173. Revierderby

BVB verschenkt 4:0-Führung - Tumulte nach dem Abpfiff

Mehr Spektakel geht auch im Derby nicht: Borussia Dortmund und der FC Schalke 04 liefern sich ein atemraubendes, denkwürdiges Revierduell. Die Schwarzgelben sehen nach einer 4:0-Führung zur Pause wie der sichere Sieger aus. Doch Königsblau steckt nicht auf - und trifft in der Nachspielzeit zum 4:4. Nach Abpfiff kochen die Emotionen hoch.

DORTMUND

, 25.11.2017 / Lesedauer: 5 min

BVB-Schock in der Nachspielzeit! Naldo erzielt per Kopf das 4:4 © imago

So unterschiedlich die Stimmungslagen in den Lagern der Revierrivalen vor diesem Spiel war, so unterschiedlich agierten die Trainer bei ihren Aufstellungen: BVB-Coach Peter Bosz nahm gleich fünf Änderungen gegenüber dem Tottenham-Spiel am Dienstag vor (Weidenfeller, Sokratis, Toprak, Sahin und Pulisic für den verletzten Bürki sowie Toljan, Bartra, Zagadou und Kagawa).

Schalkes Coach Domenico Tedesco vertraute seiner eingespielten Elf der vergangenen Wochen, Kapitän Leon Goretzka blieb zunächst auf der Bank. Auch taktisch vertrauten die Königsblauen auf ihre bewährte 5-2-3-Formation. Die Schwarzgelben hingegen änderten auch taktisch alles, stellten sich in einem 3-4-2-1-System auf.

Beeindruckender Start

Nur die ersten drei Minuten gehörten den Gästen. Erst zielte Yevhen Konopljanka nach 45 Sekunden drüber, dann langte Derby-Neuling Weston McKennie überhart zu und sah Gelb. Dann bekam der BVB die Kontrolle über den Ball und damit über das Spiel. Und legte los, wie seit Monaten nicht.

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Gleich der erste vielversprechende Angriff landete im Tor. Pierre-Emerick Aubameyang leitete die Attacke über links ein, den Rückpass von Christian Pulisic traf Nuri Sahin nicht voll, aber dafür Aubameyang, der gedankenschnell vor Benjamin Stambouli und Ralf Fährmann an den Ball kam. Dass der BVB-Torjäger die Kugel letztlich mit der rechten Hand über die Linie bugsierte, störte die Dortmunder nicht -Schiedsrichter Deniz Aytekin hatte den Regelverstoß nicht gesehen, der Video-Assistent griff nicht ein (12.).

Götze trifft per Flufkopfball

Diesen Brustlöser schienen die Schwarzgelben gebraucht zu haben nach den gefühlt endlosen Wochen der Krise. Noch inmitten der Jubeltraube beschwor Sahin seine Mitspieler, nicht nachzulassen, weiter Gas zu geben. Sie hörten auf ihn.

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Zwei Minuten nach der Führung zielte Aubameyang knapp drüber (14.), dann fälschte Stambouli unbedrängt einen Freistoß von Sahin ins eigene Tor ab - 2:0 (18.). Einen Angriff später das 3:0: Aubameyang zog auf rechts unaufhaltsam davon, die perfekte Flanke drückte Mario Götze mit einem Flugkopfball (!) über die Linie (19.).

Das Stadion tobt

Das mit 81.179 Zuschauern ausverkaufte Stadion tobte, und der BVB drückte weiter. Das nächste Beispiel dafür, dass nun wie von Geisterhand plötzlich alles gelang, was in den vergangenen Wochen missriet, lieferte Raphael Guerreiro. Nach einem abgewehrten Aubameyang-Schuss haute er das Leder sehenswert mit links in das hintere Toreck (25.). Schwarzgelber Wahnsinn!

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Die Schalker? Liefen nur hinterher, ließen das alles mit sich geschehen, ohne Gegenwehr. Beleg für viele verpasste Zweikämpfe war die Vielzahl an Fouls, allein 16 bis zur Pause. Thilo Kehrer hätte nach seinem zweiten Einsteigen (gegen Yarmolenko) Gelb-Rot sehen müssen (40. Da war der ebenfalls verwarnte McKennie bereits vom Platz geschlichen.

Dortmunder Passivität

33 Minuten dauerte es, bis Tedesco auf das drohende Debakel reagierte. Amine Harit (für di Santo) und Leon Goretzka (für McKennie) sollten seine verunsicherte Mannschaft irgendwie stabilisieren. Zur Pause musste der gefährdete Kehrer gegen Matija Nastasic ausgetauscht werden.

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Aufgeben wollten sich die Schalker jedoch nicht. Den ersten Kopfball nach der Pause setzte Leon Goretzka freistehend drüber (49.), dann köpfte Naldo ins Tor - doch nun meldete sich der Video-Assistent, Aytekin nahm seine Tor-Entscheidung zurück, Freistoß Dortmund (52.).

Beim nächsten Konter verweigerte Roman Weidenfeller Daniel Caligiuri den ersten Schalker Treffer (56.). Die Dortmunder Passivität in dieser Phase bestrafte dann Guido Burgstaller, der einen langen Pass von Stambouli per Kopf über Weidenfeller ins Netz beförderte (61.).

Nachlässigkeiten der Schwarzgelben

Für den BVB hatte zuvor mehrfach Aubameyang in aussichtsreicher Position vergeben (55., 58., 60.). Diese und andere sich mehrende Nachlässigkeiten der Schwarzgelben nutzte dann Amine Harit, der eine Flanke im Strafraum ohne Gegnerkontakt annehmen und ins Tor schieben durfte (65.). In einem zuvor völlig einseitigen Spiel rochen die Schalker plötzlich ihre Chance auf ein Comeback.

Darauf suchte BVB-Trainer Peter Bosz, dem bis dato zu wenig Coaching während der Partie vorgewurfebn wurde, eine Antwort. Er brachte Marc Bartra als Rechtsverteidiger für die Offensivkraft Andrey Yarmolenko und stellte die Abwehr sattelfester auf (68.). Diese Überlegungen konterkarierte dann sein eigener Mittelstürmer: Aubameyang langte, mit Gelb verwarnt, tief in der eigenen Hälfte gegen Harit zu - Gelb-Rot (72.).

Ein Mega-Spektakel

Dieses Derby mutierte damit endgültig zum Mega-Spektakel. Weidenfeller strecke sich mit aller Macht und lenkte einen Kopfball von Burgstaller noch soeben an den Pfosten (74.). Der BVB taumelte kraftlos über den Platz und fiel in die Muster der lähmenden Unsicherheit zurück, Schalke drehte vollends auf. Caligiuri drehte den eingewechselten Dan-Axel Zagadou im Strafraum ein und knallte einfach mal aufs Tor - nur noch 4:3 (86.). Dann nickte Naldo in der siebenminütigen Nachspielzeit eine Flanke rein - 4:4 (90.). Das Comeback des Jahres war dem Schalkern gelungen.

Durch diesen aus BVB-Sicht katastrophalen Spielverlauf ist rechtzeitig zur Mitgliederversammlung am Sonntag richtig Dampf auf dem Kessel beim BVB. Die Pfiffe der wütenden Fans im ganzen Stadion waren nicht zu überhören. Einige Anhänger wollten sogar das Feld stürmen. Wie diese zwei Gesichter seiner Borussen zu verstehen sind, das muss der in der Kritik stehende Trainer Peter Bosz sicherlich auch intern weiter (er-)klären. Die Königsblauen dürfen für sich reklamieren, nach einer indiskutablen ersten Spielhälfte Moral gezeigt zu haben.