Erstes Amateurjahr für Ex-BVB-Profi Großkreutz: „Glücklich, diesen Schritt gemacht zu haben“

© Stephan Schütze

Erstes Amateurjahr für Ex-BVB-Profi Großkreutz: „Glücklich, diesen Schritt gemacht zu haben“

rnKevin Großkreutz

Kevin Großkreutz ist in diesem Jahr in den Amateurfußball gewechselt. Zum TuS Bövinghausen in die Westfalenliga. Sein Fazit fällt mehr als positiv aus - trotz Beleidigungen von außen.

Dortmund

, 26.12.2021, 09:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Er war nie richtig weg! Der Weltmeister gab sich die Ehre. Wann gab es schon einmal bundesweite Schlagzeilen für einen Wechsel in die Westfalenliga? Kevin Großkreutz hat es geschafft. Diese Aufmerksamkeit aber war ihm in keinster Weise wichtig. Der Dortmunder Junge, der als Zehnjähriger die Amateurvereine hinter sich ließ und mehr als 20 Jahre in der großen weiten Welt, bis zur größten Meisterschaft dieser Erde, unterwegs war, ist seit einem halben Jahr zurück.

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Zurück da, wo alles begann: im Amateursport! Und doch war es immer so, schon als Großkeutz sich zu seinen Profizeiten für Vereine wie den VfL Kemminghausen und Türkspor Dortmund engagierte, als wäre das Kind dieser Welt immer auch ein Stück in ihr geblieben.

Großkreutz: „Keiner muss Angst haben, mich anzusprechen“

„Ich bin einer von vielen“, sagt der Ex-Profi nach den ersten Monaten im TuS Bövinghausen. „So wollte ich das haben, immer locker im Umgang, ich spiele mit Freunden zusammen Fußball. Es gibt nichts Schöneres. Keiner muss Angst haben, mich anzusprechen.“ Das bestätigt wohl jeder, der ihn kennt. Großkreutz ist eben keiner, der auf hohem Ross durch den Amateursport reitet, trotz seiner unglaublichen Karriere aus der Siedlung „Klein Chicago“ in Eving bis in den ganz großen Fußball.

Um eventuellen Manschetten vorzubeugen, geht der Profi selbst auf die Leute los. Sprüche verteilt er gerne. Warum? Weil er es kann! Glaubwürdiger versichern, dass er nie vergisst, wo er herkommt, kann wohl kein anderer Ex-Profi als er. Er begrüßt alte Kumpel aus Eving, Mitspieler, Betreuer, Kinder und Fans in Bövinghausen, gerne auch sympathische Gegenspieler so, wie sie es im Amateurfußball eben tun: echt, nicht verstellt, immer mit einem Flachs. Sicher ist vor ihm dann keiner.

Er vergisst aber auch nie die Menschen, denen es nicht so gut geht, macht mit kranken Kindern Selfies, macht auch mit ihnen Späße, muntert sie auf. Längst ist Großkreutz Familienvater. Das Glück seiner Kinder geht ihm über alles. Das färbt ab, wenn er andere Kinder und Jugendliche sieht.

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Daher hat er auch besten Gewissens den Profifußball verlassen. „Ich genieße die Zeit mit meiner Familie.“ Ja, er hat sich auch verändert, weiß, dass auch er sich mit seinem Temperament auch zurücknehmen kann. Bestes Beispiel: die Rudelbildungen im Spiel gegen den FC Iserlohn. In vorderster Front rieben sich andere.

Wer Großkreutz‘ vergangene Wochen nicht verfolgt hat, wird sich über seinen Spruch wundern, wer doch, eher nicht: „Mit meinen Gegenspielern ist das völlig okay. Da hat noch keiner in dieser Saison versucht, mich kaputtzutreten. Klar, da fliegen mal deftige Worte hin und her. Aber nie unter der Gürtellinie.“ Der emotionale Großkreutz interpretiert seine Führungsrolle anders als Profis, die immer und überall den Ellenbogen herausholen.

Der einzige Schatten, der sich auf des Weltmeisters Landung bei den Amateuren legt, sind hier und da Beleidigungen gegnerischer Fans: „Das war aber auch nur bei zwei, drei Vereinen. Sonst habe ich mich immer wohlgefühlt. Da haben vielleicht in anderen Klubs ein paar Leute nicht gerade den BVB als Lieblingsverein. Aber ich finde, solche Anfeindungen haben auf dem Amateursportplatz nichts zu suchen. Was soll das? Aber ich komme damit klar.“

Das Positive überwiegt, zumal das Kerngeschäft neben den Großkreutzschen Annehmlichkeiten wie dem gepflegten Kabinentalk beim Bierchen, das Spiel selbst, ziemlich erfolgreich läuft. Der TuS geht also trotz der in den vergangenen Wochen nicht immer überzeugenden Leistungen als souveräner Tabellenführer in die Winterpause. „Klar, zuletzt war das eine oder andere nicht so schöne Spiel dabei. Aber wir sind nach den Anstrengungen der vergangenen Wochen mit den vielen ausgefallenen Leuten auf dem Zahnfleisch gegangen.“

Der Teamplayer Großkreutz ist aber auch keiner, der auf andere zeigt. Erstens, erklärt er, seien die Auftritte der vergangenen Wochen bestimmt nicht dem Trainerwechsel geschuldet. Sebastian Tyrala, auch ein Ex-Borusse, übernahm Ende Oktober den TuS. In seiner ureigenen Art, Dinge kurz auf den Punkt zu bringen, sagt Großkreutz: „Sebastian kann gar nichts dafür.“ Und: „Das lag an unserem Personalmangel. Jetzt kann er mit uns eine Vorbereitung machen. Dann werden wir erst richtig sehen, was für einen guten Trainer wir da haben.“

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Die Schwachstellen einer Hinserie mit dem ersten Rang zu erörtern, wäre auch Jammern auf ganz hohem Niveau. Und Jammern mag der Ex-Profi gar nicht. Er tut es nicht. Er mag es auch nicht, wenn die Leute alles negativ sehen.

Muss ja auch nicht sein: Es gibt eben viele positive Dinge, spektakuläre Siege trotz starker Ordnung. Ein Beispiel sind die gerade mal 15 Gegentreffer in 16 Spielen. Das ist spitze in der Liga. Dass seine zumeist eher defensive Sechserrolle daran einen gehörigen Anteil hat, lässt Großkreutz zwar gelten. Aber wichtiger ist ihm: „Wir haben die besten Innenverteidiger der Liga, auch die Außenspieler machen das gut. Meine Mittelfeldkollegen arbeiten gut nach hinten.“

Fußballarbeit passt auf Bövinghausen manchmal ziemlich gut. Das müsse auch gar nichts Schlimmes sein, findet Großkreutz. „Wir haben richtig gute Fußballspieler, aber können auch kämpfen. Ab und an musst du auch dreckig gewinnen.“

Großkreutz: „Einfach nur glücklich, diesen Schritt gemacht zu haben.“

Sie können schön, sie können effizient. Das liegt am auf allen Positionen für einen Westfalenligisten viel zu gut besetzten Kader. In manchen Belangen könnte dieser mit dem erstaunlich schnell gewachsenen Umfeld den Anschein erwecken, so richtiger Amateursport sei das ja gar nicht mehr. Ausgerechnet auch derjenige, der aus der glamourösen Profiwelt kommt, diese aber nie als seine sah, sorgt dafür, dass dieser Schein trügt. Mit Bratwurst in der Hand kickt Großkreutz manchmal nach dem Spiel noch im Trikot mit seinen oder anderen Kindern. So wie es zahlreiche andere Familienväter in diesen Ligen tun. Das alles ist in keinster Weise gestellt.

Fast jedes dieser Kinder träumt davon, mal Weltmeister zu werden.

In Dortmund gibt es dieses erwachsene Kind in einem Weltmeister, das davon träumte, wieder nach Hause zu kommen. In die Welt, die es nie vergessen hat und nie in sich und seinen Gedanken richtig zurückgelassen hat. „Ich bin einfach nur glücklich, diesen Schritt gemacht zu haben. Ich bereue ihn auf keinen Fall. Ich lebe den Amateurfußball. Daher habe ich auch verlängert.“

Kevin Großkreutz musste gar nicht erst in dieser Welt ankommen, in der er noch gerne etwas bleibt. Er war ja nie richtig weg.