Noch vor Beginn der Rückrunde möchte Borussia Dortmund in der wohl wichtigsten Personalie des kommenden Sommers Klarheit herbeiführen – und ein Gespräch mit Jude Bellingham, seinem Berater und den Eltern des 19-Jährigen (Vertrag bis 2025) über dessen Zukunftspläne führen. Von einem sehr vertrauensvollen Umgang miteinander sprach BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kürzlich. Anders als vor einem Jahr, als sich die Entscheidung von Erling Haaland in die Länge zog und in der Rückrunde zu einem nervenden Dauerthema auch in der Kabine wurde, hofft der BVB bei Bellingham auf ein schnelles und klares Bekenntnis. In welche Richtung auch immer.
Der BVB und die Frage nach der Bellingham-Zukunft
Das würde Klarheit über die Transfer-Notwendigkeiten für den Sommer bringen – und auch den finanziellen Rahmen festlegen, in dem Borussia Dortmund auf dem Markt tätig werden kann. Erklärt der englische Shooting-Star seinen Wechselwillen, wovon auszugehen ist angesichts des Hypes in seiner Heimat und des Werbens potenter englischer Klubs, bräuchte Dortmund adäquaten Ersatz. Auf der anderen Seite bietet ein zu erwartender Brutto-Transfererlös von jenseits der 100 Millionen Euro maximale Flexibilität, um vielleicht sogar gleich mehrere Baustellen im Kader zu schließen.
Der Umbruch, im vergangenen Sommer eingeleitet, sei lange nicht abgeschlossen, hat Watzke daher vor den Aktionären bei der ordentlichen Hauptversammlung der Borussia Dortmund GmbH&Co KGaA angemerkt. Auch Sportdirektor Sebastian Kehl meinte am Rande der Mitgliederversammlung des eingetragenen Vereins tags zuvor: „Wir machen unsere Hausaufgaben. Der Markt bietet auch einige Möglichkeiten.“
BVB-Planungen ohne Nico Schulz
Vor dem Sommer-Transferfenster öffnet in gut fünf Wochen bereits das deutlich komprimierte im Winter. „Traditionell“, sagt Kehl, „agiert Borussia Dortmund allerdings im Winter nicht außerordentlich. Und es ist ehrlich gesagt auch nicht unser Plan.“ Die Winter-Transfers der vergangenen Jahre (Haaland, Can, Balerdi, Akanji) waren zum Teil Vorgriffe auf den kommenden Sommer – oder eine Reaktion auf eine sportliche Schieflage. Aktuell gilt in Dortmund eher, Entspannung im Etat durch Transfers auf der Abgabeseite herbeizuführen.

Das größte Problem hier heißt schon seit mehreren Transferperioden Nico Schulz. Im Sommer hat Trainer Edin Terzic den 29-Jährigen endgültig aus seinen Planungen gestrichen. Dem Linksverteidiger sei dies in einem „ehrlichen und offenen Gespräch“ auch mitgeteilt worden. Für Schulz aber fand sich kein Abnehmer. Schulz ist immer noch da, am Montagabend gehörte er daher auch zum Reisetross, der sich auf den weiten Weg nach Asien machte. „Manchmal“, gesteht Watzke, „funktioniert es dann nicht. Selbst ablösefrei reicht dann nicht, weil der Spieler einem gewissen Gehaltsniveau unterliegt.“ Ohne dessen Namen zu nennen, sprach Watzke hier von Schulz, der bis zu sechs Millionen Euro pro Jahr verdienen soll.
BVB-Boss Watzke will leistungsbezogene Verträge
Bei Schulz wird es im Winter einen neuen Anlauf geben. Mittlerweile hat auch die Spieler-Seite klar gemacht, dass ein vorzeitiger Abschied trotz des noch bis 2024 (!) laufenden Vertrags im Sinne aller Beteiligten wäre. Ob das Vorhaben allerdings in die Tat umzusetzen ist, steht auf einem anderen Blatt. Seit seinem Wechsel von der TSG Hoffenheim zum BVB konnte der linke Außenbahnspieler nur sehr selten für sich werben. Dazu kommt: „Der Transfermarkt ist in Folge von Corona zusammengebrochen“, sagt Watzke. Für Top-Spieler wie Bellingham gebe es zwar immer einen Markt, bei Spielern aus dem mittleren Preissegment hingegen gab es schon im vergangenen Sommer erstaunlich wenig Bewegung. „Es gibt nur einige wenige Klubs, die sich was leisten können“, erklärte der BVB-Geschäftsführer in seiner Rede vor den Aktionären, „es gibt aber viele, die sich wenig leisten können.“
Auch Sebastian Kehl spürte eine deutliche Zurückhaltung, die er mit Corona, aber auch der gerade laufenden Weltmeisterschaft begründet. „Durch die WM wird der Markt noch einmal ganz anders in Bewegung geraten. Ich habe das Gefühl gehabt, dass sich im Sommer viele Klubs zurückgehalten haben.“
Sieben BVB-Verträge enden im Sommer
Watzke betont für Borussia Dortmund „die Notwendigkeit eines ordentlichen Transfermarkts. Wir können als Borussia Dortmund nicht fünf Spieler vorhalten, die nicht spielen.“ Winter-Wechselkandidaten gibt es beim BVB einige, nicht nur werthaltige Spieler wie Raphael Guerreiro, dessen Vertrag im Sommer ausläuft. Sieben weitere Verträge enden in gut sieben Monaten. Kaum zum Zuge sind unter Terzic Felix Passlack (24, Vertrag bis 2023) und der junge Soumaila Coulibaly (19, Vertrag bis 2024) gekommen, wobei Coulibaly sicher ein Sonderfall ist. Er kam vor 15 Monaten verletzt zum BVB und musste in der Reha einige Rückschläge hinnehmen. Seine Zeit könnte noch kommen – wenn er die Geduld aufbringt.

Als Konsequenz aus der Tatsache, dass Gehaltsniveau und Laufzeit der Verträge zuletzt in einigen Fällen nicht mit der Leistung auf dem Feld korrespondierten, möchte Watzke in den Verträgen die variablen Leistungsparameter deutlich erhöhen und das Gehalt künftig stärker an Einsatzzeiten und Erfolge koppeln – ein Vorhaben, das vor allem durch Klubs aus dem Ausland torpediert werde, wie er gesteht. „Das Problem ist, dass dort zu 90 Prozent die Bezüge im Grundgehalt fixiert sind.“ Den Weg wolle man dennoch gehen mit der Konsequenz, „dass man dann manchmal eben nicht zusammenfindet.“ Auch einen „Pandemie-Rückhalt“ möchte Watzke künftig in die Arbeitspapiere einbauen.
BVB-Strategie für Asienreise ist klar definiert: Herzen der Fans und neue Partner gewinnen
Neuer BVB-Präsident Dr. Reinhold Lunow: „Rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen“
Finanzielle BVB-Erholung setzt sich fort: Trainingsgelände bald in eigenen Händen