschäftsführung erhoffte Richtung. Mit 556 von 855 gültigen Stimmen wurde der Antrag von Dr. Wilfried Harthan angenommen. Das höchste Vereinsgremium hatte sich unübersehbar gegen das Sponsoring der Düsseldorfer Waffenschmiede ausgesprochen.
Ein weiterer Antrag von Markus Schäfer bekam ebenfalls eine Mehrheit: Dieser sieht vor, dass eine Kommission, „unter Berücksichtigung von und in Ergänzung zu Satzung und Grundwertekodex einen Vorschlag für ein Positionspapier“ erarbeiten soll zu Partnerschaften des BVB. Darin sollen „Leitplanken“ definiert werden und etwaige „Ausschlusskriterien“. Wie diese Idee im Detail und in der Praxis aussehen soll, bleibt allerdings vage und damit ein veritables Problem in der Umsetzung. Keine ausreichende Zustimmung bekam der Vorschlag, eine Befragung unter allen 218.000 Klubmitgliedern durchzuführen.
„Der BVB hat 218.000 Mitglieder“
Exakt das hatte Watzke vor Ort befürwortet, er wurde aber von der Versammlung prompt überstimmt. Damit tat er sich offenkundig schwer. Bei der traditionell einen Tag später abgehaltenen Hauptversammlung meinte der Konzernchef dann gegenüber den Aktionären: „Wenn da 585 Mitglieder so votiert haben, dann ist das ein deutliches Signal, was ich auch höre. In der Gesamtbewertung muss ich allerdings auch für mich bewerten, dass das 0,25 Prozent unserer Mitglieder sind. Der BVB hat 218.000 Mitglieder und ich wünsche mir, dass wir in irgendeiner Form uns mal ein Meinungsbild einholen, wie diese 218.000 in Gänze das sehen.“ Es gehe um „ein sehr wichtiges, ernstes Thema“ und er benötige da „auch entsprechende Fingerzeige […] von einer validen Größe“. Sprich: eine Befragung aller BVB-Mitglieder.
Das Fanzine „Schwatzgelb“ wertete dies als einen Versuch, den gültigen Beschluss der Mitgliederversammlung zu diskreditieren und sogar zu übergehen. „Grobes Foul von Aki Watzke“ lautete der Titel des Beitrags. Antragsteller Harthan wandte sich, irritiert von Watzkes Äußerungen, an die Verantwortlichen und erhielt auf seinen Brief, der den Ruhr Nachrichten vorliegt, inzwischen die Antwort, dass die Geschäftsführung sich selbstverständlich an die Entscheidung der Mitgliederversammlung halten werde. So hat man es inzwischen auch der Fan- und Förderabteilung und dem Fanrat mitgeteilt.
BVB-Verhältnis zwischen Watzke und Lunow
Von einer Befragung der 218.000 Borussinnen und Borussen, sei es digital oder per Briefwahl, ist daher keine Rede mehr, weder bei der KGaA noch beim eingetragenen Verein, der wegen des klaren Votums weder einen Anlass sieht noch satzungsgemäße Richtlinien als Grundlage. Wenn überhaupt, bräuchte es dazu einen Antrag auf der Mitgliederversammlung 2025. Bis dahin könnte sich auch das Verhältnis zwischen Geschäftsführung und Präsidium wieder normalisieren. Watzke und Lunow kennen sich seit 1998, 2005 wurde Lunow Watzkes Nachfolger als Schatzmeister. Beide haben fast zwei Jahrzehnte lang eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet, im Sinne von Borussia Dortmund. Von Harmonie sind die vergangenen Wochen jedoch nicht mehr geprägt gewesen, im Gegenteil.
Watzke hatte in der Rheinmetall-Debatte öffentlich dafür geworben, „dass wir unterschiedliche Meinungen mit Respekt und Anstand miteinander austragen können“, ohne dass einem der Beteiligten die Rolle des Guten oder des Bösen zugeschrieben werde. Unterschiedliche Standpunkte „muss man nicht nur ertragen können, das ist bei der Größe des Vereins auch gar nicht anders möglich.“ Am Ende sollte der Verein Borussia Dortmund über allen Einzelpersonen stehen. Ohne Ausnahmen.