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BVB-Torhüter Gregor Kobel: Gute Chancen auf Spiele mit der Schweiz
Borussia Dortmund
BVB-Torhüter Gregor Kobel zeigt längst internationale Klasse. Sein Leistungssprung in Dortmund könnte jetzt mit weiteren Einsatzminuten in der Nationalmannschaft der Schweiz belohnt werden.
Glaubt man der Werbung, haben es die Schweizer erfunden, dieses Bonbon aus Kräutern und Zucker, das hilft, wenn es mal im Hals kratzt. Eine Lutschpastille hätte Gregor Kobel (24) sicher gutgetan am Sonntagabend. Mit heiserer Stimme sprach der BVB-Torhüter über die Partie beim 1. FC Köln und andere Themen.
BVB-Keeper Gregor Kobel: „Ich musste etwas lauter schreien“
„Ich musste etwas lauter schreien“, erzählte Kobel, im ausverkauften Stadion braucht es Volumen in der Stimme, um von den Vorderleuten gehört zu werden. Und das will er ja. „Kommandos zurufen, den Jungs vor mir helfen, positiv sein.“ Der 1,94 Meter lange Schlussmann hat sich bei Borussia Dortmund in kürzester Zeit Gehör verschafft, er gehört beim Tabellenzweiten zu den Schlüsselspielern. Mit gerade einmal 24 Jahren, als jüngster Stammtorwart der Bundesliga.
Den extremen Ehrgeiz, der ihm individuell zu großen Sprüngen bei der Leistung und bei seinen Arbeitgebern verholfen hat, hört man bei Kobel in vielen Antworten raus. Das 1:1 beim „Effzeh“ spiegele den Spielverlauf ganz gut wider, das habe doch jeder so gesehen, erklärte er gegenüber den Ruhr Nachrichten, „aber ich sage nicht, dass das Remis okay ist, denn wir wollen immer gewinnen“. Zufrieden ist „Greg“, wie ihn die Mitspieler nennen, nur dann, wenn seine Mannschaft als Sieger vom Platz geht. Grundsätzlich sei das Resultat dabei egal, „aber als Torhüter ist mir statt eines 5:4 ein 1:0 dann doch lieber“. Die Tendenz mit nur zwei Gegentoren aus den jüngsten fünf Bundesligaspielen freut ihn.
Besessen im positiven Sinn: Gregor Kobel von Borussia Dortmund
Wer sich im Umfeld von Spieler und Ballspielverein erkundigt, der bekommt zu Kobel viele gleich klingende Antworten. Er sei hoch ambitioniert, ein mutiger Torsteher, erfolgsgierig, sehr fokussiert im Kopf. Einer, mit dem man in die Schlacht ziehen könnte, wie seine Vorderleute Jude Bellingham, Erling Haaland oder Thomas Meunier. Unbeugsam. Besessen im positiven Sinn.
Sein klarer Kopf, heißt es, bringe sein Talent und seine Qualitäten noch mehr zum Vorschein. Er könne alles ausblenden, was nicht zielführend sei. Stringent hat der gebürtige Züricher seinen Weg gemacht und dafür einiges auf sich genommen. Mit 16 Jahren verließ er die Heimat und lernte bei der TSG 1899 Hoffenheim. Noch als Teenie wählte er bewusst den Bundesliga-Abstiegskampf mit dem FC Augsburg als Herausforderung, danach den Aufstiegszwang mit dem damaligen Zweitligisten VfB Stuttgart. So eignete er sich eine Reife und Erfahrung an, die Positionskollegen erst Jahre später erreichen.

Drei Schweizer, eine Nummer eins: Roman Bürki, Gregor Kobel und Marwin Hitz (v.l.) beim BVB-Training. © imago
Das nötige Nervenkostüm hat sich Borussia Dortmunds Nummer eins also früh zugelegt. Torhüter müssen besonders stressresistent sein, ihnen werden Fehler am wenigsten verziehen. Den Sprung zu einem Topklub, in die Champions League, meisterte er bemerkenswert. Von einem Risiko, für einen jungen Schnapper 15 Millionen Euro auszugeben, spricht beim BVB niemand mehr. Seinen Marktwert hat er bereits ausgebaut, seinen Wert für die Schwarzgelben erst angedeutet. „Ich kann mich noch in vielen Bereichen verbessern“, sagt Kobel. Das klingt bei ihm weniger wie eine Floskel, vielmehr wie ein festes Vorhaben, das er im Zweifel bereits geplant hat.
BVB hat in Kobel seine langjährige Nummer eins ausgemacht
Mit Kobel, ist man beim BVB sicher, ist der Klub zwischen den Pfosten für die nächsten Jahre gut aufgestellt. Der neue Keeper ist in kurzer Zeit zu einer Stütze geworden dank seiner beeindruckenden Physis, seinem sehr guten Verhalten auf der Linie und im Eins-gegen-eins, dank Rettungsaktionen außerhalb des Strafraums und der Bereitschaft, mit dem Ball am Fuß auch konsequent die Ruhe zu bewahren und das Risiko nicht zu scheuen. Seine Landsmänner Roman Bürki und Marwin Hitz hat er seit dem Sommer ausgestochen. Andere Schweizer könnten folgen. Nun nicht im BVB-Trikot, sondern bei der Nationalmannschaft.
Gregor Kobel wechselte 2014 als 16-Jähriger von GC Zürich nach Deutschland zur TSG Hoffenheim, bestritt für die erste Mannschaft der TSG aber nur sechs Pflichtspiele. In der Rückrunde 2018/19 spielte er auf Leihbasis beim FC Augsburg, in der Zweitliga-Saison 2019/20 auf Leihbasis beim VfB Stuttgart, der ihn dann 2020 fest verpflichtete. Im Sommer 2021 kaufte ihn der BVB für eine Ablösesumme von 15 Millionen Euro. Unter Vertrag steht er bis 2026.
Im Herbst sagte Kobel noch zwei Lehrgänge ab, einmal weil er sich verletzt hatte, einmal, weil der Drei-Tages-Rhythmus für ihn noch neu war und er in der Eingewöhnungszeit mehr Ruhe benötigte. Für die anstehenden zwei Test-Länderspiele in England und zuhause gegen Kosovo nimmt ihn Goalie-Coach Patrick Foletti unter seine Fittiche. In der Bundesliga hat Kobel Yann Sommer (33, Bor. Mönchengladbach) mit seinen Leistungen mindestens eingeholt, wenn nicht gar überholt. Das Fachmagazin „Kicker“ stufte ihn auf Rang drei ein, hinter Manuel Neuer (FC Bayern) und Mark Flekken (SC Freiburg), aber auch einen Platz vor Sommer.
In der „Nati“ gilt sicherlich noch der Bonus des langjährigen Stammtorhüters, auch Jonas Omlin (28, Olympique Marseille) könnte Ansprüche anmelden. Die Hoffnungen auf weitere Einsatzminuten im Dress der Eidgenossen hat Kobel am Montag allemal mitgenommen auf dem Weg ins Trainingscamp in Marbella. „Ich werde mal hingehen. Vielleicht gibt es ein paar Minuten“, ließ er sich dazu keine großen Töne entlocken. Laut wird Kobel lieber auf dem Platz.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
