
BVB-Kandidat Sebastien Haller (l.) sicherte sich am Mittwochabend mit Ajax Amsterdam den Meistertitel in der Eredivisie. © imago / Pro Shots
Haller als Haaland-Nachfolger? Der BVB muss schwierige Entscheidungen treffen
Borussia Dortmund
Bei der Suche nach dem Haaland-Nachfolger muss der BVB schwierige Entscheidungen treffen. Das gilt auch beim Kandidaten Sebastien Haller. Ajax Amsterdam wäre wohl verkaufsbereit.
Der Abflug von Mittelstürmer Erling Haaland trifft Borussia Dortmund alles andere als unvorbereitet. Trotz der Verpflichtung von Nationalspieler Karim Adeyemi, der auch laut eigener Aussage ein ganz anderer Spielertyp ist als der Norweger, will der BVB im Angriff aktiv werden. „Wir sollten hier und da noch nachjustieren und sind in Gesprächen. Ich glaube schon, dass wir im Bereich Mittelstürmer etwas machen wollen“, bestätige Trainer Marco Rose am Donnerstag.
Haller schießt den BVB mit Amsterdam aus der Champions League
Im besten Fall kommt eine klare Nummer neun. Aber der Idealfall aus passendem Profil, Verfügbarkeit und rational vertretbarer Ablösesumme hat sich bislang noch nicht eingestellt. Auch nicht im Fall von Sebastien Haller von Ajax Amsterdam, über den am Donnerstag „Der Spiegel“ berichtete, der Spieler und der BVB würden „eine gemeinsame Zukunft bevorzugen“.
Der Franzose Haller, der den BVB mit seiner Mannschaft in der Champions-League-Vorrunde zweimal degradierte und in der Bundesliga aus seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt einen sehr guten Namen hat, brächte einige der gesuchten Komponenten ein. Durchsetzungsvermögen, Kopfballstärke, Treffsicherheit und Physis.
Haller erzielt 34 Tore in 42 Pflichtspielen - trotzdem gibt es Pfiffe
In Amsterdam musste er am intensiven Pressing der Mannschaft teilnehmen, ohne an Torgefahr einzubüßen. 34 Tore und neun Vorlagen in 42 Pflichtspielen in dieser Spielzeit untermauern als Fakt seine Qualität. Bemerkenswert: Weil die zweite Saisonhälfte wesentlich schwächer geriet als die erste, ist der 1,90 Meter große Mittelstürmer alles andere als unumstritten. Zuletzt gab es sogar Pfiffe vom anspruchsvollen Amsterdamer Publikum.

In der Vorrunde der Champions League gewann Ajax Amsterdam gegen den BVB beide Spiele (4:0, 3:1) - Sebastian Haller erzielte dabei zwei Treffer. © imago / ANP
Dass der Stürmer mit ivorischen Wurzeln zum Kandidatenkreis der Westfalen gehört, ist derweil nicht neu (wir berichteten). Überraschend wäre es, wenn die Borussia das Paket Haller auch stemmen wollte – und könnte. Der 27-Jährige steht bei Ajax noch bis 2025 unter Vertrag. Seine Verpflichtung wäre bei einem geschätzten Marktwert von 30 Millionen Euro allemal kostspielig. Ajax sitzt am längeren Hebel: Der niederländische Meister würde Haller nach Informationen der Ruhr Nachrichten bei einem entsprechenden Angebot jenseits von 30 Millionen Euro ziehen lassen.
Der BVB müsste sich für einen Haller-Transfer finanziell strecken
Aber unter Druck steht Ajax dabei nicht. Ein Detail: Hallers Trainer und Förderer Erik ten Hag, der ihn bei Ajax und zuvor in der gemeinsamen Zeit beim FC Utrecht (2015 bis 2017) formte, verlässt Amsterdam ebenfalls, er hat bei Manchester United unterschrieben. Und ob der neue Coach Alfons Schreuder (u.a. früher Hoffenheim) auf Haller steht, blieb zuletzt offen. In Brian Brobbey stünde Ersatz schon parat.
Wie dem auch sei: Haller wäre nur mit Geld zu bezahlen, das der BVB über Spielerverkäufe einnehmen müsste. Verteidiger Manuel Akanji wird den BVB wohl verlassen, der Klub kann eine gute zweistellige Millionensumme als Ablöse aufrufen. Auch Linksverteidiger Nico Schulz oder Allrounder Thorgan Hazard gelten als Verkaufskandidaten, die unterschiedlich teuer taxiert werden. Für Schulz müsste auch ein neuer Linksverteidiger her, und bei aller Wichtigkeit, die ein neuer Mittelstürmer genießt: Auch im defensiven Mittelfeld muss die Borussia mit Priorität handeln, weil qualitativ und nach dem bevorstehenden Abschied von Axel Witsel auch quantitativ ein Mangel vorherrscht.
Die weiteren BVB-Kandidaten heißen Ekitike und Hlozek
Der künftige Sportdirektor Sebastian Kehl hat bereits drei aufsehenerregende Transfers getätigt, neben Angreifer Adeyemi (RB Salzburg) in Nico Schlotterbeck (SC Freiburg) und Niklas Süle (Bayern München) zwei Innenverteidiger verpflichtet. Kehl hat an mehreren Stellen durchblicken lassen, dass der viel zitierte Umbruch nicht in einem Transferfenster in diesem Sommer vollständig vollzogen werden könne.
Wieviel der vorhandenen Mittel aber würde der BVB auf einen Spieler wie Haller setzen, der im Juni 28 Jahre alt wird und bei einer Verpflichtung entsprechend kaum Wiederverkaufswert besäße? Zum Kandidatenkreis zählen weiterhin Hugo Ekitike (19, Stade Reims) und Adam Hlozek (19, Sparta Prag). Benjamin Sesko (18, RB Salzburg) gilt nur als Außenseiter. Wie bei allen gehandelten Anwärtern auf die Haaland-Nachfolge bringen sie ihre Stärken und Defizite mit bei der sportlichen wie ökonomischen Betrachtung möglicher Transfers.
Rose will mit dem BVB in der kommenden Saison „neu angreifen“
In den mit Vehemenz vorangetriebenen Umbau setzt Trainer Rose große Hoffnung. „Ich habe schon die Überzeugung, dass wir dann mit dem Personal neu angreifen können“, sagt er. „Es tut unserer Gruppe gut, dass wir frischen Wind bekommen und den Konkurrenzkampf schärfen. Allein das wird uns ein Stück weiterbringen.“ Ein echter Torjäger im Sturmzentrum könnte für zählbare Resultate sorgen. Wenn der Preis stimmt.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.

Sascha Klaverkamp, Jahrgang 1975, lebt im und liebt das Münsterland. Der Familienvater beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Sportberichterstattung. Einer seiner journalistischen Schwerpunkte ist Borussia Dortmund.
