Zehn Wochen ist die Fußballsaison erst alt, und Borussia Dortmund gehen die Spieler aus. Beim 0:1 in Wolfsburg kostet die Fehlplanung das erste Saisonziel. Der DFB-Pokal läuft – schon wieder – ohne den BVB weiter. Trainer Nuri Sahin wollte den wenigen verbliebenen Profis, viele von ihnen waren mit ihren Kräften am Ende, keinen Vorwurf machen. Er selbst hätte gerne reagiert auf den Spielverlauf, sah neben sich auf der Bank aber bis auf den angeschlagenen Marcel Sabitzer nur Grünschnäbel sitzen, konnte kein qualitativ geeignetes Spielermaterial nachschießen. Im Gegensatz zu seinem Gegenüber Ralph Hasenhüttl. Der VfL hatte den besseren Kader, was am Dienstagabend den Ausschlag gab und wiederum ein Armutszeugnis darstellt für das vermeintliche Schwergewicht aus Westfalen.
Dem BVB sind gravierende Fehler unterlaufen
Offensichtlich sind bei der Personalplanung gravierende Fehler unterlaufen, was automatisch Sportdirektor Sebastian Kehls Aufgabenfeld in den Fokus der Kritik rückt. Bewusst hatten sich die sportlich Verantwortlichen für einen kleinen Kader entschieden, um Unzufriedenheit vorzubeugen. Eindeutig der falsche Schluss angesichts immer weiter steigender Belastung. Die mangelnde Quantität rächt sich – und das bereits im ersten Viertel der Saison. Ja, das Verletzungspech hat mit acht fehlenden Profis heftig zugeschlagen. Doch auch für solche Phasen muss man vorbeugen. Sonst fällt es einem auf die Füße, wenn man zum Beispiel nur drei gestandene Außenverteidiger zur Verfügung hat. Der Verweis, dass dort auch andere Spieler aushelfen könnten, zieht nicht. Nicht nur im Leistungssport hat der Satz Bestand: Wer alles ein bisschen kann, kann nichts richtig.
Auch die qualitative Bewertung des Aufgebots fällt nach den ersten zwei Monaten gravierend anders aus. Im August hatten sich die Dortmunder als „Transfermeister“ feiern lassen und betont, alle Wunschtransfers seien realisiert worden. Wo aber sind die Spieler, die den BVB verlässlich besser machen? Es wirkt fast so, als hätten Kehl, Nuri Sahin und Sportchef Lars Ricken mehr auf Entwicklungspotenzial gesetzt bei der Entscheidungsfindung, sich von der möglichen Topform einiger Spieler irritieren lassen, anstatt nüchtern derzeitige Stärken und Schwächen zu eruieren. Potenziell verfügt die Borussia über einen klasse Kader. Faktisch steht dem das Aus im DFB-Pokal und Mittelmaß in der Bundesliga gegenüber. Trotz gewaltiger Ausgaben für Transfers und Gehälter. Von den Neuzugängen ist bisher nur Serhou Guirassy eine Verstärkung.
Wo sind die BVB-Führungsspieler?
Kicken ist das eine, Krisenfestigkeit das andere: Wo sind die Spieler, die sich diesem Abwärtsstrudel entgegenstemmen und ihre Kollegen mitreißen können? Dass Emre Can als Kapitän in Teilen der Öffentlichkeit als Sündenbock herhalten muss, ist zu billig argumentiert. Wer sonst kommt denn als Mannschaftsführer in Frage? Julian Brandt hatte dieser Tage vollkommen korrekt analysiert, dass alle Spieler mit sich selbst genug zu tun haben. Von den langjährigen Borussen erreicht aktuell keiner sein Niveau. Nicht fit, nicht führungsfähig, nicht vorzeigbar. In Summe steht das Zerrbild einer Spitzenmannschaft auf dem Platz.
Wie im Vorjahr (Sancho, Maatsen) muss im Winter mit Transfers kräftig korrigiert werden. Das ist das Schicksal derjenigen, die im Sommer zu viel falsch gemacht haben. Und das Dilemma mündet in die Frage, wer in Zukunft für den Kader verantwortlich zeichnen soll. Kehl, dessen Vertragsverlängerung seit Monaten Thema und trotzdem immer noch in der Schwebe ist, wird intern Rede und Antwort stehen müssen.