Thomas Tuchel hat diesen Ausdruck geprägt, nach einer 1:2-Niederlage bei Eintracht Frankfurt im Spätherbst 2016 sprach der ehemalige Trainer der Borussia von „einem einzigen Defizit“. Edin Terzic hätte allen Grund gehabt, sich nach dem 2:4 des nun von ihm trainierten BVB bei Borussia Mönchengladbach dieser Formulierung zu bedienen. Der Eindruck, der zu Beginn der Winterpause nun hängen bleibt, ist der einer Mannschaft in einem bedenklichen Zustand.
BVB-Defensive mit haarsträubenden Fehlern
Die Themen, wie Terzic das nennt, liegen auf dem Tisch. Seit einigen Wochen schon, und leider sind zuletzt regelmäßig immer neue hinzugekommen. Defensiv mit haarsträubenden Fehlern, offensiv nicht entschlossen genug, das sind nur die zwei wichtigsten Baustellen. Die abgelaufene Woche kam daher keinesfalls aus dem Nichts, auch wenn man sie sich in dieser negativen Ausprägung so kaum vorstellen konnte.
Dass sich Borussia Dortmund auf dem Rasen im Herbst 2022 weit weg von den eigenen Ansprüchen bewegt, weit weg auch vom Status einer Spitzenmannschaft, dafür lieferte die Hinrunde viel zu viele Indizien. Sechs Mal ging der BVB als Verlierer vom Platz, eine Bilanz, die sogar noch desaströser hätte ausfallen können, wenn die Mannschaft in einigen Partien nicht extrem das Spielglück auf ihrer Seite gehabt hätte (Freiburg, Bayern, Frankfurt). Platz sechs ist die logische Konsequenz der gezeigten Leistungen, nach 15 Partien ist die Tabelle auch weit mehr als eine Momentaufnahme.
Der BVB erlebt einen bösen Rückfall
Ob der vielen Probleme könnte Terzic fast schon resignieren. Die extremen Leistungsschwankungen, seit Jahren schon Problem dieses Kaders, hat auch er nicht in den Griff bekommen. Nachdem er in der Sommervorbereitung einen Schwerpunkt der Arbeit in die Stabilisierung der Defensive gelegt hatte und dort unter anderem mit vier 1:0-Siegen auch Erfolge verzeichnen konnte, wollte der Dortmunder Trainer eigentlich andere Punkte auf die Agenda nehmen. Das zielstrebigere Spiel nach vorne zum Beispiel, Umschaltmomente besser zu nutzen. Oder die Konsequenz vor dem Tor zu verbessern. Stattdessen erlebte sein BVB einen bösen Rückfall in die Zeiten, in denen man eigentlich schon zu Spielbeginn wusste, dass man mindestens zwei oder drei Tore würde schießen müssen, um eine Partie am Ende auch zu gewinnen.
Die Bereitschaft zum gemeinsamen Verteidigen ist irgendwo während der strapaziösen Hatz durch die Hinrunde verloren gegangen, das ist aktuell der gravierendste Schwachpunkt. Doch nicht nur in diesem Bereich fängt der Trainer, um mit seinen Worten zu sprechen, ab dem 2. Januar, wenn Terzic seine Mannschaft dann wieder komplett beisammen hat, nicht bei Null, sondern im Minus an. Die Defizite gehen weit übers schwache Verteidigen hinaus.
Zahlreiche Probleme im BVB-Kader
Zu viele Spieler haben die in sie gesetzten Erwartungen in der Hinrunde nicht erfüllt. Nico Schlotterbeck ist nach starkem Beginn nur noch ein Schatten seiner selbst. Auf beiden defensiven Außenbahnen genügen weder die A-Besetzung noch deren Vertreter höchsten Ansprüchen. Offensiv gilt ähnliches für Donyell Malen, der auch in seinem zweiten Jahr ein großes Rätsel bleibt – und Karim Adeyemi, dessen herausragende Quoten aus seiner Zeit bei RB Salzburg nun relativiert werden müssen. In der Bundesliga weht ein anderer Wind. Und es fehlt auch die Fantasie zu glauben, dass sich am Fremdkörper-Status von Anthony Modeste nach der Winterpause etwas ändern könnte.

Es gibt einige Aspekte, die bei der Ursachenforschung berücksichtigt werden müssen. Das Verletzungspech blieb ein ständiger Begleiter, es hat der Mannschaft viel an Substanz geraubt. Echten Konkurrenzkampf gab es in der Folge auf zu wenigen Positionen, was einen direkten Einfluss auf die Trainingsqualität hatte, die am Ende die Basis für die Spiele darstellt. Und über allem schwebt auch weiterhin die schwere Erkrankung von Sebastian Haller. Ein Schock für den gesamten Verein, menschlich tragisch und sportlich ein herber Verlust an Qualität.
Die BVB-Euphorie ist längst verflogen
Wenn Terzic darauf verweist, dass es in einer ähnlich schwierigen Situation vor knapp zwei Jahren schon einmal gelungen sei, den Rückstand auf die Champions League aufzuholen, ist das ein durchaus gefährliches Denken. Natürlich wird sich mit der Rückkehr der Langzeitverletzten der Konkurrenzkampf verschärfen, das sollte auch für ein höheres Niveau sorgen. Doch es gibt keinen Automatismus, dass sich das dann auch in den Ergebnissen niederschlägt.
Alles, hat Terzic nach dem Spiel in Gladbach frustriert erklärt, werde auf den Prüfstand kommen, es soll schonungslos und knallhart analysiert werden. Das bezieht hoffentlich auch den Trainer selbst mit ein. Cheftrainer-Novize Terzic lag längst nicht mit allen Entscheidungen richtig. Sein In-Game-Coaching ist ausbaufähig, und von der romantischen Vorstellung, dieser Mannschaft sei mit Reden und dem Appell an Willen und Einstellung nachhaltig beizukommen, muss er sich schnell verabschieden. Von der Euphorie, die im Sommer seine Beförderung begleitete, ist zu Beginn des Winters jedenfalls nicht viel geblieben.
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