Gefährlicher BVB-Trend: Statistik deckt erschreckendes Defizit auf

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Gefährlicher BVB-Trend: Statistik deckt erschreckendes Defizit auf

rnBorussia Dortmund

Borussia Dortmund zeigt einen gefährlichen Trend. Vor allem ein statistischer Wert deckt ein erschreckendes Defizit auf. Auch die Spielweise des BVB verändert sich dadurch.

Dortmund

, 11.12.2020, 06:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Steilpass von Giovanni Reyna kam eigentlich nicht schlecht. In die Schnittstelle zwischen zwei Verteidiger der Eintracht gespielt, genau in den Lauf von Youssoufa Moukoko. Etwas zu steil war er am Ende, auch weil Frankfurts Keeper Kevin Trapp den Braten gerochen hatte und dem Dortmunder mit gutem Herauslaufen den Ball vor der Nase wegspitzelte. Viel fehlte nicht...


BVB-Toptalent Moukoko sprintet auf den internen zweiten Platz

Mit dem Sprint, den Moukoko in dieser Szene aus der 49. Minute des Spiels am vergangenen Samstag gegen Eintracht Frankfurt anzog, katapultierte sich der 16-Jährige in einer ganz bestimmten BVB-Statistik gleich auf den zweiten Platz. Die obersten Wächter über die Leistungsdaten der Bundesliga-Spieler ermittelten eine Spitzengeschwindigkeit Moukokos von 34,67 Km/h. Schneller unterwegs in einem schwarzgelben Trikot war in dieser Saison bislang nur Erling Haaland, der mit 35,16 Km/h geführt wird und damit Fünfter ist in der Wertung der schnellsten Kicker der Bundesliga. Moukokos Antritt beförderte ihn sogleich auf Rang 18 in dieser Kategorie.

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Die Szene hatte in Frankfurt Seltenheitswert und zeigte damit auch ein großes Dilemma auf, dass sich seit Wochen durch das Dortmunder Spiel zieht: Der BVB bekommt nur noch sporadisch Tempo in seine Aktionen, entsprechend leicht fällt es den Gegnern, die eigene Defensive zu sortieren und auf dem Platz auf die Dortmunder Angreifer auszurichten. Überraschende Vorstöße sind selten geworden im Spiel der Borussia.

BVB-Sprint-Statistik gibt Anlass zum Nachdenken

Dieser Fakt ist durch die statistischen Daten belegbar und gibt mindestens mal Anlass zum Nachdenken. Während sich die Spielweise in der Bundesliga immer stärker am Faktor Tempo, Tempo, Tempo orientiert, haben Borussia Dortmunds Spieler im Vergleich zur Vorsaison beinahe durch die Bank an Geschwindigkeit verloren – zum Teil in einer Besorgnis erregenden Größenordnung.

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Beispiel Jadon Sancho: Es ist klar erkennbar, dass der Engländer weniger oft das Eins-gegen-Eins sucht. Sanchos Sprintwerte ähneln, was die Häufigkeit angeht, dem Wert der Vorsaison. Rund 34 Mal pro Spiel messen die Datenhüter, auffallend aber ist der Verlust an Top-Speed in seinem Spiel. War der 20-Jährige im Vorjahr noch mit 34,01 Km/h unterwegs, liegt sein derzeitiger Top-Wert bei nur noch 32,74. Ein gravierender Unterschied, wenn es darum geht, mit Ball einem Gegenspieler ohne Ball möglichst noch davonzuziehen. Die Folge: Sancho bricht die Laufduelle häufiger ab, er zieht von der Außenbahn in die Mitte, nimmt damit viel Tempo raus. Die Alarmstufe Rot für die gegnerische Abwehrreihe kann meistens aufgehoben werden.

Borussia Dortmund verzeichnet einen Verlust an Geschwindigkeit

Der Verlust an Geschwindigkeit zieht sich durch das gesamte Dortmunder Team. Das lässt vermuten, dass es nicht ausschließlich individuelle Faktoren sind, die die schwächeren Werte erklären können. In der vergangenen Saison stellte der BVB neun Spieler im Kader, die mit einer Top-Geschwindigkeit von über 34 Km/h sprinteten. In der laufenden Saison sind es nach fast einem Drittel gespielter Spiele derer nur noch zwei: Haaland und Moukoko.

So taucht in den Top-50 der schnellsten Bundesliga-Spieler kein weiterer BVB-Akteur auf, dafür aber insgesamt sechs, die das rote Bayern-Trikot tragen. In den Top-100 finden sich aus Dortmunder Sicht nur noch Thomas Meunier (Rang 51 mit 33,71 Km/h) und Emre Can (66. mit 33,45 Km/h). Bayerns Innenverteidiger Niklas Süle, dessen vermeintliches Übergewicht regelmäßig Thema in den Boulevard-Medien ist, ist als Gesamt-98. mit einem Top-Speed von 32,98 Km/h noch schneller unterwegs als die Dortmunder Offensivspieler Sancho, Thorgan Hazard, Julian Brandt, Gio Reyna und Marco Reus. Das ist bedenklich. Dortmunds Kapitän ist immerhin einer der wenigen Spieler im BVB-Kader, die ihr Tempo im Vergleich zur Vorsaison steigern konnten.

Fehlendes Tempo verändert Spielweise des BVB

Das fehlende Tempo hat die Spielweise der Borussia verändert, vielleicht ist es aber ja auch andersherum. Ist es allein die Spielweise, die zu Lasten des Tempos geht? Es ist bekannt, dass Lucien Favre Ballbesitz und Geduld im Aufbau predigt. Überfallartige (und damit weniger durchdachte?) Angriffe lassen das Grau in seinen Haaren weiter zunehmen. Favre möchte die Kontrolle über die Angriffe haben, weil Ballverluste im Vorwärtsgang böse bestraft werden könnten. Doch ohne den Faktor Geschwindigkeit ist Dortmunds Spiel berechenbarer geworden, die Lücken sind kleiner. Es wird komplizierter, sich bis zum gegnerischen Tor zu kombinieren.

Letztlich fehlt es auch an Konsequenz: Der BVB zieht in dieser Spielzeit die drittmeisten Sprints der Liga an, 2565 waren es an den bislang zehn Spieltagen. Öfter sprinten nur die Bayern (2769) und der VfL Wolfsburg (2694). Und das auch ohne Achraf Hakimi, der mit einem Top-Speed von 36,49 Km/h im Vorjahr nur knapp geschlagen zweitschnellster Bundesliga-Akteur hinter Bayerns Alphonzo Davies (36,51) war.

BVB bekommt Wechsel von Hakimi zu spüren

Unstrittig ist, dass Hakimis Wechsel zu Inter Mailand das BVB-Spiel verändert hat, vor allem auch das Spiel von Jadon Sancho. Als alleiniger Erklärungsansatz reicht sein Fehlen allerdings nicht aus. Nahezu alle Dortmunder Offensivspieler haben die Neigung, von außen nach innen zu ziehen. Bis zur Grundlinie kommt der BVB nur noch selten durch. Das ist auch eine Sache von Verstetigung durch regelmäßiges Üben im Training. Doch daran zu arbeiten fällt schwer, wenn das Team fast ausschließlich zwischen Regeneration und Vorbereitung auf den nächsten Gegner pendelt.

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