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Fehlende Konstanz und Konsequenz: BVB-Auftritt in München als Spiegelbild der Saison
Borussia Dortmund
Für Borussia Dortmund ist der Klassiker in München ein Spiel der verschenkten Möglichkeiten. Es fehlen Konstanz und Konsequenz. Das 1:3 ist letztlich ein Spiegelbild der gesamten BVB-Saison.
Die Münchner Schickeria rümpfte die Nase. Dort, wo sonst das bayerische Liedgut zumindest ein wenig noch hochgehalten wird, dröhnte Ballermann-Musik aus den großen Boxen. Das sollte die Stimmung anheizen, denn auch auf dem Rasen der Allianz Arena kam die Party des FC Bayern nur schwer in Gang. Das ist wohl so, wenn man als Spieler einfach immer die Meisterschaft gewinnt, da wird es dann zur Gewohnheit. Die zehnte in Serie war es für den Rekordmeister, Thomas Müller hat gar schon elf Mal die Schale halten dürfen. So oft wie kein Spieler vor ihm.
Für den BVB ist es ein Topspiel der verschenkten Möglichkeiten
Auch Borussia Dortmund mochte nicht zum Gelingen der Feier beitragen, gab aber durch die Fehler in der schwachen ersten Hälfte quasi den Startschuss. „Es gibt angenehmere Dinge, als als BVB hierherzukommen, wenn sie dann Meister werden“, bekannte Trainer Marco Rose, deraber ehrlich und fair gratulierte. „Das gehört sich so, und wenn sie mit zwölf Punkten Vorsprung am 31. Spieltag dastehen, ist es auch verdient.“ Als die Weißbier-Duschen ihren Anfang nahmen, bedankten sich einige Spieler noch beim mitgereisten Anhang für die Unterstützung. Der Rest verschwand schnell in der Kabine.
Für den BVB war es wieder mal eine Partie der verschenkten Möglichkeiten – und eine der (zu) vielen groben eigenen Fehler. Bei der Ecke vor dem 0:1 irrte Julian Brandt durch den eigenen Strafraum und verlor Torschütze Serge Gnabry aus den Augen, der an der Strafraumkante sehenswert per Volleyschuss traf. Beim 0:2 ging Dan-Axel Zagadou vor dem eigenen Sechszehner in ein fatales Dribbling. Das war quasi schon die Vorentscheidung nach einer 15-minütigen Anfangsphase, in der die Borussia noch mutig und mit erstaunlich viel Ballbesitz agiert hatte.
BVB-Auftritt in München als Spiegelbild einer Saison
Doch vorne nur bis zum Strafraum durchschlagskräftig, hinten fahrlässig – dieser ungesunde Mix hat Borussia Dortmund in dieser Spielzeit schon einige Punkte gekostet. Die 90 Minuten in München taugten daher als Spiegelbild einer Saison, in der zur erfolgreichen Jagd auf die Bayern Konstanz und Konsequenz, aber am Ende eben auch ein Stück Qualität fehlten. „Acht Niederlagen sind einfach zu viel“, haderte Kapitän Marco Reus treffend. „Wir waren einfach nicht gut genug. Auch heute nicht.“
Immerhin: Die Pause nutzte der Gast, um sich auch mental wieder aufzurichten. In ihr Schicksal ergab sich die Borussia, bei den vergangenen Gastspielen in München oft nicht mehr als ein Sparringspartner, diesmal nicht. Emre Can erzielte vom Punkt nach Foul von Joshua Kimmich an Reus den Anschlusstreffer. Und hätte Schiedsrichter Daniel Siebert sich die Szene beim elfmeterwürdigen Einsteigen von Benjamin Pavard gegen Jude Bellingham zumindest selbst angeschaut, hätten ein Pfiff und das mögliche 2:2 vielleicht zum großen Party-Crasher werden können.
BVB-Kapitän Reus: „Die Bayern hatten schon mehr Chancen“
„Da“ gab auch der biergeduschte Julian Nagelsmann zu, „kann man Elfmeter geben.“ Für den BVB ging der Ärger mit dem Video-Assistenten damit nach dem Hinspiel-Theater in eine zweite Runde. „Das ist eine Menge!“, stöhnte Trainer Rose mit leichter Resignation in der Stimme. Dass das Thema nicht größer wurde, lag auch an der Selbsterkenntnis der Dortmunder. „Klar“, meinte Reus, „kann man sagen, dass der nicht gegebene Elfmeter mit ausschlaggebend war. Aber die Bayern hatten schon mehr Chancen.“
Nagelsmann genoss anschließend das besondere Gefühl seines ersten großen Titels als Trainer in vollen Zügen. Es sei kein leichtes Jahr gewesen, bekannte er, vor allem die vergangenen zwei Wochen zerrten am Selbstverständnis der Bayern. „Wenn wir es dann gerade im Spiel gegen den BVB schaffen, rückt das die Saison wieder in ein besseres Licht.“ Dass er nur die Pflicht erfüllt, an der Kür aber gescheitert sei, sei ihm klar. „Und wir werden versuchen, auch die elfte Meisterschaft in Serie zu gewinnen.“
In der kommenden Spielzeit nimmt der BVB einen neuen Anlauf
Dass es dann doch noch zur ausgelassenen Feier auf dem Rasen kam, verdankten die Münchner zunächst ihrem 3:1-Torschützen Jamal Musiala, der mit seinem Tor den Widerstand der Dortmunder endgültig brach – und dann Alphonso Davies, der vor der Bayern-Kurve mit einem Schal schwenkend ein wildes Tänzchen aufführte. Spaßvogel Müller bedachte auch Ex-Mitspieler Bastian Schweinsteiger mit einer großen Bierdusche, als der sich am Spielfeldrand als Experte bei ESPN gerade um eine Analyse der Meisterschaft mühte.
Der Ausblick in die Zukunft fiel Rose angesichts der Bayern-Dominanz und bekannter, weiter bestehender Rahmenbedingungen schwer. „Sie haben jetzt zehn Titel in Serie gewonnen“, meinte er, „kann sein, dass noch fünf weitere folgen werden. Aber wir spielen Fußball, und es wird immer Mannschaften geben, die die Meisterschaft spannend gestalten wollen. Und wir als Borussia Dortmund werden immer die Ersten sein, die das versuchen wollen.“
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.
