
Systemwechsel oder ein direkter Ersatz: BVB-Trainer Edin Terzic wird sich viele Gedanken gemacht haben, wie er den verletzten Marco Reus ersetzen will. © IMAGO/Team 2
BVB ohne Marco Reus: Was Terzic zu einer Systemumstellung bewegen könnte
Borussia Dortmund
Der BVB muss noch mindestens zwei Wochen ohne Marco Reus auskommen, ein Fixpunkt in der Offensive fehlt. Ein Systemwechsel könnte Kompaktheit und Konterstärke neu kombinieren.
Köln, Sevilla, Bayern, Sevilla, Union – allein diese fünf Gegner in den nächsten zwei Wochen werden Borussia Dortmund extrem fordern. Dabei wird der BVB aller Voraussicht nach für diese Strecke ohne seinen verletzten Kapitän Marco Reus auskommen müssen. Der 33-Jährige, die Drehscheibe der Offensive, fällt mit einer Bänderverletzung im Sprunggelenk aus. Trainer Edin Terzic stellt sich die Frage: Wie soll der wichtigste Spieler der Abteilung Attacke ersetzt werden?
Julian Brandt oder Giovanni Reyna als BVB-Spielmacher
Naheliegend wäre der Versuch, Reus im 4-2-3-1-System durch einen anderen Spieler zu ersetzen. Bisher ist der BVB mit dieser Aufgabenteilung gut gefahren, und es gibt mindestens zwei Kandidaten, die für die Zehner-Position in Frage kommen. Doch trauen die Borussen dem in seiner Form oft schwankenden Julian Brandt diese Verantwortung dauerhaft und in entscheidenden Spielen zu? Oder soll der verletzungsgeplagte Giovanni Reyna, der auserkorene Spielmacher der Zukunft, ab sofort in diese Rolle schlüpfen?
Beide Optionen haben ihre Vor- und Nachteile. Brandt spielt mehr mit Intuition als strategisch. Reyna, ohnehin leicht angeschlagen von der US-Nationalmannschaft zurückgekehrt, muss erst noch Rhythmus und Zutrauen in seinen Körper finden. Mehr als eine Überlegung wert wäre daher auch ein anderer Weg, um den Reus-Ausfall zu kompensieren.
Wie in der Interimszeit: Kehrt BVB-Trainer Terzic zum 4-3-3 zurück?
Mit Reus in der Startaufstellung ist der BVB fast zu einem 4-2-3-1 genötigt, im zentralen offensiven Mittelfeld kann der Routinier seine Qualitäten bestmöglich zur Geltung bringen, weiter außen oder offensiver fühlt er sich weniger wohl und schlechter aufgehoben. Aber ohne den „Capitano“ (O-Ton Terzic) hat der Trainer freie Hand bei der Systematik und könnte sich an sein altes Erfolgsrezept erinnern.
In seiner Interimszeit zwischen Dezember 2020 und Juni 2021 wählte Terzic mit Vorliebe das 4-3-3 als Grundordnung.
In erster Linie verhalf das situativ zu einer größeren Kompaktheit bei der Arbeit gegen den Ball und außerdem zu mehr Raum für die konterstarken Angreifer (damals Reus, Erling Haaland und Jadon Sancho). Mit ähnlichen Beweggründen könnte sich Terzic erneut für diese Spielart entscheiden. Aggressiv in der Verteidigung, blitzschnell im Umschaltspiel – zumal für ausgeklügelte Angriffssysteme aus langen Ballbesitzphasen heraus noch zu wenige Automatismen greifen (können, wegen der vielen Verletzungen).
BVB-Coach Edin Terzic geht es um die richtige „Balance“
Denn gerade die Variabilität im Defensiv- und Offensivspiel, die hohe Kontergefahr nach Balleroberungen und situativ drei Angreifer, die ein Gegenpressing auslösen könnten, zählen zu den Vorzügen dieser Grundordnung. Reus wird dem BVB fraglos als fast immer verfügbare Anspielstation tief in der gegnerischen Hälfte fehlen. Diesen Nachteil könnte Terzic systematisch umschiffen mit einem Schwerpunkt auf defensiver Stabilität und einem zweiten Achter, der Räume zustellen und den Gegner stressen kann. Und beim Blick auf die kommenden Gegner wird keine Mannschaft so tief stehen, dass kein Platz für die Hochgeschwindigkeitskicker Adeyemi und Malen entstünde.
Er mache sich viele Gedanken, wie man erfolgreich Fußball spielen könne, erklärte der 39-Jährige im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. Dabei gehe es immer „um die Balance zwischen Offensivfußball und defensiver Stabilität“. Letzteres sei ein großes Thema seit dem ersten Tag der Vorbereitung gewesen. „Es ist uns extrem wichtig, die Anzahl der Gegentore zu reduzieren. Zu oft mussten wir in den Jahren zuvor zwei oder drei Tore erzielen, um ein Spiel zu gewinnen.“ Mit vier 1:0-Siegen (Leverkusen, Hoffenheim, Berlin, Schalke) scheint der BVB hier auf einem guten Weg zu sein.
Auf Borussia Dortmund warten 13 Partien in 42 Tagen
Auf eine Systemdebatte mag sich Terzic („Ich jonglieren ungern mit Zahlen“) nicht gerne einlassen. Wohl aber auf Gedankenspiele, die vorhandenen Spieler bestmöglich zu arrangieren und zu organisieren. Er wolle „mit dem Potenzial, dem Talent und den Qualitäten, die wir haben, die bestmögliche Mischung finden, angepasst an unsere Form und leicht angepasst an den jeweiligen Gegner“. Ohne Reus und ohne prädestinierten Kandidaten für den Job als Zehner, stattdessen mit den zurückgekehrten sprintstarken Karim Adeyemi und Donyell Malen, könnten Kompaktheit und Konterstärke neu kombiniert werden. Im Zentrum käme Jude Bellingham als allgegenwärtiger Achter in seiner idealen Rolle zum Einsatz, neben ihm in Brandt oder Reyna ein Kreativspieler. Und vor der Abwehr, mit klarem Defensivauftrag versehen, könnten Salih Özcan oder Emre Can den Raum abdecken und die Viererkette beschützen.
Mit leicht verändertem Personal - einem Innenverteidiger für den zweiten Achter - und kleineren Anpassungen ließe sich diese Herangehensweise auch in einem 3-4-3-System umsetzen. Ebenfalls ohne Spielmacher, dafür mit mehr Gestaltungsfreiheit. Unabhängig von Systemen meint Terzic: „Wir wollen unseren Fußball sehen, in den wir uns verliebt haben. Wir müssen nichts neu erfinden, sondern uns nur wieder erinnern.“ Gelegenheit dazu wird es bei 13 Partien in 42 Tagen reichlich geben. Und Reus soll ja nur noch rund zwei Wochen fehlen.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
