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„Das ist unverzeihbar“: BVB wird bei Standards zum Selbstbedienungsladen
Borussia Dortmund
Vier Gegentore nach Ecken gegen Köln und Union Berlin: Der BVB wird bei Standards zum Selbstbedienungsladen. Die Anfälligkeit bei Ecken fügt sich ein in die allgemeine Defensivschwäche.
Gegen den 1. FC Köln waren es zwei Ecken von links, in Berlin zwei Ecken von rechts: Durch dilettantisches Abwehrverhalten bei ruhenden Bällen verliert Borussia Dortmund in der Tabelle den Anschluss an die Spitze. „Das ist eine Katastrophe“, sagte Abwehrchef Mats Hummels. „Wir dürfen es den Gegnern nicht so einfach machen. Sonst verliert man in der Bundesliga zu häufig.“
Das Comeback der Standardschwäche kostet den BVB zu viele Punkte und allmählich auch den Glauben, wieder auf die Beine zu kommen. Für eine Mannschaft mit den Ansprüchen und Ambitionen der Dortmunder Borussia sind derartige Geschenke an den Gegner ein Unding. Nach neun Spieltagen hatte der BVB fünf von neun Gegentoren nach ruhenden Bällen kassiert, jetzt sind zwei weitere hinzugekommen. Durch die Doppel-Patzer gegen Köln und Berlin haben die Schwarzgelben in kürzester Zeit sechs Zähler verloren. Hummels: „Wenn man erneut ein Spiel über Standards hergibt, hat das auch etwas damit zu tun, wie sehr man unbedingt einen Sieg will.“
Comeback der BVB-Standardschwäche kostet viele Punkte
In frappierender Ähnlichkeit zum Spiel gegen Köln fiel das 1:0 von Union: Die Ecke wurde scharf auf den ersten Pfosten gezogen, wo Marco Reus und Thomas Meunier die Kopfball-Verlängerung von Grischa Prömel nicht unterbinden konnten. Im Zentrum ließ Giovanni Reyna seinen Gegenspieler Taiwo Awoniyi erschreckend unbedrängt entwischen, Tor. Die Borussen blieben Standard-Statisten. „Das hat auch gegen Köln schon nicht funktioniert, das war die gleiche Variante“, schimpfte Hummels.
Doch damit nicht genug: Als die Dortmunder nach dem 1:1 in Berlin auf den Führungstreffer drängten, schepperte es auch nach dem nächsten ruhenden Ball. „Bei der zweiten Ecke ist der stärkste Kopfballspieler des Gegners zehn Meter frei. Das kann ich nicht verstehen“, war Hummels entsetzt. „Das darf einfach nicht passieren, ist unverzeihbar.“ Diesmal ließen Emre Can und Manuel Akanji, die beide Unions Robin Knoche bewachen wollten, in ihrem Rücken den bekannt kopfballstarken Marvin Friedrich, zuvor von Can markiert, freistehend zurück. Hummels‘ Rettungsversuch kam zu spät, der Kopfball landete unhaltbar neben dem Pfosten im BVB-Netz.
BVB-Keeper Bürki kritisiert Mitspieler
„Wir hatten eine klare Zuteilung, das hat nicht gepasst. Das ist ärgerlich. Wir geraten durch einfache Mittel ins Hintertreffen“, kritisierte auch Trainer Edin Terzic. „Wir haben eine ganz genaue Zuteilung, die auch jeder Spieler kennt“, meckerte Keeper Roman Bürki. Dass Aufgaben, Verantwortungen missachtet werden, ärgerte ihn maßlos. „Das hat auch mit Selbstdisziplin zu tun.“
Gewarnt waren die Borussen: „Wir haben am Mittag nochmal drauf hingewiesen“, erklärte Terzic. „Wir waren uns einig, dass man die Standards am besten verteidigt, wenn man sie nicht zulässt.“ Man hätte die Flanken früher verhindern müssen, und noch etwas: „Vor dem zweiten Gegentor erobern wir ungefähr 35 Meter vor dem Tor den zweiten Ball nicht. Das sind Dinge, die wir uns eigentlich vorgenommen haben.“
Der BVB lädt die Gegner zum Toreschießen ein
Die Anfälligkeit bei Ecken fügt sich ein in die allgemeine Defensivschwäche. Nach dem achten Spieltag stand der BVB mit nur sieben Gegentoren noch gut da. Fünf Spieltage später sind es 18 Gegentreffer, vier davon fielen nach Ecken, eine Handvoll nach Kontern. Wer die Gegner immer wieder zu einfachen Toren einlädt, muss sich nicht wundern, dass er die Ziele aus den Augen verliert. Vor den weiteren Partien am 13. Bundesliga-Spieltag müssen die Borussen, noch auf Platz vier notiert, den Blick eher nach unten als nach oben richten.

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Bei seiner Vorstellung meinte Terzic, er wolle mit seiner Mannschaft lieber ein Tor mehr schießen als eines weniger kassieren. Wenn er mit seinem Team die anhaltende Konzentrationsschwäche bei gegnerischen Standards nicht schleunigst beseitigt, müssen seine Spieler wohl sehr viele Tore schießen.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.

Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.
