
© Kirchner-Media
Fußballer fliehen vor Krieg in der Ukraine – plötzlich trainieren sie mit BVB-Profis
Borussia Dortmund
Raymond Frimpong Owusu und Alan Aussi erleben den Krieg in der Ukraine hautnah und ergreifen die Flucht. In Dortmund finden sie jetzt Schutz. Plötzlich stehen sie auf dem BVB-Trainingsplatz.
In der Ukraine herrscht Krieg. Täglich sterben Menschen. Wer kann, der flieht vor der russischen Invasion und den Grausamkeiten. Auch die Fußballer Raymond Frimpong Owusu (19) und Alan Aussi (20) sind geflohen. Schutz haben sie jetzt in Dortmund gefunden – und trainieren beim BVB mit.
Nach getaner Arbeit schlendert Raymond Owusu frisch geduscht und ganz entspannt auf dem Bürgersteig die Adi-Preißler-Allee entlang. Feierabend für heute. Mal sehen, was es zum Mittag gibt. Was banal klingt, ist im Fall des 19-Jährigen keine Selbstverständlichkeit. Denn noch vor gut zwei Wochen spielte Owusu als Profi für den Erstligisten Zorya Lugansk im Osten der Ukraine. Und jetzt, Mitte März, ist er plötzlich Teil des Mannschaftstrainings von Borussia Dortmund, liefert sich im Übungsbetrieb unter den Augen von Marco Rose Zweikämpfe mit Erling Haaland.
Nach Flucht vor dem Ukraine-Krieg: Raymond Owusu trainiert beim BVB mit
Von all dem war vor drei Wochen noch nicht auszugehen. Vor einem Jahr war der Ghanaer aus seiner Heimat von der Gold Coast Fußball-Akademie in die Ukraine gewechselt. Als Mittelstürmer sollte er für Tore sorgen und spielte in der Conference League sogar gegen AS Rom. Doch mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine änderte sich das Leben des Ghanaers schlagartig. Zunächst blieb Owusu trotz des Kriegsbeginns noch für drei Tage in Lugansk. „Doch dann fielen die Bomben und die Raketen. Ich konnte sie hören. Der Krieg kam immer näher und näher und ich bekam Angst. Dann habe ich mich zur Flucht entschieden“, sagt Owusu am Montag im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten.
Der 19-Jährige fuhr rund 400 Kilometer westlich nach Saporischj. Von dort ging es in einer zwölfstündigen Fahrt weiter mit dem Zug nach Lwiw, so weit weg wie möglich von der Front. Lwiw liegt ganz im Westen der Ukraine, die Grenze zur Slowakei und Polen ist nah. Owusu nahm wieder einen Zug, der ihn nach Chelm ins benachbarte Polen brachte.
Zwischenzeitlich hatte er Kontakt zu seinem Berater Emmanuel Gyasi aufgenommen. Dessen Agentur hat ihren Sitz in Hamburg. Gyasi machte sich gleich auf den Weg, um Owusu einzusammeln und brachte ihn mit dem Auto nach Hamburg. „Ich war nach meiner Ankunft in Deutschland total erschöpft und musste mich erst einmal ein paar Tage ausruhen. Ich hatte nie zuvor Erfahrungen mit Krieg“, sagt Raymond Owusu.

BVB-Reporter Cedric Gebhardt (r.) im Gespräch mit Fußballer Raymond Owusu. © Inderlied
In der Zwischenzeit nahm dessen Berater Emmanuel Gyasi Kontakt zum BVB auf und stieß dort auf offene Ohren. Seit knapp einer Woche nimmt Owusu deshalb ebenso wie Alan Aussi am Training der U23 teil. Aussi ist ebenfalls aus der Ukraine geflohen und normalerweise Innenverteidiger bei der Zweitvertretung von Dynamo Kiew, war zuletzt an Veres Rivine ausgeliehen.
Owusu und Aussi fliehen vor dem Krieg in der Ukraine – plötzlich trainieren sie mit Haaland
Eigentlich halten sie sich bei der U23 fit, um den Kader aufzustocken, nahmen sie aber am Montag am Spielersatztraining nach dem 1:0-Arbeitssieg der Profis gegen Arminia Bielefeld teil. Gemeinsam mit Gio Reyna, Erling Haaland, Julian Brandt, Reinier und Soumaila Coulibaly sowie den Torhütern Marwin Hitz und Roman Bürki waren Owusu und Aussi Teil der Gruppe. Komplettiert wurde diese durch die U23-Spieler Kamal Bafounta, Timo Bornemann, Rückkehrer Kolbeinn Finnsson, Lennard Maloney und Guille Bueno sowie Moritz Broschinski.
Zwei Wochen liegt die Flucht von Raymond Owusu vor den Bomben und dem Krieg in der Ukraine erst zurück. „Und jetzt trainiere ich hier bei Borussia Dortmund und habe nach dem Training ein Foto mit Erling Haaland gemacht. Das ist verrückt“, berichtet Owusu selbst ungläubig. Zwei bis drei weitere Wochen darf er vorerst weiterhin am Übungsbetrieb der BVB-U23 teilnehmen.
Sonderregelung der FIFA ermöglicht Training beim BVB
Möglich macht das eine Sonderregelung der FIFA. Wegen der russischen Invasion hatte der Verband entschieden, dass die Verträge mit ukrainischen Klubs automatisch bis zum Saisonende ausgesetzt sind. Die Suspendierung eines Vertrages bedeute, „dass Spieler und Trainer bis zum 30. Juni 2022 als vertragslos gelten und es ihnen daher freisteht, ohne irgendwelche Konsequenzen einen Vertrag mit einem anderen Verein zu unterzeichnen“, teilte die FIFA mit.
Gleichzeitig wurde festgelegt, dass diese Wechselfrist bis einschließlich 7. April gilt. Ein Verein darf zudem nur maximal zwei Spieler verpflichten, die unter diese Ausnahmeregelung fallen. Was danach kommt? „Ich weiß es nicht“, sagt Owusu achselzuckend. Fürs Erste reicht es ihm, in Sicherheit zu sein. Das ist in diesen Tagen schon eine ganze Menge.
BVB plant keine feste Verpflichtung von Raymond Frimpong Owusu und Alan Aussi
Nach Informationen der Ruhr Nachrichten ist eine feste Verpflichtung von Mittelstürmer Owusu und Innenverteidiger Aussi nicht geplant. Vielmehr handle es sich um einen humanitären Akt, um die beiden Spieler in ihrer Situation zu unterstützen.
Die FIFA und die Europäische Fußball-Union UEFA hatten bereits zuvor alle russischen Mannschaften von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen. In der Ukraine ruht der Fußballbetrieb seit Beginn des Krieges.
Jahrgang 1993, Dortmunder Junge und Amateurhandballer mit großer Liebe für den Fußball und den Ruhrpott. Studium der Journalistik an der TU Dortmund, nach kurzer Zwischenstation beim Westfälischen Anzeiger in Hamm wieder seit 2020 zurück bei den Ruhr Nachrichten. Schreibt über Thekenmannschaften bis hin zur Champions League.

Cedric Gebhardt, Jahrgang 1985, hat Germanistik und Politikwissenschaft an der Ruhr-Uni Bochum studiert. Lebt aber lieber nach dem Motto: „Probieren geht über Studieren.“ Interessiert sich für Sport – und insbesondere die Menschen, die ihn betreiben. Liebt Wortspiele über alles und kann mit Worten definitiv besser jonglieren als mit dem Ball. Schickt deshalb gerne humorige Steilpässe in die Spitze.
