
BVB-Trainer Edin Terzic: „Wenn ich jemanden kritisieren will, mache ich das in meinem Trainerbüro.“
BVB-Trainer Edin Terzic erklärt: „Das ist mein Raum für Kritik“
Borussia Dortmund
BVB-Trainer Edin Terzic kritisiert seine Spieler „offen, ehrlich und hart“. Er gibt ihnen Tipps. Und er lobt sie. Dafür nutzt der Coach von Borussia Dortmund drei unterschiedliche Räume.
80.000 Fans im Stadion, Millionen Zuschauer vor den Fernsehern, zig Millionen Follower auf den diversen Social-Media-Kanälen von Klub und Spielern. Flutlicht, Scheinwerfer und Slow Motion inszenieren das Spiel und die Profis als Hochglanz-Show. Kaum ist die Partie abgepfiffen, müssen Trainer und Spieler Interviews geben. Kameras und Mikrofone suggerieren eine maximale Nähe. Gläsern, greifbar. Doch einen Teil der Wahrheit gibt es nur im abgeschirmten Setting. Wie bewusst und penibel er darauf achtet, in welchen Szenarien er sich in welcher Form äußert, wo Kritik und wo Lob verteilt werden, wie er „seinen Jungs“ einen geschützten Raum für negative Rückmeldungen garantiert, erklärte Trainer Edin Terzic erstmals bei „19:09 – der schwarzgelbe Talk“ von Ruhr Nachrichten und Radio 91.2.
Angesprochen auf die vermeintlich mangelnde Selbstkritik, die Fußballexperte Didi Hamann dem BVB nach dem 1:2 bei Manchester City zugeschrieben hatte, schilderte Terzic sein Prinzip der drei Räume.
BVB-Trainer Terzic: „Drei Räume, die extrem wichtig für mich sind“
„Es ist ganz einfach, und so habe ich es auch der Mannschaft erklärt“, sagte der 39-Jährige. „In meinem Leben als Trainer gibt es drei Räume, die extrem wichtig sind.“ Und bei denen es extrem wichtig ist, sie voneinander zu unterscheiden. Der erste Ort ist nur wenig ausgeschmückt, meist ist das Licht gedimmt, die Jalousien heruntergelassen. Dort stehen Stühle in Reihen, eine Taktiktafel an der Seite, ein Beamer kann die Bilder vom Laptop auf eine Leinwand projizieren. „Der Besprechungsraum ist der Raum, wo wir offen und ehrlich miteinander umgehen, um uns zu verbessern“, sagt Terzic. Videoanalysen nach den Spielen, Besprechungen mit Blick auf den nächsten Gegner. Was war gut, was war schlecht? Wie geht es besser? Worauf muss sich die Mannschaft am nächsten Tag einstellen? Hier finden die Gruppensitzungen statt, auf Deutsch und auf Englisch, damit alle Spieler Bescheid wissen. Dort wird – respektvoll – Tacheles geredet.
Der zweite wichtige Raum, so Terzic, „ist mein Trainerbüro. Das ist der Raum für Kritik.“ In dem überschaubaren Zimmer, „unter vier, sechs oder acht Augen, da kritisiere ich die Jungs“. Niemand sollte glauben, dass der nette und so zugängliche Terzic ein Schönredner ist oder die Konfrontation scheut, nur weil ihn alle beim Vornamen rufen dürfen und er oft sympathisch rüberkommt. Wer seinen Beitrag zum Teamerfolg nicht leistet, nicht die abgesprochenen Laufwege abspult, sich nicht an taktische Vorgaben hält oder nicht fokussiert trainiert, bekommt es dort gesagt. Direkt. In einem kleinen Raum mit Wänden ohne Ohren, ohne Öffentlichkeit, ohne Bloßstellung. Fußballprofis seien ja nicht dumm, meinte Terzic scherzhaft, „aber sie vergessen manchmal schnell“.
BVB-Trainer Edin Terzic: „Wenn ich loben will, dann mache ich es da“
Sein Job ist es, sie an ihre Aufgaben zu erinnern, seine Erwartungen zu formulieren. „Offen, ehrlich und auch hart.“ Und vis-à-vis – damit die Spieler, so der Gedanke, nicht so schnell vergessen, dass sie ihrem Trainer gegenüber auf ein Vertrauensverhältnis setzen können. Einen seiner „Jungs“, die teils nur wenig jünger sind als er, der Öffentlichkeit zum Fraß vorzuwerfen, nur um selbst besser dazustehen – in der Branche nicht unüblich, bei Terzic ein No-Go. Er favorisiert eine unverstellte Feedback-Kultur.
Aus diesen ersten beiden Räumen dringt für gewöhnlich wenig nach außen. Das ordnet die Bedeutung von Raum Nummer drei ein. „Der Medienraum, den alle vom Trainingsgelände oder aus dem Stadion kennen, das ist mein Raum für Lob“, sagt Terzic. „Wenn ich jemanden loben will, dann mache ich das genau da. Wenn ich jemanden kritisieren will, mache ich das in meinem Trainerbüro.“ Wenn also von außen, und noch dazu weit weg von der Mannschaft, Experten oder Analysten den Eindruck bekämen, Terzic und die anderen BVB-Bosse setzten zu wenig Reibungspunkte, kritisierten ihre Spieler zu wenig – sollen sie das doch glauben.
Feedback-Kultur bei Borussia Dortmund: Lob und Kritik
Der übertriebenen Schönfärberei hat sich Terzic bisher nicht verdächtig gemacht. Nach dem 2:3 gegen Werder Bremen mit drei Gegentreffern nannte er das Verhalten seiner Mannschaft „brutal dämlich und brutal ärgerlich“. Aber er lieferte keinen Sündenbock. Oder Beispiel zwei: Nach dem Revierderby, euphorisch gefeiert aber fußballerisch mau, sprach er seiner Mannschaft „ein riesiges Kompliment“ aus, weil sie Widerständen und der Belastung getrotzt hatte. „Trotzdem vergesse ich nicht, was letzte Woche war. Da war die Stimmung deutlich schlechter, zurecht, weil wir eine katastrophale Leistung gezeigt haben in Leipzig.“ Loben und kritisieren. Einordnen und herausfordern. Sprach-Training mit dem Ziel, den maximalen Erfolg herauszukitzeln mit dem richtigen Input zwischen die Ohren.
„Wir sind eine Gruppe, ich bin verantwortlich für die ganze Mannschaft, ich muss die Scherben häufig zusammenkehren, damit wir alle wieder in die gleiche Richtung laufen und das gleiche Ziel verfolgen“, erklärt Terzic. „Wenn Didi Hamann denkt, dass ich da kritischer werden muss – ich fühle mich sehr wohl mit dem offenen und ehrlichen Umgang mit der Mannschaft an den Stellen, wo es keiner mitbekommt, aber dann wirkt.“
BVB-Trainer Terzic legt Wert auf Feedback - bestimmter Personen
Seine Räume bleiben ihm wichtig. Der gut ausgeleuchtete Blick und ausgesteuerte Ton in der Öffentlichkeit deckt sich nicht zwingend mit dem, was hinter verschlossenen Türen gezeigt und gesagt wird. Und andersherum: „Mir ist das Feedback wichtig von den Menschen, mit denen ich jeden Tag zusammenarbeite“, sagt Terzic. „Das ist mein Trainerteam, das sind meine Vorgesetzten, das sind meine Spieler und alle, die rundherum um die Mannschaft am Trainingsgelände arbeiten. Die sehen, wie ich kritisch mit der Mannschaft umgehe.“
Dass im Brennglas der breiten Öffentlichkeit auch mal (vor-)schnell anders geurteilt werde, als er es nachvollziehen kann, damit muss Terzic als Trainer zurechtkommen. „Ich kann das alles akzeptieren“, meint er. „Wenn mich alle loben, wäre es ja auch irgendwann mal langweilig.“
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
